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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Mehrere Jahre hatte ich in Deutschland einer selbstständigen Junggesellen-
Wirthschaft vorgestanden, dann hatte ich selbstständig mein Reisegeld bis auf eine
kleine Summe, die nach meiner Meinung noch groß genng war, um in Amerika
mir eine selbstständige Stellung bereiten zu können, ausgegeben -- kein Wunder,
daß mir das jetzige unselbstständige Wesen, wobei ich ohne Aussicht aus Verbesse¬
rung meiner Umstände nur für das Brod des Tages arbeitete, mit der Zeit nicht
mehr behagen wollte, und daß ich beim Ferne- und Häuserbau, und wenn ich
Lehm zu Schornsteinen trat, vielfach überlegte, wie am sichersten eine texanische
Selbstständigkeit aufgebaut werden könnte. Dann drängte sich mir bisweilen eine
Vergleichung des Texasbildes, wie ich mir es in Deutschland gemalt hatte, mit
der Texaswirklichkeit auf. Wenn mau mich in Deutschland frug: "Was gedenken
Sie in Texas anzusaugen?" so war meine gewöhnliche Antwort: "Ich weiß es
nicht, aber ich meine, in einem jungen Staate wie Texas giebt es so viele Be¬
dürfnisse zu befriedigen, daß jede Kraft willkommen sein muß; deshalb will ich
mich dem Schicksale überlassen." Vornehmlich reflectirte ich auf Beschäftigung
als Feldmesser. Allerdings waren solche Stellen vorhanden, aber sie waren
gerade zu der Zeit besetzt, und es mußten noch drei Jahre ins Land gehen, ehe
neue Landmesser verlangt wurden. Drei Jahre ist eine lange Zeit für den,
welcher wartet; und wer konnte mir dafür bürgen, daß ich dann gewählt werden
würde? Gegenwärtig sah ich Land bebaut und unbebaut, sah noch einige Dollars in
meiner Börse, und bei einigen mir bekannten Farmern Häuser von Tabak aufgeschichtet;
Alles zusammen ergab das Resultat: Die gegenwärtige Baarschaft wird in vier
Theile getheilt; der erste Theil wird bestimmt als Pachtzins für 2 Acres Land,
um darauf Tabak zu "resen" (ruso); der zweite Theil dient zum Ankauf für
reifen Tabak zum Cigarreumachen; mit dem dritten Thejle wird Boarding und
Lodging bei meinem Schwager bestritten, und der vierte Theil wird für unvorher-
gesehene Falle aufbewahrt. Der so entworfene Lebensplan ward meinen Ver¬
wandten vorgelegt und genehmigt. Unsre Interessen waren somit zwar gesondert,
aber wir blieben dennoch immer in so enger Beziehung, daß ich meinen freiwilli¬
gen Beistand bei allen dringenden oder schwierigen Arbeiten, so wie in den Ge¬
schäften des Haushaltes versprechen, nud mein Versprechen halten konnte.

Mein Schwager hatte schon im vergangenen Jahre in seinen Garten einige
Tabakspflanzen gesetzt, in der Erwartung, daß er von diesen so viel Blätter
ernten würde, als er zu seinem eigenen Bedarf gebrauchen konnte; zur Zeit aber,


Grenzboten. l. -I8L2. 17

Mehrere Jahre hatte ich in Deutschland einer selbstständigen Junggesellen-
Wirthschaft vorgestanden, dann hatte ich selbstständig mein Reisegeld bis auf eine
kleine Summe, die nach meiner Meinung noch groß genng war, um in Amerika
mir eine selbstständige Stellung bereiten zu können, ausgegeben — kein Wunder,
daß mir das jetzige unselbstständige Wesen, wobei ich ohne Aussicht aus Verbesse¬
rung meiner Umstände nur für das Brod des Tages arbeitete, mit der Zeit nicht
mehr behagen wollte, und daß ich beim Ferne- und Häuserbau, und wenn ich
Lehm zu Schornsteinen trat, vielfach überlegte, wie am sichersten eine texanische
Selbstständigkeit aufgebaut werden könnte. Dann drängte sich mir bisweilen eine
Vergleichung des Texasbildes, wie ich mir es in Deutschland gemalt hatte, mit
der Texaswirklichkeit auf. Wenn mau mich in Deutschland frug: „Was gedenken
Sie in Texas anzusaugen?" so war meine gewöhnliche Antwort: „Ich weiß es
nicht, aber ich meine, in einem jungen Staate wie Texas giebt es so viele Be¬
dürfnisse zu befriedigen, daß jede Kraft willkommen sein muß; deshalb will ich
mich dem Schicksale überlassen." Vornehmlich reflectirte ich auf Beschäftigung
als Feldmesser. Allerdings waren solche Stellen vorhanden, aber sie waren
gerade zu der Zeit besetzt, und es mußten noch drei Jahre ins Land gehen, ehe
neue Landmesser verlangt wurden. Drei Jahre ist eine lange Zeit für den,
welcher wartet; und wer konnte mir dafür bürgen, daß ich dann gewählt werden
würde? Gegenwärtig sah ich Land bebaut und unbebaut, sah noch einige Dollars in
meiner Börse, und bei einigen mir bekannten Farmern Häuser von Tabak aufgeschichtet;
Alles zusammen ergab das Resultat: Die gegenwärtige Baarschaft wird in vier
Theile getheilt; der erste Theil wird bestimmt als Pachtzins für 2 Acres Land,
um darauf Tabak zu „resen" (ruso); der zweite Theil dient zum Ankauf für
reifen Tabak zum Cigarreumachen; mit dem dritten Thejle wird Boarding und
Lodging bei meinem Schwager bestritten, und der vierte Theil wird für unvorher-
gesehene Falle aufbewahrt. Der so entworfene Lebensplan ward meinen Ver¬
wandten vorgelegt und genehmigt. Unsre Interessen waren somit zwar gesondert,
aber wir blieben dennoch immer in so enger Beziehung, daß ich meinen freiwilli¬
gen Beistand bei allen dringenden oder schwierigen Arbeiten, so wie in den Ge¬
schäften des Haushaltes versprechen, nud mein Versprechen halten konnte.

