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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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so läßt sie sich in Kürze nach vier Rubriken ordnen. Voran die rein religiöse, d. h.
jene, wo die päpstliche Hoheit und die katholische Religion im Ganzen als eine
Abweichung vom geschriebenen Worte Gottes dargestellt ist. Sie brachte nichts
Neues; ihr Stützpunkt blieb die Bibel. Eine zweite Classe von Broschüren
sucht durch Leidenschaftlichkeit zu wirken und fortzureißen; sie ergeht sich in
historischen Rückblicken und schildert mit grellen Farben, wie die Menschheit
durch den Katholicismus gelitten habe von Peter von Amiens bis ans Loyola,
Torquemada und auf unsere Zeit. Sie wird.am vollständigsten dnrch das oben
erwähnte Buch Turnley's charakterisirt. Zunächst kommen die Juristen mit ihrer
politischen Beweisführung, daß die Bulle des Papstes ein Eingriff in die Rechte
der Krone sei. Auf diesem Felde steht die Broschüre von Samuel Warren*)
obenan. Sie erlebte in 3 Wochen 5 Auflagen. Eine vor Jahren gemachte
Bemerkung Lady Morgan's endlich, daß der Stuhl des heiligen Peter im Vatican
unecht und ein maurisches Möbel sei, gab viertens Veranlassung zu einer Fluch
von Abhandlungen über diesen Gegenstand, wobei natürlich die Tagesfrage mit
ins Spiel gezogen wurde. Der alten 82jährigen Lady gebührt das Verdienst,
den Gegenstand, wie er es verdient, satyrisch behandelt zu haben; und es bleibt
immerhin bezeichnend für den katholischen Priestercharakter des Cardinals, daß
ihn kein Angriff auf die katholische Kirche so sehr in Aufregung versetzte, als der
Zweifel, ob besagter Stuhl von einem christlich getauften oder mohammedanisch
beschnittenen Tischler gearbeitet wordeu sei.

Inmitten dieser Federkämpfe war die Diversion gegen den Puseyismus und
seiner Anhänger eine sehr heilsame und zweckmäßige. Das Scharmützel wurde
allgemein; man sah vor lauter Staub und Koch die Hanptkämpfer nicht mehr,
und mitten im Getümmel rief der Herold von Westminster: "Das Parlament ist
eröffnet" -- und hier schließt unsere historische Skizze. Lord John ist sehr zahm
geworden, wie seine gemäßigte Bill beweist. Wie immer der Streit im Parla¬
mente beendigt werden mag, England wird an der "xaM aggression" noch
lange zu zehren haben.




Wochenschau.
Der Tlevfassungskamps iuKuvh essen,

nach Entstehung, Fortgang und Ende
historisch geschildert von Dr. H. Grase, Mitglied des bleibenden Ständeausschusses in
Kassel. -- Nachdem der gesetzliche Widerstand der liberalen Partei gegen die Uebermacht
des herscheuden Systems so ziemlich auf allen Punkten gebrochen ist, bleibt uns für den
Augenblick nichts Anderes übrig, als durch eine klare und ausführliche Darstellung dessen,
was geschehen ist, von der übel berichteten Gegenwart an die höhere Instanz der Zukunft



Verfasser deö "Tagevmh eines Arztes." u. s. w.

so läßt sie sich in Kürze nach vier Rubriken ordnen. Voran die rein religiöse, d. h.
jene, wo die päpstliche Hoheit und die katholische Religion im Ganzen als eine
Abweichung vom geschriebenen Worte Gottes dargestellt ist. Sie brachte nichts
Neues; ihr Stützpunkt blieb die Bibel. Eine zweite Classe von Broschüren
sucht durch Leidenschaftlichkeit zu wirken und fortzureißen; sie ergeht sich in
historischen Rückblicken und schildert mit grellen Farben, wie die Menschheit
durch den Katholicismus gelitten habe von Peter von Amiens bis ans Loyola,
Torquemada und auf unsere Zeit. Sie wird.am vollständigsten dnrch das oben
erwähnte Buch Turnley's charakterisirt. Zunächst kommen die Juristen mit ihrer
politischen Beweisführung, daß die Bulle des Papstes ein Eingriff in die Rechte
der Krone sei. Auf diesem Felde steht die Broschüre von Samuel Warren*)
obenan. Sie erlebte in 3 Wochen 5 Auflagen. Eine vor Jahren gemachte
Bemerkung Lady Morgan's endlich, daß der Stuhl des heiligen Peter im Vatican
unecht und ein maurisches Möbel sei, gab viertens Veranlassung zu einer Fluch
von Abhandlungen über diesen Gegenstand, wobei natürlich die Tagesfrage mit
ins Spiel gezogen wurde. Der alten 82jährigen Lady gebührt das Verdienst,
den Gegenstand, wie er es verdient, satyrisch behandelt zu haben; und es bleibt
immerhin bezeichnend für den katholischen Priestercharakter des Cardinals, daß
ihn kein Angriff auf die katholische Kirche so sehr in Aufregung versetzte, als der
Zweifel, ob besagter Stuhl von einem christlich getauften oder mohammedanisch
beschnittenen Tischler gearbeitet wordeu sei.

