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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Da Oestreichs Poesie noch jung ist, wird man es ihr nicht verargen können,
wenn es ihr geht, wie der werdenden Poesie überhaupt. Die Bilder strömen ihr von
allen Seiten zu, aber unvermittelt, nur durch Analogie an einander gekettet, bei dem
einen fällt ihr das andere ein, und sie kommt über den vielen einzelnen Ein¬
drücken zu keiner Gesammtgestaltung. Hoffentlich wird sie's sich jetzt zu ihrer Haupt¬
ausgabe machen, Ziel, Maß und Gestalt zu gewinnen.


Die GoethefiiifttMg.

(vo 1a ?onäation - KoetKö a Weimsr pi>r ?riM2
I>is?l. I-eipüiA, ?. ^. LrooKkMs.) -- Zur Zeit der hundertjährigen Feier des Goe-
the'schen Geburtstages bildete sich aus den angesehensten Männern der Wissenschaft und
Kunst in Berlin ein Comite", welches die Frage untersuchte, ob nicht durch ein großartiges
Nationaluntcrnehmen Goethe's Andenken zum Nutzen und Frommen der Kunst aus eine
würdige Weise in einer bleibenden Stiftung gefeiert werden könnte. Es sind verschiedene
Vorschläge darüber eingereicht worden und der berühmte Tonkünstler Franz Liszt. setzt
in der vorliegenden Schrift die seinigen aus einander. Wir geben zu, daß die patrio¬
tische Gesinnung durch einzelne Anstalten manches Gute für Förderung einzelner Künst¬
ler wirken kann, und wir finden es sehr passend, daß ein solches Unternehmen an den
Namen des größten deutschen Dichters geknüpft wird; allein wir bezweifeln, daß zur
Förderung der Kunst im Großen und Ganzen noch in unsrer Zeit durch derartige
Privatunternehmungen etwas Bleibendes erzielt werden könnte. Zu den Zeiten Goethe's
flüchteten die begabten Geister der Nation aus dem unerquicklichen Lärm der politischen
und religiösen Streitigkeiten in das idyllische Leben der Kleinstaaten, wo edle Fürsten
ihnen eine würdige Zuflucht bereiteten. Diese Zeit ist jetzt vorüber. Kunst und Wissen¬
schaft sind von den großen Tendenzen des nationalen Lebens ergriffen worden und wer¬
den sich nicht wieder von denselben sondern lassen. Ein wirkliches Gedeihen der Kunst
erwarten wir im Gegentheil von einem noch größer" Zusammendrängen der Nation in
den Centralpunkt des öffentlichen Lebens, in die großen Hauptstädte. Es ist allerdings
ein großes Unglück sür die Entwickelung der deutschen Kunst, daß gerade Berlin mit
seinem bereits sehr bestimmt ausgeprägten und nicht gerade erfreulichen Geist diesen
Beruf haben muß, aber es ist einmal nicht zu vermeiden, und gerade bei einer größern
Concentration wird auch der Einfluß der Provinzen auf die Hauptstadt sich verstärken
und das specifische Berlincrthum überwältigen. Eine eigentlich nationale Poesie, die von
Dauer wäre, ist ja doch von Weimar nicht ausgegangen.




Verlag von F. L. Hevbig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.


Wir ersuchen unsre geehrten Abonnenten, die Beschwerden über
schlechte Besorgung u. dergl. uns rechtzeitig mitzutheilen, damit wir
denselben schleunige Abhilfe verschaffen.


D. Red.

Da Oestreichs Poesie noch jung ist, wird man es ihr nicht verargen können,
wenn es ihr geht, wie der werdenden Poesie überhaupt. Die Bilder strömen ihr von
allen Seiten zu, aber unvermittelt, nur durch Analogie an einander gekettet, bei dem
einen fällt ihr das andere ein, und sie kommt über den vielen einzelnen Ein¬
drücken zu keiner Gesammtgestaltung. Hoffentlich wird sie's sich jetzt zu ihrer Haupt¬
ausgabe machen, Ziel, Maß und Gestalt zu gewinnen.


Die GoethefiiifttMg.