Mein Schwager hatte schon im vergangenen Jahre in seinen Garten einige
Tabakspflanzen gesetzt, in der Erwartung, daß er von diesen so viel Blätter
ernten würde, als er zu seinem eigenen Bedarf gebrauchen konnte; zur Zeit aber,


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[0139] Mehrere Jahre hatte ich in Deutschland einer selbstständigen Junggesellen- Wirthschaft vorgestanden, dann hatte ich selbstständig mein Reisegeld bis auf eine kleine Summe, die nach meiner Meinung noch groß genng war, um in Amerika mir eine selbstständige Stellung bereiten zu können, ausgegeben — kein Wunder, daß mir das jetzige unselbstständige Wesen, wobei ich ohne Aussicht aus Verbesse¬ rung meiner Umstände nur für das Brod des Tages arbeitete, mit der Zeit nicht mehr behagen wollte, und daß ich beim Ferne- und Häuserbau, und wenn ich Lehm zu Schornsteinen trat, vielfach überlegte, wie am sichersten eine texanische Selbstständigkeit aufgebaut werden könnte. Dann drängte sich mir bisweilen eine Vergleichung des Texasbildes, wie ich mir es in Deutschland gemalt hatte, mit der Texaswirklichkeit auf. Wenn mau mich in Deutschland frug: „Was gedenken Sie in Texas anzusaugen?" so war meine gewöhnliche Antwort: „Ich weiß es nicht, aber ich meine, in einem jungen Staate wie Texas giebt es so viele Be¬ dürfnisse zu befriedigen, daß jede Kraft willkommen sein muß; deshalb will ich mich dem Schicksale überlassen." Vornehmlich reflectirte ich auf Beschäftigung als Feldmesser. Allerdings waren solche Stellen vorhanden, aber sie waren gerade zu der Zeit besetzt, und es mußten noch drei Jahre ins Land gehen, ehe neue Landmesser verlangt wurden. Drei Jahre ist eine lange Zeit für den, welcher wartet; und wer konnte mir dafür bürgen, daß ich dann gewählt werden würde? Gegenwärtig sah ich Land bebaut und unbebaut, sah noch einige Dollars in meiner Börse, und bei einigen mir bekannten Farmern Häuser von Tabak aufgeschichtet; Alles zusammen ergab das Resultat: Die gegenwärtige Baarschaft wird in vier Theile getheilt; der erste Theil wird bestimmt als Pachtzins für 2 Acres Land, um darauf Tabak zu „resen" (ruso); der zweite Theil dient zum Ankauf für reifen Tabak zum Cigarreumachen; mit dem dritten Thejle wird Boarding und Lodging bei meinem Schwager bestritten, und der vierte Theil wird für unvorher- gesehene Falle aufbewahrt. Der so entworfene Lebensplan ward meinen Ver¬ wandten vorgelegt und genehmigt. Unsre Interessen waren somit zwar gesondert, aber wir blieben dennoch immer in so enger Beziehung, daß ich meinen freiwilli¬ gen Beistand bei allen dringenden oder schwierigen Arbeiten, so wie in den Ge¬ schäften des Haushaltes versprechen, nud mein Versprechen halten konnte. Mein Schwager hatte schon im vergangenen Jahre in seinen Garten einige Tabakspflanzen gesetzt, in der Erwartung, daß er von diesen so viel Blätter ernten würde, als er zu seinem eigenen Bedarf gebrauchen konnte; zur Zeit aber, Grenzboten. l. -I8L2. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/139>, abgerufen am 28.04.2024.