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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Cin Gefangener anf Peterwardein.

Die Schilderungen von östreichischer Seite aus den letzten folgereichen Feld-
zügen in Italien und Ungarn siud verhältnißmäßig wenig zahlreich. Jetzt bringt
die Ksvue Ü68 cieux Uonäes Skizzen aus dem ungarischen Revolutionskriege von
der Feder eines jungen Kroateuofficiers, Georg Pimodan, der als Jellachich's
Adjutant die erste Hälfte des Feldzugs mitgemacht hat. Seine Schilderungen
sind lebendig und frisch, aber durchweht von einem ultraöstreichischen Geiste, der
kaum der Tapferkeit der Gegner Gerechtigkeit Wiedersahren läßt, geschweige denn
ihnen sonstige gute Eigenschaften zuspricht, und selbst in der ritterlichen Artigkeit,
mit der General Kiß dem gefangenen Officier seine Effecten zurückstellt, eine
Affectation sieht. Aber trotz seinem so parteiischen Eifer für die kaiserlichen Waffen
und Generäle und dem den Soldaten angebornen Respekt vor den Obern, erkennt
man doch, beiläufig bemerkt, ziemlich deutlich aus seinem Schweigen über die mi¬
litärische Thätigkeit des Fürsten Windischgrätz, während er die Thätigkeit der an¬
dern Generale mit Wärme hervorhebt, daß auch vou dieser Seite ein großer
Theil des Mißgeschicks der östreichischen Waffen in der erste" Hälfte des Feld¬
zugs der Saumseligkeit des Fürsten zugeschrieben wird. Die demoralisirenden
Folgen der beständigen Niederlagen ans die östreichischen Truppen gesteht der
Versasser selbst ein, er verschweigt aber, daß erst der Einmarsch der Russen ihren
Muth wieder hob, und die sonst unrettbar verlorene Sache zum Glücke wendete. --
Wir theilen im Auszug eine lebhast geschriebene und interessante Schilderung
seiner Gefangenschaft in Peterwardein mit:

Am 19. Mai 1849 mit Anbruch der Dunkelheit verließ ich Essegg, um
das Ufer der Donau zwischen Bukin und Palauka zu recognosciren, und erreichte
am nächsten Morgen gegen zehn Uhr das Dorf Opatovacz. Hier sollte ich Pio¬
niere finden, die mich ans das andere Ufer übersetzen sollten; aber sie waren noch
nicht da. Nach längerem vergeblichen Warten ließ ich mir von dem Dorfrichter
ein Boot geben, nahm drei Bauern zum Rudern und gewann so die Mitte des
Flusses. Das Wetter war abscheulich; der Kahn, von dem heftigen Wind auf die
Seite gelegt, füllte sich jeden Augenblick mit Wasser und drohte zu sinken. Eud-
ich erreichte ich Bukin, fand hier eine Stelle, wo ein Dampfboot nahe genug
am User anlegen konnte, um Truppen ans Land zu setzen, und begab mich
nach eiuer kleinen Schiffömühle dicht am User. Ich hatte eine Flinte in der
Hand. Um nicht überfallen zu werden, rief ich von weitem dem Müller zu, zu
mir zu kommen; es war ein Deutscher, schien gut gesinnt zu sein und gab mir
alle Auskunft über die Beschaffenheit und Richtung des Weges, ans welchem die
Brigade durch die Wälder vorrücken mußte, um Palauka zu überfallen. Ich stieg


Grcnzvoten. I. 1851. 58
Cin Gefangener anf Peterwardein.

Die Schilderungen von östreichischer Seite aus den letzten folgereichen Feld-
zügen in Italien und Ungarn siud verhältnißmäßig wenig zahlreich. Jetzt bringt
die Ksvue Ü68 cieux Uonäes Skizzen aus dem ungarischen Revolutionskriege von
der Feder eines jungen Kroateuofficiers, Georg Pimodan, der als Jellachich's
Adjutant die erste Hälfte des Feldzugs mitgemacht hat. Seine Schilderungen
sind lebendig und frisch, aber durchweht von einem ultraöstreichischen Geiste, der
kaum der Tapferkeit der Gegner Gerechtigkeit Wiedersahren läßt, geschweige denn
ihnen sonstige gute Eigenschaften zuspricht, und selbst in der ritterlichen Artigkeit,
mit der General Kiß dem gefangenen Officier seine Effecten zurückstellt, eine
Affectation sieht. Aber trotz seinem so parteiischen Eifer für die kaiserlichen Waffen
und Generäle und dem den Soldaten angebornen Respekt vor den Obern, erkennt
man doch, beiläufig bemerkt, ziemlich deutlich aus seinem Schweigen über die mi¬
litärische Thätigkeit des Fürsten Windischgrätz, während er die Thätigkeit der an¬
dern Generale mit Wärme hervorhebt, daß auch vou dieser Seite ein großer
Theil des Mißgeschicks der östreichischen Waffen in der erste» Hälfte des Feld¬
zugs der Saumseligkeit des Fürsten zugeschrieben wird. Die demoralisirenden
Folgen der beständigen Niederlagen ans die östreichischen Truppen gesteht der
Versasser selbst ein, er verschweigt aber, daß erst der Einmarsch der Russen ihren
Muth wieder hob, und die sonst unrettbar verlorene Sache zum Glücke wendete. —
Wir theilen im Auszug eine lebhast geschriebene und interessante Schilderung
seiner Gefangenschaft in Peterwardein mit:

