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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Die Fusion der Demokraten und Constitutionellen.

Die Opposition unsrer Blätter gegen das augenblicklich in Preußen herr¬
schende System hat sich nach und nach zu einer solchen Leidenschaftlichkeit gestei¬
gert, und ist dadurch den einzelnen dabei betheiligten Persönlichkeiten so unbequem
geworden, daß die Lage unserer Presse schlimmer ist, als die der demokratischen.
Man confiscire die Constitutionelle Zeitung einen Tag um den andern, während
man die Nationälzeituug ruhig gewähren läßt; ja, es war Mode geworden, daß
der Absolutismus und die Demokratie sich gegenseitig auf Kosten der Mittelpartei
Komplimente machten. Man schmeichelte den Barricadenmännern, sie hätten
wenigstens Muth gezeigt, während die Revolutionairs in Glacehandschuhen,
Schlafrock nud Pantoffeln ihre Unthaten gefahrlos ausgeübt hätten, und der
Minister selbst erklärte die Demokratie im preußischen Staate für berechtigt, nur
die Doctrinairs für unberechtigt. Darüber brach ein großer Jubel im Lager der
Demokratie aus, und man war gern erbötig, die Herren v. Manteuffel und
v. Gerlach gleichfalls als große Männer gelten zu lassen, da sie so grob mit den
Gothancrn umgingen. Der freundschaftliche Gruß "Lumpenhunde", - welchen
Herr v. Manteuffel seinen neuen Alliirten an den Kops geworfen hat, müßte sie
freilich in dieser Freude etwas stutzig macheu, wenn sie nicht in den letzten Jah¬
ren Diplomatie genug gelernt hätten, um Unbequemes zu ignoriren. Wenn sie
aber aufmerksamer die Bewegungen im Lager ihrer Feinde verfolgten, so würden
sie sehr bald dahinter kommen, daß die Taktik derselben nicht mehr darin besteht,
die Constitutionellen von den Demokraten zu trennen, sondern vielmehr darin,
die Ersten zu den Letzten hinüber zu drängen. Diese Idee einer Fusion zwischen
den bisherigen Gegnern ist von einigen constitutionellen Blättern, z. B. von der
Kölnischen Zeitung, lebhaft ausgenommen, und es ist nicht unzeitgemäß, sie näher
zu beleuchten, wenn sie auch in diesem Augenblick ohne praktische Bedeutuug ist,
da bei der Entfremdung der Demokraten vom parlamentarischen Leben es vorläufig
an einem Organ für diese Fusion fehlt.

Es wird mit dieser Fusion nicht viel mehr auf sich haben, als mit derjeni¬
gen, welche die französischen Royalisten beschäftigt. Es kommt bei einer politi¬
schen Partei, welcher der augenblickliche Erfolg verschlossen ist, nicht auf die Zahl
ihrer Mitglieder, sondern auf die Integrität und Festigkeit ihrer Principien an.
Selbst wenn es anzunehmen wäre, was aber höchst unwahrscheinlich ist, daß die
gemäßigten Demokraten, die Männer des sogenannten linken Centrums, deu
Muth hätten, sich offen, ehrlich und unwiderruflich von ihren rothen Verbünde¬
ten zu trennen, was doch die nothwendige Voraussetzung einer solchen Fusion wäre,
so würden dadurch die'Gegensätze noch keineswegs gehoben. Ich will hier von den


Die Fusion der Demokraten und Constitutionellen.

Die Opposition unsrer Blätter gegen das augenblicklich in Preußen herr¬
schende System hat sich nach und nach zu einer solchen Leidenschaftlichkeit gestei¬
gert, und ist dadurch den einzelnen dabei betheiligten Persönlichkeiten so unbequem
geworden, daß die Lage unserer Presse schlimmer ist, als die der demokratischen.
Man confiscire die Constitutionelle Zeitung einen Tag um den andern, während
man die Nationälzeituug ruhig gewähren läßt; ja, es war Mode geworden, daß
der Absolutismus und die Demokratie sich gegenseitig auf Kosten der Mittelpartei
Komplimente machten. Man schmeichelte den Barricadenmännern, sie hätten
wenigstens Muth gezeigt, während die Revolutionairs in Glacehandschuhen,
Schlafrock nud Pantoffeln ihre Unthaten gefahrlos ausgeübt hätten, und der
Minister selbst erklärte die Demokratie im preußischen Staate für berechtigt, nur
die Doctrinairs für unberechtigt. Darüber brach ein großer Jubel im Lager der
Demokratie aus, und man war gern erbötig, die Herren v. Manteuffel und
v. Gerlach gleichfalls als große Männer gelten zu lassen, da sie so grob mit den
Gothancrn umgingen. Der freundschaftliche Gruß „Lumpenhunde", - welchen
Herr v. Manteuffel seinen neuen Alliirten an den Kops geworfen hat, müßte sie
freilich in dieser Freude etwas stutzig macheu, wenn sie nicht in den letzten Jah¬
ren Diplomatie genug gelernt hätten, um Unbequemes zu ignoriren. Wenn sie
aber aufmerksamer die Bewegungen im Lager ihrer Feinde verfolgten, so würden
sie sehr bald dahinter kommen, daß die Taktik derselben nicht mehr darin besteht,
die Constitutionellen von den Demokraten zu trennen, sondern vielmehr darin,
die Ersten zu den Letzten hinüber zu drängen. Diese Idee einer Fusion zwischen
den bisherigen Gegnern ist von einigen constitutionellen Blättern, z. B. von der
Kölnischen Zeitung, lebhaft ausgenommen, und es ist nicht unzeitgemäß, sie näher
zu beleuchten, wenn sie auch in diesem Augenblick ohne praktische Bedeutuug ist,
da bei der Entfremdung der Demokraten vom parlamentarischen Leben es vorläufig
an einem Organ für diese Fusion fehlt.