Inmitten dieser Federkämpfe war die Diversion gegen den Puseyismus und
seiner Anhänger eine sehr heilsame und zweckmäßige. Das Scharmützel wurde
allgemein; man sah vor lauter Staub und Koch die Hanptkämpfer nicht mehr,
und mitten im Getümmel rief der Herold von Westminster: „Das Parlament ist
eröffnet" — und hier schließt unsere historische Skizze. Lord John ist sehr zahm
geworden, wie seine gemäßigte Bill beweist. Wie immer der Streit im Parla¬
mente beendigt werden mag, England wird an der „xaM aggression" noch
lange zu zehren haben.




Wochenschau.
Der Tlevfassungskamps iuKuvh essen,

nach Entstehung, Fortgang und Ende
historisch geschildert von Dr. H. Grase, Mitglied des bleibenden Ständeausschusses in
Kassel. — Nachdem der gesetzliche Widerstand der liberalen Partei gegen die Uebermacht
des herscheuden Systems so ziemlich auf allen Punkten gebrochen ist, bleibt uns für den
Augenblick nichts Anderes übrig, als durch eine klare und ausführliche Darstellung dessen,
was geschehen ist, von der übel berichteten Gegenwart an die höhere Instanz der Zukunft



Verfasser deö „Tagevmh eines Arztes." u. s. w.
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[0326] so läßt sie sich in Kürze nach vier Rubriken ordnen. Voran die rein religiöse, d. h. jene, wo die päpstliche Hoheit und die katholische Religion im Ganzen als eine Abweichung vom geschriebenen Worte Gottes dargestellt ist. Sie brachte nichts Neues; ihr Stützpunkt blieb die Bibel. Eine zweite Classe von Broschüren sucht durch Leidenschaftlichkeit zu wirken und fortzureißen; sie ergeht sich in historischen Rückblicken und schildert mit grellen Farben, wie die Menschheit durch den Katholicismus gelitten habe von Peter von Amiens bis ans Loyola, Torquemada und auf unsere Zeit. Sie wird.am vollständigsten dnrch das oben erwähnte Buch Turnley's charakterisirt. Zunächst kommen die Juristen mit ihrer politischen Beweisführung, daß die Bulle des Papstes ein Eingriff in die Rechte der Krone sei. Auf diesem Felde steht die Broschüre von Samuel Warren*) obenan. Sie erlebte in 3 Wochen 5 Auflagen. Eine vor Jahren gemachte Bemerkung Lady Morgan's endlich, daß der Stuhl des heiligen Peter im Vatican unecht und ein maurisches Möbel sei, gab viertens Veranlassung zu einer Fluch von Abhandlungen über diesen Gegenstand, wobei natürlich die Tagesfrage mit ins Spiel gezogen wurde. Der alten 82jährigen Lady gebührt das Verdienst, den Gegenstand, wie er es verdient, satyrisch behandelt zu haben; und es bleibt immerhin bezeichnend für den katholischen Priestercharakter des Cardinals, daß ihn kein Angriff auf die katholische Kirche so sehr in Aufregung versetzte, als der Zweifel, ob besagter Stuhl von einem christlich getauften oder mohammedanisch beschnittenen Tischler gearbeitet wordeu sei. Inmitten dieser Federkämpfe war die Diversion gegen den Puseyismus und seiner Anhänger eine sehr heilsame und zweckmäßige. Das Scharmützel wurde allgemein; man sah vor lauter Staub und Koch die Hanptkämpfer nicht mehr, und mitten im Getümmel rief der Herold von Westminster: „Das Parlament ist eröffnet" — und hier schließt unsere historische Skizze. Lord John ist sehr zahm geworden, wie seine gemäßigte Bill beweist. Wie immer der Streit im Parla¬ mente beendigt werden mag, England wird an der „xaM aggression" noch lange zu zehren haben. Wochenschau. Der Tlevfassungskamps iuKuvh essen, nach Entstehung, Fortgang und Ende historisch geschildert von Dr. H. Grase, Mitglied des bleibenden Ständeausschusses in Kassel. — Nachdem der gesetzliche Widerstand der liberalen Partei gegen die Uebermacht des herscheuden Systems so ziemlich auf allen Punkten gebrochen ist, bleibt uns für den Augenblick nichts Anderes übrig, als durch eine klare und ausführliche Darstellung dessen, was geschehen ist, von der übel berichteten Gegenwart an die höhere Instanz der Zukunft Verfasser deö „Tagevmh eines Arztes." u. s. w.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/326>, abgerufen am 04.05.2024.