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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Heine's neueste Schriften

Seit mehreren Jahren haben sich die deutschen Touristen in Paris abgemüht,
uns das allmähliche Absterben Heine's in möglichst larmoyantcn Bildern darzustellen.
Der "Romancero", in welchem uns der traute Dichter so eben gleichsam ein Testament
''verschickt hat, zeigt, daß dieses körperliche Leiden wenigstens die Frische und
Frechheit seines Geistes nicht untergraben hat. Heine versichert zwar, er sei ans
seinem Sterbebette in sich gegangen und als Verlorner Sohn, zum lieben Gott
zurückgekehrt, nachdem er Jahre lang bei den Hegelianern die Schweine gehütet;
^ fügt einiges Gerede über das Verhältniß des Pantheismus zum Atheismus
hinzu, und schließt mit der feierlichen Erklärung, sännntliche Anzüglichkeiten gegen
^n lieben Gott ins Feuer geworfen zu haben, weil eS besser sei, daß die Schriften
brennten, als daß der Schriftsteller den ewigen Flammen überliefert würde. Aber
das sind nnr Windbeuteleien. Da er es zuerst ausführt, daß mau sich einen
^vel nur denken könne, wenn man ihm eine bestimmte Persönlichkeit unterlegt,
w sollte man doch erwarten, daß er sich an irgend eine der bekannten Götter-
Walten halten würde; aber von den griechischen Göttern hat er schon seit fünf
'Unehren nnter Thränen Abschied genommen, und gegen den christlichen wie gegen
de" jüdischen Gott sührt er lästerliche Reden, wie sie kaum in einer seiner früheren
Schriften vorkommen, und die nur schwerlich als eine Empfehlung ins Himmel-
^'ich betrachten können. ' Diese Blasphemien sind sehr frech, aber sie sind sehr
'"'dig und poetisch. Uebrigens würde man irren, wenn man daraus schließen wollte,
^ stände eben so fest in seinem Unglauben, wie die Koryphäen des Judenthums
""d des Christeuihums, die er darstellt, in ihrem Glauben. Er kommt zu häufig
"Uf die Idee der Unsterblichkeit zurück, als daß man nicht annehmen sollte, daß
ihn dieser Gedanke wirklich sehr lebhaft verfolgt, wie sehr er ihn auch durch frivole
Späße zu verscheuchen sucht, und wie sehr es ihm auch von Zeit zu Zeit gelingt,
dem poetischen Behagen an seinen scnrrilen Bildern ihn wirklich los zu werden.
^'N Zeit zu Zeit werden wir selbst an seiner Krankheit irre, und zweifeln, ob er
'Acht seinen Freunden etwas weis macht, um sich über ihre Leichtgläubigkeit zu


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Heine's neueste Schriften

Seit mehreren Jahren haben sich die deutschen Touristen in Paris abgemüht,
uns das allmähliche Absterben Heine's in möglichst larmoyantcn Bildern darzustellen.
Der „Romancero", in welchem uns der traute Dichter so eben gleichsam ein Testament
''verschickt hat, zeigt, daß dieses körperliche Leiden wenigstens die Frische und
Frechheit seines Geistes nicht untergraben hat. Heine versichert zwar, er sei ans
seinem Sterbebette in sich gegangen und als Verlorner Sohn, zum lieben Gott
zurückgekehrt, nachdem er Jahre lang bei den Hegelianern die Schweine gehütet;
^ fügt einiges Gerede über das Verhältniß des Pantheismus zum Atheismus
hinzu, und schließt mit der feierlichen Erklärung, sännntliche Anzüglichkeiten gegen
^n lieben Gott ins Feuer geworfen zu haben, weil eS besser sei, daß die Schriften
brennten, als daß der Schriftsteller den ewigen Flammen überliefert würde. Aber
das sind nnr Windbeuteleien. Da er es zuerst ausführt, daß mau sich einen
^vel nur denken könne, wenn man ihm eine bestimmte Persönlichkeit unterlegt,
w sollte man doch erwarten, daß er sich an irgend eine der bekannten Götter-
Walten halten würde; aber von den griechischen Göttern hat er schon seit fünf
'Unehren nnter Thränen Abschied genommen, und gegen den christlichen wie gegen
de» jüdischen Gott sührt er lästerliche Reden, wie sie kaum in einer seiner früheren
Schriften vorkommen, und die nur schwerlich als eine Empfehlung ins Himmel-
^'ich betrachten können. ' Diese Blasphemien sind sehr frech, aber sie sind sehr
'"'dig und poetisch. Uebrigens würde man irren, wenn man daraus schließen wollte,
^ stände eben so fest in seinem Unglauben, wie die Koryphäen des Judenthums
""d des Christeuihums, die er darstellt, in ihrem Glauben. Er kommt zu häufig
"Uf die Idee der Unsterblichkeit zurück, als daß man nicht annehmen sollte, daß
ihn dieser Gedanke wirklich sehr lebhaft verfolgt, wie sehr er ihn auch durch frivole
Späße zu verscheuchen sucht, und wie sehr es ihm auch von Zeit zu Zeit gelingt,
dem poetischen Behagen an seinen scnrrilen Bildern ihn wirklich los zu werden.
^'N Zeit zu Zeit werden wir selbst an seiner Krankheit irre, und zweifeln, ob er
'Acht seinen Freunden etwas weis macht, um sich über ihre Leichtgläubigkeit zu


