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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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B can Brummell.
Ein englisches Sittenbild.

Die Jeunesse dorve Englands während der Restaurationszeit suchte ihren
Stolz, außer in der etwas barbarischen Pracht der Toilette, ganz dem hand-
sestern Charakter der Jnselbewohner gemäß im unmäßigsten Zechen, Raufereien,
blutigem Straßenskandal und schamloser Unstttlichkeit, und die Tityre tus, die
Hawcubites und die Mohawks waren lange Zeit der Abscheu und der Schrecken
des ehrsamen Londvners Bürgers. Selbst als das Beispiel Frankreichs mehr
äußere Feinheit in die Sitten gebracht, erinnerte noch der Buel am Ende des vorigen
Jahrhunderts in vielen Zügen an den Landedelmann, dessen Heimath weniger
das Boudoir der Damen, als der Pferdestall, das Jagdgebiet und die Rennbahn
war. Die Gabe der frivolen Grazie, des feinen Geschmacks schien dem Eng¬
länder zu lange versagt zu sein, bis zur Entschädigung für die verspätete
Entwickelung in Brummell der Fürst und das Muster des modernen Stutzerthmns
erstand, der alleinherrschende Gebieter der fashionablen Welt, den Byron hoff¬
nungslos beneidete, und den der Prinzregent, da er ihn nicht erreichen konnte,
vergötterte und haßte. Zwanzig Jahre dauerte seine Herrschaft; da stürzte sein
Thron zusammen, und er mußte wie andere gestürzte Könige in die Verbannung
flüchten, wo er nach 2ö weiteren Jahren fast vergessen starb. Doch widmete ein
treuer Freund und Verehrer, Capitain Jesse, seinein Gedächtniß ein Buch, welches
wol kaum nach Deutschland gedrungen ist. Uns geriet!) es zufällig uuter die
Hände, und wir benutzten es zu einer flüchtigen Skizze aus einer Fashionwelt,
welche jetzt untergegangen ist, und an welcher jeder moderne Elegant ein Pietäts-
intcrefse nehmen muß.

George Bryau Brummell war geboren am 7. Juni 1778, und vou keines¬
wegs aristokratischem Geschlechte, denn sein Großvater war Conditor, und few
Vater Privatsecretair bei Lord North; doch hatte er seinen Aeltern ein Erbe von
30,000 Pfd. Sterling zu verdanken, so wie eine gute Erziehung in der SctM
von Eton, wo er mit den Sprößlingen der englischen Aristokratie bekannt wurde,
und sich zu seiner spätern Laufbahn vorbereitete. In Eton zeichnete sich der
junge Brummell weder durch dumme Streiche uoch durch gründliche Studien aus,
die Stärke seines Genies lag in einer ganz andern Richtung. In der Kunst
seine Frisur zu ordnen und bei Regenwetter die Strümpfe frei von Schmuz
erhalten, duldete er keinen Nebeubtthler. Auf der Universität Oxford setzte er
seine Studien in gleicher Weise fort, und vertauschte dann in seinem 16. Jah^
die mühsame akademische Laufbahn mit der militärischen, indem er eine Cornet-
stelle im -10. Husarenregimente annahm, welches seinem fürstlichen Gönner "n
spätern Feinde, dem Prinzen von Wales, angehörte.' Der Prinz, der für M


B can Brummell.
Ein englisches Sittenbild.

Die Jeunesse dorve Englands während der Restaurationszeit suchte ihren
Stolz, außer in der etwas barbarischen Pracht der Toilette, ganz dem hand-
sestern Charakter der Jnselbewohner gemäß im unmäßigsten Zechen, Raufereien,
blutigem Straßenskandal und schamloser Unstttlichkeit, und die Tityre tus, die
Hawcubites und die Mohawks waren lange Zeit der Abscheu und der Schrecken
des ehrsamen Londvners Bürgers. Selbst als das Beispiel Frankreichs mehr
äußere Feinheit in die Sitten gebracht, erinnerte noch der Buel am Ende des vorigen
Jahrhunderts in vielen Zügen an den Landedelmann, dessen Heimath weniger
das Boudoir der Damen, als der Pferdestall, das Jagdgebiet und die Rennbahn
war. Die Gabe der frivolen Grazie, des feinen Geschmacks schien dem Eng¬
länder zu lange versagt zu sein, bis zur Entschädigung für die verspätete
Entwickelung in Brummell der Fürst und das Muster des modernen Stutzerthmns
erstand, der alleinherrschende Gebieter der fashionablen Welt, den Byron hoff¬
nungslos beneidete, und den der Prinzregent, da er ihn nicht erreichen konnte,
vergötterte und haßte. Zwanzig Jahre dauerte seine Herrschaft; da stürzte sein
Thron zusammen, und er mußte wie andere gestürzte Könige in die Verbannung
flüchten, wo er nach 2ö weiteren Jahren fast vergessen starb. Doch widmete ein
treuer Freund und Verehrer, Capitain Jesse, seinein Gedächtniß ein Buch, welches
wol kaum nach Deutschland gedrungen ist. Uns geriet!) es zufällig uuter die
Hände, und wir benutzten es zu einer flüchtigen Skizze aus einer Fashionwelt,
welche jetzt untergegangen ist, und an welcher jeder moderne Elegant ein Pietäts-
intcrefse nehmen muß.

