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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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hielt er auch seinen Sohn wieder zurück, der sechs Jahre lang zu München seinen
Studien obgelegen hatte.

Speckbacher konnte indessen der Segnungen des Friedens nicht recht froh
werden -- er war bresthaften Leibes und hatte viel zu tragen an den Wunden
und Stoßen, die er erhalten, an deu Nachwirkungen jener Leiden, die er ausge¬
standen. Er gab die Bauernwirthschaft auf, und zog nach Hall in die Stadt. In
der Stadtlnft wurde aber sein Siechthum immer ärger; wie sein Leib, brach jetzt
auch sein Geist; er wurde grämlich und trübsinnig. Manche meinen, es habe
ihn schwermüthig gemacht, daß von den schönen Verheißungen, die für sein Vater-
land in der Zeit der Noth ergangen waren, jetzt im Frieden so wenig zur Gel¬
tung kamen.

Mit Anfang des Jahres 1820 wurde er immer leidender, und am 28. März
dieses Jahres ist er zu Hall im Jnnthal in den Armen seines Weibes ver¬
schieden.

Ändert, sein Sohn, war mit schonen Anlagen begabt, und ging zum Berg¬
wesen, starb aber schon 183i als Verwalter am Hüttenamte zu Jrnbach. Er
hatte ein Münchener Fräulein von vieler Bildung geheirathet,- deren Vater
auch ein Tyroler gewesen. Sie lebt noch zur Zeit mit zwei liebenswürdigen
Töchtern zu Schwaz im schönen Jnnthal.




Deutsche Romane.

Die Vagabunden. Roman in vier Bänden von Karl von Holtet. Breslau,
Trewendt und Graner. 18ö2.

Der Altmeister schlesischer Poeten hat uns mit einem Romane erfreut, in
dem er den reichen Schatz seiner Erfahrungen aufgeschlossen und einen ganzen gro¬
ßen Kreis von Anschauungen und Erlebnissen verarbeitet hat, welche den Leser amü-
siren und in Verwunderung setzen, weil sie ihn in eine ganz fremde Welt ein¬
führen, in das Leben der zahlreichen Menschenklasse, welche dem Publicum für
Geld Kunststücke producirt. Theater und modernes Virtuosenthum sind nur bei-
^"sig in ihren größten Talenten, Ludwig Devrient und Paganini, erwähnt, aber
Alles, was sonst aus Märkten und Messen, in Sälen und Vvrstadtbudcn, in Stadt
und Dorf die eigenen oder anderer Creaturen Merkwürdigkeit zur Schau trägt,
tritt der Reihe nach auf: Niese und Zwerg, Bauchredner, Puppenspieler, Wachs-
stgureuhäudler, Menagericbesitzer, Seiltänzer, Luftschiffer, Kunstreiter, Eskimo,
Tanzmeister, Kameeltreiber, falscher Spieler, Canarienvogelabrichter u. s. w.; eine


hielt er auch seinen Sohn wieder zurück, der sechs Jahre lang zu München seinen
Studien obgelegen hatte.

Speckbacher konnte indessen der Segnungen des Friedens nicht recht froh
werden — er war bresthaften Leibes und hatte viel zu tragen an den Wunden
und Stoßen, die er erhalten, an deu Nachwirkungen jener Leiden, die er ausge¬
standen. Er gab die Bauernwirthschaft auf, und zog nach Hall in die Stadt. In
der Stadtlnft wurde aber sein Siechthum immer ärger; wie sein Leib, brach jetzt
auch sein Geist; er wurde grämlich und trübsinnig. Manche meinen, es habe
ihn schwermüthig gemacht, daß von den schönen Verheißungen, die für sein Vater-
land in der Zeit der Noth ergangen waren, jetzt im Frieden so wenig zur Gel¬
tung kamen.

Mit Anfang des Jahres 1820 wurde er immer leidender, und am 28. März
dieses Jahres ist er zu Hall im Jnnthal in den Armen seines Weibes ver¬
schieden.

Ändert, sein Sohn, war mit schonen Anlagen begabt, und ging zum Berg¬
wesen, starb aber schon 183i als Verwalter am Hüttenamte zu Jrnbach. Er
hatte ein Münchener Fräulein von vieler Bildung geheirathet,- deren Vater
auch ein Tyroler gewesen. Sie lebt noch zur Zeit mit zwei liebenswürdigen
Töchtern zu Schwaz im schönen Jnnthal.




Deutsche Romane.

Die Vagabunden. Roman in vier Bänden von Karl von Holtet. Breslau,
Trewendt und Graner. 18ö2.

Der Altmeister schlesischer Poeten hat uns mit einem Romane erfreut, in
dem er den reichen Schatz seiner Erfahrungen aufgeschlossen und einen ganzen gro¬
ßen Kreis von Anschauungen und Erlebnissen verarbeitet hat, welche den Leser amü-
siren und in Verwunderung setzen, weil sie ihn in eine ganz fremde Welt ein¬
führen, in das Leben der zahlreichen Menschenklasse, welche dem Publicum für
Geld Kunststücke producirt. Theater und modernes Virtuosenthum sind nur bei-
^»sig in ihren größten Talenten, Ludwig Devrient und Paganini, erwähnt, aber
Alles, was sonst aus Märkten und Messen, in Sälen und Vvrstadtbudcn, in Stadt
und Dorf die eigenen oder anderer Creaturen Merkwürdigkeit zur Schau trägt,
tritt der Reihe nach auf: Niese und Zwerg, Bauchredner, Puppenspieler, Wachs-
stgureuhäudler, Menagericbesitzer, Seiltänzer, Luftschiffer, Kunstreiter, Eskimo,
Tanzmeister, Kameeltreiber, falscher Spieler, Canarienvogelabrichter u. s. w.; eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/497>, abgerufen am 26.04.2024.