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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Mann, und das Männliche im Charakter des Poltergeistes kommt wenig zum Vor¬
schein. Dagegen sollte man Oberen selbst etwas mehr Gravität geben, und den
huschen Tenor ans der Oper, wo er sich in der nämlichen Rolle bewegt, dazu
verwenden. Für die handelnden Schauspieler ist übrigens noch zu bemerken, daß
ihre Mißverständnisse und Verwickelungen beim Publicum denselben komischen Ein¬
druck machen sollen, wie bei den idealen Zuschauern, bei Puck u. s. w., und daß
Shakspeare auch sehr entschieden darauf hingearbeitet hat, indem er sie mit der
Unbildung, etwas recht Tiefgefühltes und Welses auszusprechen, den größten
Unsinn reden läßt. -- Mit dem Schluß dieses Acts hört das Interesse
""f; die Späße der Handwerker im letzten Act sind eigentlich zu grob, als daß
>vir sie besonders vermissen sollten. Die dazwischen eingeschobenen Bemerkungen
d°S Theseus und der Uebrigen sind sehr langweilig, und der etwas prahlerisch
ausgestattete Rahmen mit der Musik des Hochzeitmarsches und den vielen Fackeln
^ße nicht für das kleine Bild. Zwar gehen mit diesem letzten Act einige zarte
^übertrugen verloren, daß die äußerlichen Capricen der Kobolde, denen die Lieben¬
den im Walde anheimfielen, eigentlich nnr ein Ausdruck siud für die innere Natur
der Liebe, die sich gern in Capricen bewegt, allein wir können auch diese an sich
^ehe hübsche Moral gern entbehren. -- Dagegen darf der erste Act nicht weg¬
sei,, obgleich er kein großes Interesse erregt, und obgleich die darin vorkom¬
mende Vermischung aller möglichen Gebräuche, Mythologien und Sitten sür unsren
Geschmack zu stark ist. Uebrigens hat Gervinus Unrecht, .wenn er für die Vor¬
stellung das antike Costum verlangt. Vom Alterthum ist in dem Stück keine Rede,
"ut die Hoftracht des Nenaissancezeitalters ist für ein pathetisch-bnrleskcS Festspiel
gerade das angemessene Costum. Auch die Amazonen, die man im Gefolge der
Hivpvlhta angebracht hat, sollten wegbleiben.




Der Katholicismus in Frankreich.

Auf den ersten Anblick scheint es befremdend, daß gerade in Frankreich ein'em
Wholischen Lande, die antichristliche Philosophie eine Energie und en.e AnSdeh-
">"'g gewinnen konnte, wovon in den protestantischen Ländern England und Dent,ch-
keine Rede war.und daß dann wieder eine kirchliche neant.on eintrat, u, wel-
sich die gesammten Anstrengungen der Encyklopädisten als illusorisch erwiesen,
beides ist aber sehr natürlich.

Der Katholicismus bildete weniger mit seinen Lehren, als mit seinen Em-
'lchtnngcn, einen so entschiedenen Gegensatz gegen die öffentliche Meinung, daß
eine Vermittelung nicht zu denken war. Die Opposition mußte also eine ra¬
dikale und negative sein. In unsrer Zeit, wo man die Gegenstände so lange


Grenzboten. IV. -I8Ü1.

Mann, und das Männliche im Charakter des Poltergeistes kommt wenig zum Vor¬
schein. Dagegen sollte man Oberen selbst etwas mehr Gravität geben, und den
huschen Tenor ans der Oper, wo er sich in der nämlichen Rolle bewegt, dazu
verwenden. Für die handelnden Schauspieler ist übrigens noch zu bemerken, daß
ihre Mißverständnisse und Verwickelungen beim Publicum denselben komischen Ein¬
druck machen sollen, wie bei den idealen Zuschauern, bei Puck u. s. w., und daß
Shakspeare auch sehr entschieden darauf hingearbeitet hat, indem er sie mit der
Unbildung, etwas recht Tiefgefühltes und Welses auszusprechen, den größten
Unsinn reden läßt. — Mit dem Schluß dieses Acts hört das Interesse
""f; die Späße der Handwerker im letzten Act sind eigentlich zu grob, als daß
>vir sie besonders vermissen sollten. Die dazwischen eingeschobenen Bemerkungen
d°S Theseus und der Uebrigen sind sehr langweilig, und der etwas prahlerisch
ausgestattete Rahmen mit der Musik des Hochzeitmarsches und den vielen Fackeln
^ße nicht für das kleine Bild. Zwar gehen mit diesem letzten Act einige zarte
^übertrugen verloren, daß die äußerlichen Capricen der Kobolde, denen die Lieben¬
den im Walde anheimfielen, eigentlich nnr ein Ausdruck siud für die innere Natur
der Liebe, die sich gern in Capricen bewegt, allein wir können auch diese an sich
^ehe hübsche Moral gern entbehren. — Dagegen darf der erste Act nicht weg¬
sei,, obgleich er kein großes Interesse erregt, und obgleich die darin vorkom¬
mende Vermischung aller möglichen Gebräuche, Mythologien und Sitten sür unsren
Geschmack zu stark ist. Uebrigens hat Gervinus Unrecht, .wenn er für die Vor¬
stellung das antike Costum verlangt. Vom Alterthum ist in dem Stück keine Rede,
"ut die Hoftracht des Nenaissancezeitalters ist für ein pathetisch-bnrleskcS Festspiel
gerade das angemessene Costum. Auch die Amazonen, die man im Gefolge der
Hivpvlhta angebracht hat, sollten wegbleiben.