Es wird mit dieser Fusion nicht viel mehr auf sich haben, als mit derjeni¬
gen, welche die französischen Royalisten beschäftigt. Es kommt bei einer politi¬
schen Partei, welcher der augenblickliche Erfolg verschlossen ist, nicht auf die Zahl
ihrer Mitglieder, sondern auf die Integrität und Festigkeit ihrer Principien an.
Selbst wenn es anzunehmen wäre, was aber höchst unwahrscheinlich ist, daß die
gemäßigten Demokraten, die Männer des sogenannten linken Centrums, deu
Muth hätten, sich offen, ehrlich und unwiderruflich von ihren rothen Verbünde¬
ten zu trennen, was doch die nothwendige Voraussetzung einer solchen Fusion wäre,
so würden dadurch die'Gegensätze noch keineswegs gehoben. Ich will hier von den


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[0076] Die Fusion der Demokraten und Constitutionellen. Die Opposition unsrer Blätter gegen das augenblicklich in Preußen herr¬ schende System hat sich nach und nach zu einer solchen Leidenschaftlichkeit gestei¬ gert, und ist dadurch den einzelnen dabei betheiligten Persönlichkeiten so unbequem geworden, daß die Lage unserer Presse schlimmer ist, als die der demokratischen. Man confiscire die Constitutionelle Zeitung einen Tag um den andern, während man die Nationälzeituug ruhig gewähren läßt; ja, es war Mode geworden, daß der Absolutismus und die Demokratie sich gegenseitig auf Kosten der Mittelpartei Komplimente machten. Man schmeichelte den Barricadenmännern, sie hätten wenigstens Muth gezeigt, während die Revolutionairs in Glacehandschuhen, Schlafrock nud Pantoffeln ihre Unthaten gefahrlos ausgeübt hätten, und der Minister selbst erklärte die Demokratie im preußischen Staate für berechtigt, nur die Doctrinairs für unberechtigt. Darüber brach ein großer Jubel im Lager der Demokratie aus, und man war gern erbötig, die Herren v. Manteuffel und v. Gerlach gleichfalls als große Männer gelten zu lassen, da sie so grob mit den Gothancrn umgingen. Der freundschaftliche Gruß „Lumpenhunde", - welchen Herr v. Manteuffel seinen neuen Alliirten an den Kops geworfen hat, müßte sie freilich in dieser Freude etwas stutzig macheu, wenn sie nicht in den letzten Jah¬ ren Diplomatie genug gelernt hätten, um Unbequemes zu ignoriren. Wenn sie aber aufmerksamer die Bewegungen im Lager ihrer Feinde verfolgten, so würden sie sehr bald dahinter kommen, daß die Taktik derselben nicht mehr darin besteht, die Constitutionellen von den Demokraten zu trennen, sondern vielmehr darin, die Ersten zu den Letzten hinüber zu drängen. Diese Idee einer Fusion zwischen den bisherigen Gegnern ist von einigen constitutionellen Blättern, z. B. von der Kölnischen Zeitung, lebhaft ausgenommen, und es ist nicht unzeitgemäß, sie näher zu beleuchten, wenn sie auch in diesem Augenblick ohne praktische Bedeutuug ist, da bei der Entfremdung der Demokraten vom parlamentarischen Leben es vorläufig an einem Organ für diese Fusion fehlt. Es wird mit dieser Fusion nicht viel mehr auf sich haben, als mit derjeni¬ gen, welche die französischen Royalisten beschäftigt. Es kommt bei einer politi¬ schen Partei, welcher der augenblickliche Erfolg verschlossen ist, nicht auf die Zahl ihrer Mitglieder, sondern auf die Integrität und Festigkeit ihrer Principien an. Selbst wenn es anzunehmen wäre, was aber höchst unwahrscheinlich ist, daß die gemäßigten Demokraten, die Männer des sogenannten linken Centrums, deu Muth hätten, sich offen, ehrlich und unwiderruflich von ihren rothen Verbünde¬ ten zu trennen, was doch die nothwendige Voraussetzung einer solchen Fusion wäre, so würden dadurch die'Gegensätze noch keineswegs gehoben. Ich will hier von den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/76>, abgerufen am 29.04.2024.