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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Zum neuen Jahr.

Mögen unsere Freunde am Anfang eines neuen Jahrgangs für uns im
Stillen das Lob finden: daß wir dnrch das vergangene Jahr mit Fleiß und
Eifer versucht haben, der Wahrheit und Schönheit zu dienen. Wir sind Partei in
dem großen Kampf der Gegensätze, welche in Staat, in Literatur und Kunst das
Leben fördern, indem sie einander zu vernichten streben. Wir haben uns bemüht,
als ParteiMnner auch die Gegner nicht ungerecht zu behandeln; wir haben
Vieles angegriffen und, wo wir eine Ueberzeugung zu vertreten hatten, Niemand
geschont, aber wir haben nicht mit schlechten Waffen gekämpft und, wo wir ver-
urtheilen mußten, auch die Berechtigung unsers Urtheils zu erweisen gesucht. Da¬
durch haben wir Gegner erhalten, aber auch Freunde. Mögen die ersteren uns
auch ferner ehrlichen Kampf gestatten, die letztern uns ihr Wohlwollen im neuen
Jahr erhalten.

Bevor die wechselnden Erscheinungen der Gegenwart uns wieder veranlassen
anzugreifen, zu klagen und zu zürnen, sei zuerst einer kurzen Bemerkung Raum
verstattet, welche uns zuweilen getröstet hat, wenn wir das Schlechte und Gemeine
mächtig sahen, und in dem, was gerade geschah, so wenig Veranlassung zu Trost
und Freude war. Wir verkennen keinen Augenblick die großen Resultate der
letzten Jahre, wir zweifeln keinen Augenblick an einer endlichen glücklichen Lösung
der schwebenden politischen Processe, keinen Augenblick an der Kraft und Tüch¬
tigkeit des deutschen Geistes, welcher gegenwärtig Befriedigung seines Selbstge¬
fühls mehr auf anderen Gebieten sucht, als dem deö schönen Schaffens aus der
Phautaste. Ja, wir glauben uicht, daß es möglich ist, auch durch die extremsten
Thaten die schöne Zukunft unseres Vaterlandes zu vernichten und das Wachsthum
aufzuhalten, welches die Nation zu männlicher Stärke emporhebt.


Grenzboten. I. 1851. 1
Zum neuen Jahr.

Mögen unsere Freunde am Anfang eines neuen Jahrgangs für uns im
Stillen das Lob finden: daß wir dnrch das vergangene Jahr mit Fleiß und
Eifer versucht haben, der Wahrheit und Schönheit zu dienen. Wir sind Partei in
dem großen Kampf der Gegensätze, welche in Staat, in Literatur und Kunst das
Leben fördern, indem sie einander zu vernichten streben. Wir haben uns bemüht,
als ParteiMnner auch die Gegner nicht ungerecht zu behandeln; wir haben
Vieles angegriffen und, wo wir eine Ueberzeugung zu vertreten hatten, Niemand
geschont, aber wir haben nicht mit schlechten Waffen gekämpft und, wo wir ver-
urtheilen mußten, auch die Berechtigung unsers Urtheils zu erweisen gesucht. Da¬
durch haben wir Gegner erhalten, aber auch Freunde. Mögen die ersteren uns
auch ferner ehrlichen Kampf gestatten, die letztern uns ihr Wohlwollen im neuen
Jahr erhalten.

Bevor die wechselnden Erscheinungen der Gegenwart uns wieder veranlassen
anzugreifen, zu klagen und zu zürnen, sei zuerst einer kurzen Bemerkung Raum
verstattet, welche uns zuweilen getröstet hat, wenn wir das Schlechte und Gemeine
mächtig sahen, und in dem, was gerade geschah, so wenig Veranlassung zu Trost
und Freude war. Wir verkennen keinen Augenblick die großen Resultate der
letzten Jahre, wir zweifeln keinen Augenblick an einer endlichen glücklichen Lösung
der schwebenden politischen Processe, keinen Augenblick an der Kraft und Tüch¬
tigkeit des deutschen Geistes, welcher gegenwärtig Befriedigung seines Selbstge¬
fühls mehr auf anderen Gebieten sucht, als dem deö schönen Schaffens aus der
Phautaste. Ja, wir glauben uicht, daß es möglich ist, auch durch die extremsten
Thaten die schöne Zukunft unseres Vaterlandes zu vernichten und das Wachsthum
aufzuhalten, welches die Nation zu männlicher Stärke emporhebt.


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[0013] Zum neuen Jahr. Mögen unsere Freunde am Anfang eines neuen Jahrgangs für uns im Stillen das Lob finden: daß wir dnrch das vergangene Jahr mit Fleiß und Eifer versucht haben, der Wahrheit und Schönheit zu dienen. Wir sind Partei in dem großen Kampf der Gegensätze, welche in Staat, in Literatur und Kunst das Leben fördern, indem sie einander zu vernichten streben. Wir haben uns bemüht, als ParteiMnner auch die Gegner nicht ungerecht zu behandeln; wir haben Vieles angegriffen und, wo wir eine Ueberzeugung zu vertreten hatten, Niemand geschont, aber wir haben nicht mit schlechten Waffen gekämpft und, wo wir ver- urtheilen mußten, auch die Berechtigung unsers Urtheils zu erweisen gesucht. Da¬ durch haben wir Gegner erhalten, aber auch Freunde. Mögen die ersteren uns auch ferner ehrlichen Kampf gestatten, die letztern uns ihr Wohlwollen im neuen Jahr erhalten. Bevor die wechselnden Erscheinungen der Gegenwart uns wieder veranlassen anzugreifen, zu klagen und zu zürnen, sei zuerst einer kurzen Bemerkung Raum verstattet, welche uns zuweilen getröstet hat, wenn wir das Schlechte und Gemeine mächtig sahen, und in dem, was gerade geschah, so wenig Veranlassung zu Trost und Freude war. Wir verkennen keinen Augenblick die großen Resultate der letzten Jahre, wir zweifeln keinen Augenblick an einer endlichen glücklichen Lösung der schwebenden politischen Processe, keinen Augenblick an der Kraft und Tüch¬ tigkeit des deutschen Geistes, welcher gegenwärtig Befriedigung seines Selbstge¬ fühls mehr auf anderen Gebieten sucht, als dem deö schönen Schaffens aus der Phautaste. Ja, wir glauben uicht, daß es möglich ist, auch durch die extremsten Thaten die schöne Zukunft unseres Vaterlandes zu vernichten und das Wachsthum aufzuhalten, welches die Nation zu männlicher Stärke emporhebt. Grenzboten. I. 1851. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/13>, abgerufen am 04.05.2024.