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[0245] Heine's neueste Schriften Seit mehreren Jahren haben sich die deutschen Touristen in Paris abgemüht, uns das allmähliche Absterben Heine's in möglichst larmoyantcn Bildern darzustellen. Der „Romancero", in welchem uns der traute Dichter so eben gleichsam ein Testament ''verschickt hat, zeigt, daß dieses körperliche Leiden wenigstens die Frische und Frechheit seines Geistes nicht untergraben hat. Heine versichert zwar, er sei ans seinem Sterbebette in sich gegangen und als Verlorner Sohn, zum lieben Gott zurückgekehrt, nachdem er Jahre lang bei den Hegelianern die Schweine gehütet; ^ fügt einiges Gerede über das Verhältniß des Pantheismus zum Atheismus hinzu, und schließt mit der feierlichen Erklärung, sännntliche Anzüglichkeiten gegen ^n lieben Gott ins Feuer geworfen zu haben, weil eS besser sei, daß die Schriften brennten, als daß der Schriftsteller den ewigen Flammen überliefert würde. Aber das sind nnr Windbeuteleien. Da er es zuerst ausführt, daß mau sich einen ^vel nur denken könne, wenn man ihm eine bestimmte Persönlichkeit unterlegt, w sollte man doch erwarten, daß er sich an irgend eine der bekannten Götter- Walten halten würde; aber von den griechischen Göttern hat er schon seit fünf 'Unehren nnter Thränen Abschied genommen, und gegen den christlichen wie gegen de» jüdischen Gott sührt er lästerliche Reden, wie sie kaum in einer seiner früheren Schriften vorkommen, und die nur schwerlich als eine Empfehlung ins Himmel- ^'ich betrachten können. ' Diese Blasphemien sind sehr frech, aber sie sind sehr '"'dig und poetisch. Uebrigens würde man irren, wenn man daraus schließen wollte, ^ stände eben so fest in seinem Unglauben, wie die Koryphäen des Judenthums ""d des Christeuihums, die er darstellt, in ihrem Glauben. Er kommt zu häufig "Uf die Idee der Unsterblichkeit zurück, als daß man nicht annehmen sollte, daß ihn dieser Gedanke wirklich sehr lebhaft verfolgt, wie sehr er ihn auch durch frivole Späße zu verscheuchen sucht, und wie sehr es ihm auch von Zeit zu Zeit gelingt, dem poetischen Behagen an seinen scnrrilen Bildern ihn wirklich los zu werden. ^'N Zeit zu Zeit werden wir selbst an seiner Krankheit irre, und zweifeln, ob er 'Acht seinen Freunden etwas weis macht, um sich über ihre Leichtgläubigkeit zu Grenze'oder. >V- >8!>->. ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/245>, abgerufen am 19.04.2024.