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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Zeitung zu schreiben, nud daß er versucht hat, schon durch den Titel den Maugel
an innerer Einheit anzudeuten. Wenn er eine Geschichte schreibt, in welcher durch
drei Bände dieselbe" Personen beschrieben werden, sprechen, handeln und leiden,
so in"ß er diese Geschichte nach künstlerischen Gesetzen ordnen, oder sie fällt aus ein¬
ander, und stößt auch den flüchtige" Leser ab, ohne daß er vielleicht zu sagen weiß, wes¬
halb. Im Anfange ausführlich angelegte Verwickelungen werden in der Mitte
des Buchs mit wenig Worten gelöst, dann treten neue Personen und neue kleine
Spannungen auf, und machen unbegründete Ansprüche an das lebhafte Interesse
des Lesenden. Daneben kommen Episoden, die ganz ungehörig sind, z. B. der
Traum Dübel's im letzten Bande. Durch all dieses mosaikartige Zusammen¬
setzen verschiedener nicht zusammengehöriger Einzelheiten geht ein nicht wohl¬
thuender Parallelismus einzelner Verhältnisse. Es sind viele arme Mädchen
in zweideutiger Existenz, um deren Schicksale sich die Erzählung dreht: Des Jä¬
gers Geliebte, Mariens Mutter, Marie, Anna, Mathilde. Genusse Aehnlichkeiten
ihrer Lage reichen aber nicht aus, um das "Nebeneinander" derselben künstlerisch
zu rechtfertigen, zumal die Charakteristik der Einzelne" höchst unvollständig und
willkürlich ist. So macht das Ganze keinen guten Eindruck, nud ist eine auffallende
Bestätigung unsrer alten Erfahrung, daß bei den deutschen Dichter" das Talent
zu componire", die höchste Eigenschaft einer männlichen Dichterkraft, so sehr selten
vorhanden ist. Bei Hackländer ist, wie gesagt, gegenwärtig noch nicht zu er¬
kennen, ob die dilettantenhafte Flüchtigkeit seines Schaffeiis Folge von mangelnder
Kraft oder von unvollständiger künstlerischer Bildung ist. Die Grenzboten möch¬
ten gern das Letztere annehmen, und richten deshalb an den Verfasser die Bitte,
etwas Ordentliches für seine technische Bildung zu thu". Fast jeder Roman vo"
W. Scott kann ihm als Muster dienen, wie der Romanschreiber das Interesse
des Lesers zu spannen nud zu befriedigen hat. Noch ist der große Mann, der
doch so schnell schrieb, in vielen Einzelheiten seiner Komposition nicht überträfe"
worden, obgleich er selbst mit einer gewisse" Lanne sich das Talent zu coM-
poniren absprach.




Wochenschau.
Pariser Botschaften.

Die Botschaft des Präsidenten konnte Ihre Leser durchaus nicht überrascht haben-
Wir haben das wichtigste Factum derselben, die beantragte Aushebung des Gesetzes vo">
^. Mai, seit lauger Zeit als nothwendige Folge unsrer Zustände dargethan. Louis Bon"-
Parte war in dieser Beziehung willenlos, so wie die Majorität trotz ihres widersetzenden
Anlaufs ohnmächtig sein wird, die Ausführung des prüsidentielleu Vorschlages zu on>-
hindern. Also die Thatsache an und für sich kann nicht unerwartet erscheinen, aw


Zeitung zu schreiben, nud daß er versucht hat, schon durch den Titel den Maugel
an innerer Einheit anzudeuten. Wenn er eine Geschichte schreibt, in welcher durch
drei Bände dieselbe» Personen beschrieben werden, sprechen, handeln und leiden,
so in»ß er diese Geschichte nach künstlerischen Gesetzen ordnen, oder sie fällt aus ein¬
ander, und stößt auch den flüchtige« Leser ab, ohne daß er vielleicht zu sagen weiß, wes¬
halb. Im Anfange ausführlich angelegte Verwickelungen werden in der Mitte
des Buchs mit wenig Worten gelöst, dann treten neue Personen und neue kleine
Spannungen auf, und machen unbegründete Ansprüche an das lebhafte Interesse
des Lesenden. Daneben kommen Episoden, die ganz ungehörig sind, z. B. der
Traum Dübel's im letzten Bande. Durch all dieses mosaikartige Zusammen¬
setzen verschiedener nicht zusammengehöriger Einzelheiten geht ein nicht wohl¬
thuender Parallelismus einzelner Verhältnisse. Es sind viele arme Mädchen
in zweideutiger Existenz, um deren Schicksale sich die Erzählung dreht: Des Jä¬
gers Geliebte, Mariens Mutter, Marie, Anna, Mathilde. Genusse Aehnlichkeiten
ihrer Lage reichen aber nicht aus, um das „Nebeneinander" derselben künstlerisch
zu rechtfertigen, zumal die Charakteristik der Einzelne» höchst unvollständig und
willkürlich ist. So macht das Ganze keinen guten Eindruck, nud ist eine auffallende
Bestätigung unsrer alten Erfahrung, daß bei den deutschen Dichter» das Talent
zu componire», die höchste Eigenschaft einer männlichen Dichterkraft, so sehr selten
vorhanden ist. Bei Hackländer ist, wie gesagt, gegenwärtig noch nicht zu er¬
kennen, ob die dilettantenhafte Flüchtigkeit seines Schaffeiis Folge von mangelnder
Kraft oder von unvollständiger künstlerischer Bildung ist. Die Grenzboten möch¬
ten gern das Letztere annehmen, und richten deshalb an den Verfasser die Bitte,
etwas Ordentliches für seine technische Bildung zu thu». Fast jeder Roman vo»
W. Scott kann ihm als Muster dienen, wie der Romanschreiber das Interesse
des Lesers zu spannen nud zu befriedigen hat. Noch ist der große Mann, der
doch so schnell schrieb, in vielen Einzelheiten seiner Komposition nicht überträfe»
worden, obgleich er selbst mit einer gewisse» Lanne sich das Talent zu coM-
poniren absprach.