(vo 1a ?onäation - KoetKö a Weimsr pi>r ?riM2
I>is?l. I-eipüiA, ?. ^. LrooKkMs.) — Zur Zeit der hundertjährigen Feier des Goe-
the'schen Geburtstages bildete sich aus den angesehensten Männern der Wissenschaft und
Kunst in Berlin ein Comite", welches die Frage untersuchte, ob nicht durch ein großartiges
Nationaluntcrnehmen Goethe's Andenken zum Nutzen und Frommen der Kunst aus eine
würdige Weise in einer bleibenden Stiftung gefeiert werden könnte. Es sind verschiedene
Vorschläge darüber eingereicht worden und der berühmte Tonkünstler Franz Liszt. setzt
in der vorliegenden Schrift die seinigen aus einander. Wir geben zu, daß die patrio¬
tische Gesinnung durch einzelne Anstalten manches Gute für Förderung einzelner Künst¬
ler wirken kann, und wir finden es sehr passend, daß ein solches Unternehmen an den
Namen des größten deutschen Dichters geknüpft wird; allein wir bezweifeln, daß zur
Förderung der Kunst im Großen und Ganzen noch in unsrer Zeit durch derartige
Privatunternehmungen etwas Bleibendes erzielt werden könnte. Zu den Zeiten Goethe's
flüchteten die begabten Geister der Nation aus dem unerquicklichen Lärm der politischen
und religiösen Streitigkeiten in das idyllische Leben der Kleinstaaten, wo edle Fürsten
ihnen eine würdige Zuflucht bereiteten. Diese Zeit ist jetzt vorüber. Kunst und Wissen¬
schaft sind von den großen Tendenzen des nationalen Lebens ergriffen worden und wer¬
den sich nicht wieder von denselben sondern lassen. Ein wirkliches Gedeihen der Kunst
erwarten wir im Gegentheil von einem noch größer» Zusammendrängen der Nation in
den Centralpunkt des öffentlichen Lebens, in die großen Hauptstädte. Es ist allerdings
ein großes Unglück sür die Entwickelung der deutschen Kunst, daß gerade Berlin mit
seinem bereits sehr bestimmt ausgeprägten und nicht gerade erfreulichen Geist diesen
Beruf haben muß, aber es ist einmal nicht zu vermeiden, und gerade bei einer größern
Concentration wird auch der Einfluß der Provinzen auf die Hauptstadt sich verstärken
und das specifische Berlincrthum überwältigen. Eine eigentlich nationale Poesie, die von
Dauer wäre, ist ja doch von Weimar nicht ausgegangen.




Verlag von F. L. Hevbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.


Wir ersuchen unsre geehrten Abonnenten, die Beschwerden über
schlechte Besorgung u. dergl. uns rechtzeitig mitzutheilen, damit wir
denselben schleunige Abhilfe verschaffen.


D. Red.
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[0172] Da Oestreichs Poesie noch jung ist, wird man es ihr nicht verargen können, wenn es ihr geht, wie der werdenden Poesie überhaupt. Die Bilder strömen ihr von allen Seiten zu, aber unvermittelt, nur durch Analogie an einander gekettet, bei dem einen fällt ihr das andere ein, und sie kommt über den vielen einzelnen Ein¬ drücken zu keiner Gesammtgestaltung. Hoffentlich wird sie's sich jetzt zu ihrer Haupt¬ ausgabe machen, Ziel, Maß und Gestalt zu gewinnen. Die GoethefiiifttMg. (vo 1a ?onäation - KoetKö a Weimsr pi>r ?riM2 I>is?l. I-eipüiA, ?. ^. LrooKkMs.) — Zur Zeit der hundertjährigen Feier des Goe- the'schen Geburtstages bildete sich aus den angesehensten Männern der Wissenschaft und Kunst in Berlin ein Comite", welches die Frage untersuchte, ob nicht durch ein großartiges Nationaluntcrnehmen Goethe's Andenken zum Nutzen und Frommen der Kunst aus eine würdige Weise in einer bleibenden Stiftung gefeiert werden könnte. Es sind verschiedene Vorschläge darüber eingereicht worden und der berühmte Tonkünstler Franz Liszt. setzt in der vorliegenden Schrift die seinigen aus einander. Wir geben zu, daß die patrio¬ tische Gesinnung durch einzelne Anstalten manches Gute für Förderung einzelner Künst¬ ler wirken kann, und wir finden es sehr passend, daß ein solches Unternehmen an den Namen des größten deutschen Dichters geknüpft wird; allein wir bezweifeln, daß zur Förderung der Kunst im Großen und Ganzen noch in unsrer Zeit durch derartige Privatunternehmungen etwas Bleibendes erzielt werden könnte. Zu den Zeiten Goethe's flüchteten die begabten Geister der Nation aus dem unerquicklichen Lärm der politischen und religiösen Streitigkeiten in das idyllische Leben der Kleinstaaten, wo edle Fürsten ihnen eine würdige Zuflucht bereiteten. Diese Zeit ist jetzt vorüber. Kunst und Wissen¬ schaft sind von den großen Tendenzen des nationalen Lebens ergriffen worden und wer¬ den sich nicht wieder von denselben sondern lassen. Ein wirkliches Gedeihen der Kunst erwarten wir im Gegentheil von einem noch größer» Zusammendrängen der Nation in den Centralpunkt des öffentlichen Lebens, in die großen Hauptstädte. Es ist allerdings ein großes Unglück sür die Entwickelung der deutschen Kunst, daß gerade Berlin mit seinem bereits sehr bestimmt ausgeprägten und nicht gerade erfreulichen Geist diesen Beruf haben muß, aber es ist einmal nicht zu vermeiden, und gerade bei einer größern Concentration wird auch der Einfluß der Provinzen auf die Hauptstadt sich verstärken und das specifische Berlincrthum überwältigen. Eine eigentlich nationale Poesie, die von Dauer wäre, ist ja doch von Weimar nicht ausgegangen. Verlag von F. L. Hevbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von C. E. Elbert. Wir ersuchen unsre geehrten Abonnenten, die Beschwerden über schlechte Besorgung u. dergl. uns rechtzeitig mitzutheilen, damit wir denselben schleunige Abhilfe verschaffen. D. Red.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/172>, abgerufen am 29.04.2024.