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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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vielfältig darüber geklagt, daß er seinen Werken, die er übrigens wesentlich verbesserte,
daselbst einen zu großen Raum gab. Was er Neues schrieb -- Narmahul
1822, Alcidor 1825, ein Zauberballet, in dem jenes bekannte Musikstück der
gestimmten Ambose vorkommt, und Agnes von Hohenstaufen enthielt nicht
nur keinen Fortschritt, sondern war schon Manier. Nach seinem Majestätsproceß
und seiner Entfernung aus Berlin 1842 verschwanden seine Stücke vom dortigen
Theater, bis Jenny Lind wieder als Vestalin auftrat. Obgleich die Individualität
dieser Sängerin so wenig als irgend möglich geeignet war, die Leidenschaft und
das Dämonische, das in jener Rolle liegt, wiederzugeben, so machte das Stück
doch wieder einen gewaltigen Eindruck. -- Spontini hat seine letzten Jahre in
seinem Vaterlande zugebracht; 1844 hatte ihn der Papst zum Grafen von
Se. Andrea ernannt.

Eine eingehende Kritik seiner Werke, so wie die Darstellung des Verhält¬
nisses zwischen ihm und den neueren Komponisten, die eine verwandte Richtung
verfolgen Meyerbeer, Richard Wagner, Berlioz -- behalten wir uns vor.




Die Hochzeit des Kulmus.

Ein Aristophanisches Lustspiel von Alexandros Nhisos Nhangawis, aus dem neu¬
griechischen übersetzt von Sanders. 2. Ausg. Berlin, Dümmler. 1850.

Dieses neugriechische Lustspiel hat für uns ein doppeltes Interesse, seiner
Form wie seines Inhalts wegen.

In seiner Form schließt es sich ganz der altgriechischen Komödie an. Wir
haben die alten Versmaße -- ganz gegen die Natur der neugriechischen Sprache,
die zu Gunsten des Accents die Quantität gänzlich aufgegeben hat --, wir haben
Chöre, Parabafeu und was sonst zum Aristophanischen Costüm gehört. Der
Dichter selbst rechtfertigt sich darüber folgendermaßen:


"Wenn er Trimeter hat aneinandergereiht, Anapäste zusammengefügt hat,
Nicht zwang ihn Mangel an Worten dazu, noch die Furcht vor den doppelten Reimen.
Er verstehet, zu Schirren der Silben Gespann gleich anderen Küchlein der Musen,
Und zu häufen, da wo an Gedanken es sehlt, Wortreihen auf i" und "A".
Doch zwischen der Lorbeern ewigem Grün, an dem reinen kastalischen Quelle,
Dort, sagt er, zerbrochen und stimulos fand er der Dichtkunst Flöte, der alten,
Sie geschleudert in Wuth fort, seit sie entweiht von den neueren Marsyasdichtern."

Doch scheint diese Neuerung noch nicht den rechten Anklang gefunden zu ha¬
ben; wenigstens beklagt er sich sehr lebhaft über die Aufmerksamkeit, welche das
Publicum den gewöhnlichen Zotenpoeten zuwendet:


vielfältig darüber geklagt, daß er seinen Werken, die er übrigens wesentlich verbesserte,
daselbst einen zu großen Raum gab. Was er Neues schrieb — Narmahul
1822, Alcidor 1825, ein Zauberballet, in dem jenes bekannte Musikstück der
gestimmten Ambose vorkommt, und Agnes von Hohenstaufen enthielt nicht
nur keinen Fortschritt, sondern war schon Manier. Nach seinem Majestätsproceß
und seiner Entfernung aus Berlin 1842 verschwanden seine Stücke vom dortigen
Theater, bis Jenny Lind wieder als Vestalin auftrat. Obgleich die Individualität
dieser Sängerin so wenig als irgend möglich geeignet war, die Leidenschaft und
das Dämonische, das in jener Rolle liegt, wiederzugeben, so machte das Stück
doch wieder einen gewaltigen Eindruck. — Spontini hat seine letzten Jahre in
seinem Vaterlande zugebracht; 1844 hatte ihn der Papst zum Grafen von
Se. Andrea ernannt.

Eine eingehende Kritik seiner Werke, so wie die Darstellung des Verhält¬
nisses zwischen ihm und den neueren Komponisten, die eine verwandte Richtung
verfolgen Meyerbeer, Richard Wagner, Berlioz — behalten wir uns vor.




Die Hochzeit des Kulmus.

Ein Aristophanisches Lustspiel von Alexandros Nhisos Nhangawis, aus dem neu¬
griechischen übersetzt von Sanders. 2. Ausg. Berlin, Dümmler. 1850.

Dieses neugriechische Lustspiel hat für uns ein doppeltes Interesse, seiner
Form wie seines Inhalts wegen.

In seiner Form schließt es sich ganz der altgriechischen Komödie an. Wir
haben die alten Versmaße — ganz gegen die Natur der neugriechischen Sprache,
die zu Gunsten des Accents die Quantität gänzlich aufgegeben hat —, wir haben
Chöre, Parabafeu und was sonst zum Aristophanischen Costüm gehört. Der
Dichter selbst rechtfertigt sich darüber folgendermaßen:


„Wenn er Trimeter hat aneinandergereiht, Anapäste zusammengefügt hat,
Nicht zwang ihn Mangel an Worten dazu, noch die Furcht vor den doppelten Reimen.
Er verstehet, zu Schirren der Silben Gespann gleich anderen Küchlein der Musen,
Und zu häufen, da wo an Gedanken es sehlt, Wortreihen auf i« und «A«.
Doch zwischen der Lorbeern ewigem Grün, an dem reinen kastalischen Quelle,
Dort, sagt er, zerbrochen und stimulos fand er der Dichtkunst Flöte, der alten,
Sie geschleudert in Wuth fort, seit sie entweiht von den neueren Marsyasdichtern."

Doch scheint diese Neuerung noch nicht den rechten Anklang gefunden zu ha¬
ben; wenigstens beklagt er sich sehr lebhaft über die Aufmerksamkeit, welche das
Publicum den gewöhnlichen Zotenpoeten zuwendet:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/310>, abgerufen am 04.05.2024.