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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Es wird vielleicht Ihren verehrt. Lesern ans einem meiner früheren Briefe
(Grenzboten 18!) 1, 23. Heft) erinnerlich sein, daß ein illyrischer Verein "zur
Herausgabe alter illyrischer Bücher" -- die Matiza -- eiuen Congreß zur
Einigung (oder wie die Jllyrier, durch den ihnen entgegcngeschlenderten Hohn
mürbe gemacht, später osstciell erklärten "zur Annäherung") der Slaven zu einer
Schriftsprache auszuschreiben beschlossen hat. In der zuversichtlichen Hoffnung,
daß die Regierungen durch ein Verbot dieses Congresses sie vor der sonst unver¬
meidlichen Bläue retten werden, erließ die Matiza ein sehr mattes und nichts sagen¬
des Einladungsschreiben an die slavischen literarischen Vereine, und ruhete aus
ihren noch nicht errungenen Lorbeeren aus.

Diese slavischen literarischen Vereine waren indeß klüger als die Matiza der
Jllyrier; keiner von ihnen erklärte sich für die leicht erkannten Pläne der Jlly¬
rier ; sie sagten jedoch, sie würden, wenn der Congreß zu Stande käme, denselben
beschicken; darin aber waren sie alle einig, daß sie ihre Kompetenz in der Sprach¬
frage nicht eben hoch anschlugen.

Die russischen literarischen Gesellschaften gaben aber gar keine Antwort, son¬
dern fragten bei ihrer Negierung an, ob dieselbe die Abhaltung oder Beschickung
des fraglichen Congresses gestatten wolle.

Die russische Regierung erwiderte mit dem ihr eigenen Takte ans diese An¬
frage, daß sie weit entfernt sei, irgend einer literarischen Discussion Hindernisse
in den Weg zu legen; dagegen könne sie aber ans die von dem illyrischen Matiza-
vereine vorgebrachten Gründe für die Abhaltung des projectirten Congresses
außerhalb Oestreichs um so weniger Gewicht legen, als die östreichische Regierung
eben so wenig als die russische eine literarische Debatte anch unter dem Belage¬
rungszustande hindern würde. Da die Abhaltung eines in Oestreich projectirten
Congresses im Auslande der östreichischen Negierung möglicher Weise nicht
genehm wäre, so ist die kaiserl. russische Regierung der Ansicht, daß der Kon¬
greß, vorausgesetzt, daß er zu Stande komme, am schicklichsten dort gehalten
würde, woher die Anregung dazu ausgegangen war, nämlich in Agram. In dem
Falle also, wenn die östreichische Regierung den Congreß gestattet, und wenn die
Organisation des illyrischen Matizavereins diesen zu eiuer derartigen literarischen
Wirksamkeit berechtigt, ist die kais. russische Negierung geneigt, russischen Gelehrten
zur Theilnahme an dem projectirten Congresse die Bewilligung zu gewähren.

Diese Antwort wurde dem östreichischen Gouvernement mitgetheilt, und von
diesem der kroatischen Statthalters! zugeschickt.

Die kroatische Statthaltern gerieth in große Verlegenheit, und die armen Jllyrier
der Matiza in die unbeschreiblichste Verzweiflung. Sie hatten ans die Rettung ihrer


Aus

Es wird vielleicht Ihren verehrt. Lesern ans einem meiner früheren Briefe
(Grenzboten 18!) 1, 23. Heft) erinnerlich sein, daß ein illyrischer Verein „zur
Herausgabe alter illyrischer Bücher" — die Matiza — eiuen Congreß zur
Einigung (oder wie die Jllyrier, durch den ihnen entgegcngeschlenderten Hohn
mürbe gemacht, später osstciell erklärten „zur Annäherung") der Slaven zu einer
Schriftsprache auszuschreiben beschlossen hat. In der zuversichtlichen Hoffnung,
daß die Regierungen durch ein Verbot dieses Congresses sie vor der sonst unver¬
meidlichen Bläue retten werden, erließ die Matiza ein sehr mattes und nichts sagen¬
des Einladungsschreiben an die slavischen literarischen Vereine, und ruhete aus
ihren noch nicht errungenen Lorbeeren aus.

Diese slavischen literarischen Vereine waren indeß klüger als die Matiza der
Jllyrier; keiner von ihnen erklärte sich für die leicht erkannten Pläne der Jlly¬
rier ; sie sagten jedoch, sie würden, wenn der Congreß zu Stande käme, denselben
beschicken; darin aber waren sie alle einig, daß sie ihre Kompetenz in der Sprach¬
frage nicht eben hoch anschlugen.

Die russischen literarischen Gesellschaften gaben aber gar keine Antwort, son¬
dern fragten bei ihrer Negierung an, ob dieselbe die Abhaltung oder Beschickung
des fraglichen Congresses gestatten wolle.