Wochenschau.
Pariser Botschaften.

Die Botschaft des Präsidenten konnte Ihre Leser durchaus nicht überrascht haben-
Wir haben das wichtigste Factum derselben, die beantragte Aushebung des Gesetzes vo»>
^. Mai, seit lauger Zeit als nothwendige Folge unsrer Zustände dargethan. Louis Bon"-
Parte war in dieser Beziehung willenlos, so wie die Majorität trotz ihres widersetzenden
Anlaufs ohnmächtig sein wird, die Ausführung des prüsidentielleu Vorschlages zu on>-
hindern. Also die Thatsache an und für sich kann nicht unerwartet erscheinen, aw


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[0270] Zeitung zu schreiben, nud daß er versucht hat, schon durch den Titel den Maugel an innerer Einheit anzudeuten. Wenn er eine Geschichte schreibt, in welcher durch drei Bände dieselbe» Personen beschrieben werden, sprechen, handeln und leiden, so in»ß er diese Geschichte nach künstlerischen Gesetzen ordnen, oder sie fällt aus ein¬ ander, und stößt auch den flüchtige« Leser ab, ohne daß er vielleicht zu sagen weiß, wes¬ halb. Im Anfange ausführlich angelegte Verwickelungen werden in der Mitte des Buchs mit wenig Worten gelöst, dann treten neue Personen und neue kleine Spannungen auf, und machen unbegründete Ansprüche an das lebhafte Interesse des Lesenden. Daneben kommen Episoden, die ganz ungehörig sind, z. B. der Traum Dübel's im letzten Bande. Durch all dieses mosaikartige Zusammen¬ setzen verschiedener nicht zusammengehöriger Einzelheiten geht ein nicht wohl¬ thuender Parallelismus einzelner Verhältnisse. Es sind viele arme Mädchen in zweideutiger Existenz, um deren Schicksale sich die Erzählung dreht: Des Jä¬ gers Geliebte, Mariens Mutter, Marie, Anna, Mathilde. Genusse Aehnlichkeiten ihrer Lage reichen aber nicht aus, um das „Nebeneinander" derselben künstlerisch zu rechtfertigen, zumal die Charakteristik der Einzelne» höchst unvollständig und willkürlich ist. So macht das Ganze keinen guten Eindruck, nud ist eine auffallende Bestätigung unsrer alten Erfahrung, daß bei den deutschen Dichter» das Talent zu componire», die höchste Eigenschaft einer männlichen Dichterkraft, so sehr selten vorhanden ist. Bei Hackländer ist, wie gesagt, gegenwärtig noch nicht zu er¬ kennen, ob die dilettantenhafte Flüchtigkeit seines Schaffeiis Folge von mangelnder Kraft oder von unvollständiger künstlerischer Bildung ist. Die Grenzboten möch¬ ten gern das Letztere annehmen, und richten deshalb an den Verfasser die Bitte, etwas Ordentliches für seine technische Bildung zu thu». Fast jeder Roman vo» W. Scott kann ihm als Muster dienen, wie der Romanschreiber das Interesse des Lesers zu spannen nud zu befriedigen hat. Noch ist der große Mann, der doch so schnell schrieb, in vielen Einzelheiten seiner Komposition nicht überträfe» worden, obgleich er selbst mit einer gewisse» Lanne sich das Talent zu coM- poniren absprach. Wochenschau. Pariser Botschaften. Die Botschaft des Präsidenten konnte Ihre Leser durchaus nicht überrascht haben- Wir haben das wichtigste Factum derselben, die beantragte Aushebung des Gesetzes vo»> ^. Mai, seit lauger Zeit als nothwendige Folge unsrer Zustände dargethan. Louis Bon"- Parte war in dieser Beziehung willenlos, so wie die Majorität trotz ihres widersetzenden Anlaufs ohnmächtig sein wird, die Ausführung des prüsidentielleu Vorschlages zu on>- hindern. Also die Thatsache an und für sich kann nicht unerwartet erscheinen, aw

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/270>, abgerufen am 25.04.2024.