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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Andere den Freiheitsbestrebungen größere Concessionen macht. Aber dieser
Standpunkt ist nicht der unsrige, und so lauge die gemäßigten Demokraten in
dieser Auffassung von uns abweichen, wäre jede Vereinigung mit ihnen eine
Lüge und eine Zweckwidrigkeit, die nur zu Halbheiten und Verwirrungen führen
müßten. Es kann allerdings der Fall sein, daß nach den Wahlen in der näch¬
sten Kammer die beiden Parteien in ihrer Opposition gegen die Regierung Hand
in Hand gehen, jede von ihrem Standpunkt aus, und alte Reminiscenzen sollen
uns daran nicht hindern. Eine Fusion ist aber auch dann.nicht möglich, wenn
in den Principien der Partei eine wirkliche Aenderung nicht eingetreten ist.

Allein in einer andern Beziehung sollten die Parteien versuchen, eine ver¬
ständigere Stellung zu einander zu gewinnen. Man hat sich bisher unausgesetzt
damit beschäftigt, alte Geschichte" wieder aufzuwärmen und in den daraus hergelei¬
teten Angriffen über alles Maß hinauszugehen. Wozu das führt, lehrt uns das
Beispiel des berühmten Redners in der zweiten Kammer, der mit seinen Gleich¬
nissen beim "Vogel Phönix" angefangen hat, sich durch den Umweg der Schlaf¬
rock- und Pantoffelfrage allmälig. zu den "lahmen Ziegen" erhoben und endlich
glücklich bei den "Lumpenhunden" angelangt ist. Wir sollten aus den vorigen
Jahren wenigstens so viel gelernt haben, daß die parlamentarische Form auch
für die Presse heilsam ist, daß Persönlichkeiten eine Sache nicht fördern, und daß
man genug mit den neuen Fragen zu thun hat, um der alten Geschichten ent¬
behren zu können. In diesem Sinne sind wir entschieden für eine Annäherung
und Verständigung.




Ein Denkmal für Hans von Raumer.

"Ein ganzer Mann wiegt schwer in schwerer Zeit;
An halben Männern ist kein Mangel heut."

Deutschland hat keinen Ueberfluß an ganzen Männern. Die Einen beugen
sich dem Sturm, Andere hat er geknickt. Wir haben im Laufe weniger Jahre
Männer, die in der vollen Blüthe herrlichster Mannesfrische dastanden, zum
Schatten werden sehen, gebeugt ein Körper und Geist, erstorben in ihrem Muth, in
ihren Hoffnungen; wir haben Andere hinwelken und sterben sehen am "gebrochenen
Herzen", aufgerieben von der Verzweiflung an der Zukunft des Vaterlandes.
Eben jetzt kommt uns die Kunde von einem neuen Verlust. Hans von Raumer
ist am,L8. März in Erlangen gestorben. Unlängst aus Schleswig-Holstein zu¬
rückgekehrt, erlag er einem Nervenfieber.

Hr. v. Raum er starb zu früh. Was er bei längerem Leben noch hätte


Andere den Freiheitsbestrebungen größere Concessionen macht. Aber dieser
Standpunkt ist nicht der unsrige, und so lauge die gemäßigten Demokraten in
dieser Auffassung von uns abweichen, wäre jede Vereinigung mit ihnen eine
Lüge und eine Zweckwidrigkeit, die nur zu Halbheiten und Verwirrungen führen
müßten. Es kann allerdings der Fall sein, daß nach den Wahlen in der näch¬
sten Kammer die beiden Parteien in ihrer Opposition gegen die Regierung Hand
in Hand gehen, jede von ihrem Standpunkt aus, und alte Reminiscenzen sollen
uns daran nicht hindern. Eine Fusion ist aber auch dann.nicht möglich, wenn
in den Principien der Partei eine wirkliche Aenderung nicht eingetreten ist.

Allein in einer andern Beziehung sollten die Parteien versuchen, eine ver¬
ständigere Stellung zu einander zu gewinnen. Man hat sich bisher unausgesetzt
damit beschäftigt, alte Geschichte» wieder aufzuwärmen und in den daraus hergelei¬
teten Angriffen über alles Maß hinauszugehen. Wozu das führt, lehrt uns das
Beispiel des berühmten Redners in der zweiten Kammer, der mit seinen Gleich¬
nissen beim „Vogel Phönix" angefangen hat, sich durch den Umweg der Schlaf¬
rock- und Pantoffelfrage allmälig. zu den „lahmen Ziegen" erhoben und endlich
glücklich bei den „Lumpenhunden" angelangt ist. Wir sollten aus den vorigen
Jahren wenigstens so viel gelernt haben, daß die parlamentarische Form auch
für die Presse heilsam ist, daß Persönlichkeiten eine Sache nicht fördern, und daß
man genug mit den neuen Fragen zu thun hat, um der alten Geschichten ent¬
behren zu können. In diesem Sinne sind wir entschieden für eine Annäherung
und Verständigung.




Ein Denkmal für Hans von Raumer.

„Ein ganzer Mann wiegt schwer in schwerer Zeit;
An halben Männern ist kein Mangel heut."

Deutschland hat keinen Ueberfluß an ganzen Männern. Die Einen beugen
sich dem Sturm, Andere hat er geknickt. Wir haben im Laufe weniger Jahre
Männer, die in der vollen Blüthe herrlichster Mannesfrische dastanden, zum
Schatten werden sehen, gebeugt ein Körper und Geist, erstorben in ihrem Muth, in
ihren Hoffnungen; wir haben Andere hinwelken und sterben sehen am „gebrochenen
Herzen", aufgerieben von der Verzweiflung an der Zukunft des Vaterlandes.
Eben jetzt kommt uns die Kunde von einem neuen Verlust. Hans von Raumer
ist am,L8. März in Erlangen gestorben. Unlängst aus Schleswig-Holstein zu¬
rückgekehrt, erlag er einem Nervenfieber.

Hr. v. Raum er starb zu früh. Was er bei längerem Leben noch hätte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/78>, abgerufen am 28.04.2024.