George Bryau Brummell war geboren am 7. Juni 1778, und vou keines¬
wegs aristokratischem Geschlechte, denn sein Großvater war Conditor, und few
Vater Privatsecretair bei Lord North; doch hatte er seinen Aeltern ein Erbe von
30,000 Pfd. Sterling zu verdanken, so wie eine gute Erziehung in der SctM
von Eton, wo er mit den Sprößlingen der englischen Aristokratie bekannt wurde,
und sich zu seiner spätern Laufbahn vorbereitete. In Eton zeichnete sich der
junge Brummell weder durch dumme Streiche uoch durch gründliche Studien aus,
die Stärke seines Genies lag in einer ganz andern Richtung. In der Kunst
seine Frisur zu ordnen und bei Regenwetter die Strümpfe frei von Schmuz
erhalten, duldete er keinen Nebeubtthler. Auf der Universität Oxford setzte er
seine Studien in gleicher Weise fort, und vertauschte dann in seinem 16. Jah^
die mühsame akademische Laufbahn mit der militärischen, indem er eine Cornet-
stelle im -10. Husarenregimente annahm, welches seinem fürstlichen Gönner »n
spätern Feinde, dem Prinzen von Wales, angehörte.' Der Prinz, der für M


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[0420] B can Brummell. Ein englisches Sittenbild. Die Jeunesse dorve Englands während der Restaurationszeit suchte ihren Stolz, außer in der etwas barbarischen Pracht der Toilette, ganz dem hand- sestern Charakter der Jnselbewohner gemäß im unmäßigsten Zechen, Raufereien, blutigem Straßenskandal und schamloser Unstttlichkeit, und die Tityre tus, die Hawcubites und die Mohawks waren lange Zeit der Abscheu und der Schrecken des ehrsamen Londvners Bürgers. Selbst als das Beispiel Frankreichs mehr äußere Feinheit in die Sitten gebracht, erinnerte noch der Buel am Ende des vorigen Jahrhunderts in vielen Zügen an den Landedelmann, dessen Heimath weniger das Boudoir der Damen, als der Pferdestall, das Jagdgebiet und die Rennbahn war. Die Gabe der frivolen Grazie, des feinen Geschmacks schien dem Eng¬ länder zu lange versagt zu sein, bis zur Entschädigung für die verspätete Entwickelung in Brummell der Fürst und das Muster des modernen Stutzerthmns erstand, der alleinherrschende Gebieter der fashionablen Welt, den Byron hoff¬ nungslos beneidete, und den der Prinzregent, da er ihn nicht erreichen konnte, vergötterte und haßte. Zwanzig Jahre dauerte seine Herrschaft; da stürzte sein Thron zusammen, und er mußte wie andere gestürzte Könige in die Verbannung flüchten, wo er nach 2ö weiteren Jahren fast vergessen starb. Doch widmete ein treuer Freund und Verehrer, Capitain Jesse, seinein Gedächtniß ein Buch, welches wol kaum nach Deutschland gedrungen ist. Uns geriet!) es zufällig uuter die Hände, und wir benutzten es zu einer flüchtigen Skizze aus einer Fashionwelt, welche jetzt untergegangen ist, und an welcher jeder moderne Elegant ein Pietäts- intcrefse nehmen muß. George Bryau Brummell war geboren am 7. Juni 1778, und vou keines¬ wegs aristokratischem Geschlechte, denn sein Großvater war Conditor, und few Vater Privatsecretair bei Lord North; doch hatte er seinen Aeltern ein Erbe von 30,000 Pfd. Sterling zu verdanken, so wie eine gute Erziehung in der SctM von Eton, wo er mit den Sprößlingen der englischen Aristokratie bekannt wurde, und sich zu seiner spätern Laufbahn vorbereitete. In Eton zeichnete sich der junge Brummell weder durch dumme Streiche uoch durch gründliche Studien aus, die Stärke seines Genies lag in einer ganz andern Richtung. In der Kunst seine Frisur zu ordnen und bei Regenwetter die Strümpfe frei von Schmuz erhalten, duldete er keinen Nebeubtthler. Auf der Universität Oxford setzte er seine Studien in gleicher Weise fort, und vertauschte dann in seinem 16. Jah^ die mühsame akademische Laufbahn mit der militärischen, indem er eine Cornet- stelle im -10. Husarenregimente annahm, welches seinem fürstlichen Gönner »n spätern Feinde, dem Prinzen von Wales, angehörte.' Der Prinz, der für M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/420>, abgerufen am 25.04.2024.