Der Katholicismus in Frankreich.

Auf den ersten Anblick scheint es befremdend, daß gerade in Frankreich ein'em
Wholischen Lande, die antichristliche Philosophie eine Energie und en.e AnSdeh-
">"'g gewinnen konnte, wovon in den protestantischen Ländern England und Dent,ch-
keine Rede war.und daß dann wieder eine kirchliche neant.on eintrat, u, wel-
sich die gesammten Anstrengungen der Encyklopädisten als illusorisch erwiesen,
beides ist aber sehr natürlich.

Der Katholicismus bildete weniger mit seinen Lehren, als mit seinen Em-
'lchtnngcn, einen so entschiedenen Gegensatz gegen die öffentliche Meinung, daß
eine Vermittelung nicht zu denken war. Die Opposition mußte also eine ra¬
dikale und negative sein. In unsrer Zeit, wo man die Gegenstände so lange


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[0349] Mann, und das Männliche im Charakter des Poltergeistes kommt wenig zum Vor¬ schein. Dagegen sollte man Oberen selbst etwas mehr Gravität geben, und den huschen Tenor ans der Oper, wo er sich in der nämlichen Rolle bewegt, dazu verwenden. Für die handelnden Schauspieler ist übrigens noch zu bemerken, daß ihre Mißverständnisse und Verwickelungen beim Publicum denselben komischen Ein¬ druck machen sollen, wie bei den idealen Zuschauern, bei Puck u. s. w., und daß Shakspeare auch sehr entschieden darauf hingearbeitet hat, indem er sie mit der Unbildung, etwas recht Tiefgefühltes und Welses auszusprechen, den größten Unsinn reden läßt. — Mit dem Schluß dieses Acts hört das Interesse ""f; die Späße der Handwerker im letzten Act sind eigentlich zu grob, als daß >vir sie besonders vermissen sollten. Die dazwischen eingeschobenen Bemerkungen d°S Theseus und der Uebrigen sind sehr langweilig, und der etwas prahlerisch ausgestattete Rahmen mit der Musik des Hochzeitmarsches und den vielen Fackeln ^ße nicht für das kleine Bild. Zwar gehen mit diesem letzten Act einige zarte ^übertrugen verloren, daß die äußerlichen Capricen der Kobolde, denen die Lieben¬ den im Walde anheimfielen, eigentlich nnr ein Ausdruck siud für die innere Natur der Liebe, die sich gern in Capricen bewegt, allein wir können auch diese an sich ^ehe hübsche Moral gern entbehren. — Dagegen darf der erste Act nicht weg¬ sei,, obgleich er kein großes Interesse erregt, und obgleich die darin vorkom¬ mende Vermischung aller möglichen Gebräuche, Mythologien und Sitten sür unsren Geschmack zu stark ist. Uebrigens hat Gervinus Unrecht, .wenn er für die Vor¬ stellung das antike Costum verlangt. Vom Alterthum ist in dem Stück keine Rede, "ut die Hoftracht des Nenaissancezeitalters ist für ein pathetisch-bnrleskcS Festspiel gerade das angemessene Costum. Auch die Amazonen, die man im Gefolge der Hivpvlhta angebracht hat, sollten wegbleiben. Der Katholicismus in Frankreich. Auf den ersten Anblick scheint es befremdend, daß gerade in Frankreich ein'em Wholischen Lande, die antichristliche Philosophie eine Energie und en.e AnSdeh- ">"'g gewinnen konnte, wovon in den protestantischen Ländern England und Dent,ch- keine Rede war.und daß dann wieder eine kirchliche neant.on eintrat, u, wel- sich die gesammten Anstrengungen der Encyklopädisten als illusorisch erwiesen, beides ist aber sehr natürlich. Der Katholicismus bildete weniger mit seinen Lehren, als mit seinen Em- 'lchtnngcn, einen so entschiedenen Gegensatz gegen die öffentliche Meinung, daß eine Vermittelung nicht zu denken war. Die Opposition mußte also eine ra¬ dikale und negative sein. In unsrer Zeit, wo man die Gegenstände so lange Grenzboten. IV. -I8Ü1.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/349>, abgerufen am 25.04.2024.