Die russische Regierung erwiderte mit dem ihr eigenen Takte ans diese An¬
frage, daß sie weit entfernt sei, irgend einer literarischen Discussion Hindernisse
in den Weg zu legen; dagegen könne sie aber ans die von dem illyrischen Matiza-
vereine vorgebrachten Gründe für die Abhaltung des projectirten Congresses
außerhalb Oestreichs um so weniger Gewicht legen, als die östreichische Regierung
eben so wenig als die russische eine literarische Debatte anch unter dem Belage¬
rungszustande hindern würde. Da die Abhaltung eines in Oestreich projectirten
Congresses im Auslande der östreichischen Negierung möglicher Weise nicht
genehm wäre, so ist die kaiserl. russische Regierung der Ansicht, daß der Kon¬
greß, vorausgesetzt, daß er zu Stande komme, am schicklichsten dort gehalten
würde, woher die Anregung dazu ausgegangen war, nämlich in Agram. In dem
Falle also, wenn die östreichische Regierung den Congreß gestattet, und wenn die
Organisation des illyrischen Matizavereins diesen zu eiuer derartigen literarischen
Wirksamkeit berechtigt, ist die kais. russische Negierung geneigt, russischen Gelehrten
zur Theilnahme an dem projectirten Congresse die Bewilligung zu gewähren.

Diese Antwort wurde dem östreichischen Gouvernement mitgetheilt, und von
diesem der kroatischen Statthalters! zugeschickt.

Die kroatische Statthaltern gerieth in große Verlegenheit, und die armen Jllyrier
der Matiza in die unbeschreiblichste Verzweiflung. Sie hatten ans die Rettung ihrer


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[0436] Aus Es wird vielleicht Ihren verehrt. Lesern ans einem meiner früheren Briefe (Grenzboten 18!) 1, 23. Heft) erinnerlich sein, daß ein illyrischer Verein „zur Herausgabe alter illyrischer Bücher" — die Matiza — eiuen Congreß zur Einigung (oder wie die Jllyrier, durch den ihnen entgegcngeschlenderten Hohn mürbe gemacht, später osstciell erklärten „zur Annäherung") der Slaven zu einer Schriftsprache auszuschreiben beschlossen hat. In der zuversichtlichen Hoffnung, daß die Regierungen durch ein Verbot dieses Congresses sie vor der sonst unver¬ meidlichen Bläue retten werden, erließ die Matiza ein sehr mattes und nichts sagen¬ des Einladungsschreiben an die slavischen literarischen Vereine, und ruhete aus ihren noch nicht errungenen Lorbeeren aus. Diese slavischen literarischen Vereine waren indeß klüger als die Matiza der Jllyrier; keiner von ihnen erklärte sich für die leicht erkannten Pläne der Jlly¬ rier ; sie sagten jedoch, sie würden, wenn der Congreß zu Stande käme, denselben beschicken; darin aber waren sie alle einig, daß sie ihre Kompetenz in der Sprach¬ frage nicht eben hoch anschlugen. Die russischen literarischen Gesellschaften gaben aber gar keine Antwort, son¬ dern fragten bei ihrer Negierung an, ob dieselbe die Abhaltung oder Beschickung des fraglichen Congresses gestatten wolle. Die russische Regierung erwiderte mit dem ihr eigenen Takte ans diese An¬ frage, daß sie weit entfernt sei, irgend einer literarischen Discussion Hindernisse in den Weg zu legen; dagegen könne sie aber ans die von dem illyrischen Matiza- vereine vorgebrachten Gründe für die Abhaltung des projectirten Congresses außerhalb Oestreichs um so weniger Gewicht legen, als die östreichische Regierung eben so wenig als die russische eine literarische Debatte anch unter dem Belage¬ rungszustande hindern würde. Da die Abhaltung eines in Oestreich projectirten Congresses im Auslande der östreichischen Negierung möglicher Weise nicht genehm wäre, so ist die kaiserl. russische Regierung der Ansicht, daß der Kon¬ greß, vorausgesetzt, daß er zu Stande komme, am schicklichsten dort gehalten würde, woher die Anregung dazu ausgegangen war, nämlich in Agram. In dem Falle also, wenn die östreichische Regierung den Congreß gestattet, und wenn die Organisation des illyrischen Matizavereins diesen zu eiuer derartigen literarischen Wirksamkeit berechtigt, ist die kais. russische Negierung geneigt, russischen Gelehrten zur Theilnahme an dem projectirten Congresse die Bewilligung zu gewähren. Diese Antwort wurde dem östreichischen Gouvernement mitgetheilt, und von diesem der kroatischen Statthalters! zugeschickt. Die kroatische Statthaltern gerieth in große Verlegenheit, und die armen Jllyrier der Matiza in die unbeschreiblichste Verzweiflung. Sie hatten ans die Rettung ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/436>, abgerufen am 25.04.2024.