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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Kaiserin. Die Dichter haben die seltsame Entdeckung gemacht, daß alle Unthaten,
welche man auf Rechnung dieser Frau zu setzen pflegt, eigentlich nicht ihr, sondern ihrer
Schwester Lycisca zur Last fallen, die ihr zum Sprechen ähnlich gesehen hat. Die
Rachel tritt nnn in beiden Rollen auf, und entfaltet bald alle Hoheit der tugendhaften
Kaiserin, bald alle Künste der buhlerischen Dirne. Das Stück gibt wieder einen wet¬
tern Beleg für unsre mehrfach ausgestellte Behauptung, daß die angebliche Rückkehr der
Franzosen zum classischen Theater nichts Anderes ist, als eine weitere Ausschweifung
der romantischen Richtung. Freilich wird es schwer sein, in der mittlern oder neuern
Geschichte irgend einen Stoff zu finden, der so viel Veranlassung zur Schilderung von
Greuelthaten und von abnormen, mißgestalteten Charakteren bietet, als die römische
Kaiserzeit. Das haben unsere beiden Dichter auf's redlichste benutzt. Ebenso wie der
Caligula von Alexander Dumas wetteifern sie mit den wildesten Phantasien der Soulii
und Eugen Sue. Die schönen Drapirungen; in welchen Dem. Rachel ihre ganze Kunst
aufbietet, haben vielleicht wesentlich dazu beigetragen, diesem Stück den großen Erfolg
zu sichern, den es in der That davongetragen hat. -- Im italienischen Theater hat
der Sturm von Scribe und Halevy ein ebenso zahlreiches Publicum versammelt, als
seine ersten Ausführungen in London. -- Das IIMtre ach Varivtes hat dem jungen
talentvollen Dichter Emile An gier, über den wir bereits ausführlich berichtet haben,
Gelegenheit gegeben, in Verein mit Jules Sandeau, dem Freunde Georges Sand's,
in einem allerliebsten dreiaktigen Vaudeville zudebutiren: die Jagd nach Romanen.
Der Gegenstand ist bei den neuern Novellisten ziemlich beliebt. Ein sonst solider jun¬
ger Mann wird durch die Lecture der Modeschriftsteller veranlaßt, die eigentliche Freude
des Lebens in seltsamen Abenteuern zu suchen, und er wird durch verständige Verwandte,
die dieser Neigung scheinbar Vorschub leiste", durch allerlei Possen, die sie ihm spielen, von
diesem Wahn geheilt. -- In die Klasse der sogenannten Volksspiele gehört ein sünfak-
tiges rührendes Drama, Lru^erss, von Paul Foucher und Dinaux, welches im ^m-
bigu ausgeführt ist. Die Heldin des Stücks ist ein, Pendant zu Claudie und Marianne.
Sie erreicht nach vielen Prüfungen das idyllische Glück ihrer Liebe durch das Zurück¬
ziehen ihrer etwas leichtfertigen Schwester Valentine, die eine Modedame geworden war,
in's Kloster. Es fehlt auch nicht an Mördern, die bestraft werden, und an gutmüthi¬
gen, aber leichtfertigen Personen, die gebessert werden müssen. -- Dagegen dem heitern
Genre gehören an: Die Braut des Bengalen, welches in der ?orth Le. Martin
und une boime qu'on rsnvoie, von Berthold, welches im IlrölUro av8 Vsrietvs auf¬
geführt ist.




Verlag von F. L. Herbig. -- Redactcure: Gustav Freytag und Julia" Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.


Mit No. 14 beginnt das II. Quartal des X. Jahrgangs der
"Grenzboten." Wir erlauben uns zur Pränumeration einzuladen,
und bemerken dabei, daß alle Buchhandlungen und Postämter aus
dasselbe Bestellungen annehmen. Die Verlagshandlung.


Kaiserin. Die Dichter haben die seltsame Entdeckung gemacht, daß alle Unthaten,
welche man auf Rechnung dieser Frau zu setzen pflegt, eigentlich nicht ihr, sondern ihrer
Schwester Lycisca zur Last fallen, die ihr zum Sprechen ähnlich gesehen hat. Die
Rachel tritt nnn in beiden Rollen auf, und entfaltet bald alle Hoheit der tugendhaften
Kaiserin, bald alle Künste der buhlerischen Dirne. Das Stück gibt wieder einen wet¬
tern Beleg für unsre mehrfach ausgestellte Behauptung, daß die angebliche Rückkehr der
Franzosen zum classischen Theater nichts Anderes ist, als eine weitere Ausschweifung
der romantischen Richtung. Freilich wird es schwer sein, in der mittlern oder neuern
Geschichte irgend einen Stoff zu finden, der so viel Veranlassung zur Schilderung von
Greuelthaten und von abnormen, mißgestalteten Charakteren bietet, als die römische
Kaiserzeit. Das haben unsere beiden Dichter auf's redlichste benutzt. Ebenso wie der
Caligula von Alexander Dumas wetteifern sie mit den wildesten Phantasien der Soulii
und Eugen Sue. Die schönen Drapirungen; in welchen Dem. Rachel ihre ganze Kunst
aufbietet, haben vielleicht wesentlich dazu beigetragen, diesem Stück den großen Erfolg
zu sichern, den es in der That davongetragen hat. — Im italienischen Theater hat
der Sturm von Scribe und Halevy ein ebenso zahlreiches Publicum versammelt, als
seine ersten Ausführungen in London. — Das IIMtre ach Varivtes hat dem jungen
talentvollen Dichter Emile An gier, über den wir bereits ausführlich berichtet haben,
Gelegenheit gegeben, in Verein mit Jules Sandeau, dem Freunde Georges Sand's,
in einem allerliebsten dreiaktigen Vaudeville zudebutiren: die Jagd nach Romanen.
Der Gegenstand ist bei den neuern Novellisten ziemlich beliebt. Ein sonst solider jun¬
ger Mann wird durch die Lecture der Modeschriftsteller veranlaßt, die eigentliche Freude
des Lebens in seltsamen Abenteuern zu suchen, und er wird durch verständige Verwandte,
die dieser Neigung scheinbar Vorschub leiste», durch allerlei Possen, die sie ihm spielen, von
diesem Wahn geheilt. — In die Klasse der sogenannten Volksspiele gehört ein sünfak-
tiges rührendes Drama, Lru^erss, von Paul Foucher und Dinaux, welches im ^m-
bigu ausgeführt ist. Die Heldin des Stücks ist ein, Pendant zu Claudie und Marianne.
Sie erreicht nach vielen Prüfungen das idyllische Glück ihrer Liebe durch das Zurück¬
ziehen ihrer etwas leichtfertigen Schwester Valentine, die eine Modedame geworden war,
in's Kloster. Es fehlt auch nicht an Mördern, die bestraft werden, und an gutmüthi¬
gen, aber leichtfertigen Personen, die gebessert werden müssen. — Dagegen dem heitern
Genre gehören an: Die Braut des Bengalen, welches in der ?orth Le. Martin
und une boime qu'on rsnvoie, von Berthold, welches im IlrölUro av8 Vsrietvs auf¬
geführt ist.




Verlag von F. L. Herbig. — Redactcure: Gustav Freytag und Julia« Schmidt.
Druck von C. E. Elbert.


Mit No. 14 beginnt das II. Quartal des X. Jahrgangs der
„Grenzboten." Wir erlauben uns zur Pränumeration einzuladen,
und bemerken dabei, daß alle Buchhandlungen und Postämter aus
dasselbe Bestellungen annehmen. Die Verlagshandlung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/92>, abgerufen am 29.04.2024.