Am 19. Mai 1849 mit Anbruch der Dunkelheit verließ ich Essegg, um
das Ufer der Donau zwischen Bukin und Palauka zu recognosciren, und erreichte
am nächsten Morgen gegen zehn Uhr das Dorf Opatovacz. Hier sollte ich Pio¬
niere finden, die mich ans das andere Ufer übersetzen sollten; aber sie waren noch
nicht da. Nach längerem vergeblichen Warten ließ ich mir von dem Dorfrichter
ein Boot geben, nahm drei Bauern zum Rudern und gewann so die Mitte des
Flusses. Das Wetter war abscheulich; der Kahn, von dem heftigen Wind auf die
Seite gelegt, füllte sich jeden Augenblick mit Wasser und drohte zu sinken. Eud-
ich erreichte ich Bukin, fand hier eine Stelle, wo ein Dampfboot nahe genug
am User anlegen konnte, um Truppen ans Land zu setzen, und begab mich
nach eiuer kleinen Schiffömühle dicht am User. Ich hatte eine Flinte in der
Hand. Um nicht überfallen zu werden, rief ich von weitem dem Müller zu, zu
mir zu kommen; es war ein Deutscher, schien gut gesinnt zu sein und gab mir
alle Auskunft über die Beschaffenheit und Richtung des Weges, ans welchem die
Brigade durch die Wälder vorrücken mußte, um Palauka zu überfallen. Ich stieg


Grcnzvoten. I. 1851. 58
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[0469] Cin Gefangener anf Peterwardein. Die Schilderungen von östreichischer Seite aus den letzten folgereichen Feld- zügen in Italien und Ungarn siud verhältnißmäßig wenig zahlreich. Jetzt bringt die Ksvue Ü68 cieux Uonäes Skizzen aus dem ungarischen Revolutionskriege von der Feder eines jungen Kroateuofficiers, Georg Pimodan, der als Jellachich's Adjutant die erste Hälfte des Feldzugs mitgemacht hat. Seine Schilderungen sind lebendig und frisch, aber durchweht von einem ultraöstreichischen Geiste, der kaum der Tapferkeit der Gegner Gerechtigkeit Wiedersahren läßt, geschweige denn ihnen sonstige gute Eigenschaften zuspricht, und selbst in der ritterlichen Artigkeit, mit der General Kiß dem gefangenen Officier seine Effecten zurückstellt, eine Affectation sieht. Aber trotz seinem so parteiischen Eifer für die kaiserlichen Waffen und Generäle und dem den Soldaten angebornen Respekt vor den Obern, erkennt man doch, beiläufig bemerkt, ziemlich deutlich aus seinem Schweigen über die mi¬ litärische Thätigkeit des Fürsten Windischgrätz, während er die Thätigkeit der an¬ dern Generale mit Wärme hervorhebt, daß auch vou dieser Seite ein großer Theil des Mißgeschicks der östreichischen Waffen in der erste» Hälfte des Feld¬ zugs der Saumseligkeit des Fürsten zugeschrieben wird. Die demoralisirenden Folgen der beständigen Niederlagen ans die östreichischen Truppen gesteht der Versasser selbst ein, er verschweigt aber, daß erst der Einmarsch der Russen ihren Muth wieder hob, und die sonst unrettbar verlorene Sache zum Glücke wendete. — Wir theilen im Auszug eine lebhast geschriebene und interessante Schilderung seiner Gefangenschaft in Peterwardein mit: Am 19. Mai 1849 mit Anbruch der Dunkelheit verließ ich Essegg, um das Ufer der Donau zwischen Bukin und Palauka zu recognosciren, und erreichte am nächsten Morgen gegen zehn Uhr das Dorf Opatovacz. Hier sollte ich Pio¬ niere finden, die mich ans das andere Ufer übersetzen sollten; aber sie waren noch nicht da. Nach längerem vergeblichen Warten ließ ich mir von dem Dorfrichter ein Boot geben, nahm drei Bauern zum Rudern und gewann so die Mitte des Flusses. Das Wetter war abscheulich; der Kahn, von dem heftigen Wind auf die Seite gelegt, füllte sich jeden Augenblick mit Wasser und drohte zu sinken. Eud- ich erreichte ich Bukin, fand hier eine Stelle, wo ein Dampfboot nahe genug am User anlegen konnte, um Truppen ans Land zu setzen, und begab mich nach eiuer kleinen Schiffömühle dicht am User. Ich hatte eine Flinte in der Hand. Um nicht überfallen zu werden, rief ich von weitem dem Müller zu, zu mir zu kommen; es war ein Deutscher, schien gut gesinnt zu sein und gab mir alle Auskunft über die Beschaffenheit und Richtung des Weges, ans welchem die Brigade durch die Wälder vorrücken mußte, um Palauka zu überfallen. Ich stieg Grcnzvoten. I. 1851. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/469>, abgerufen am 04.05.2024.