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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Luxus und Schönheit im modernen Leben.
Die Entwickelung der französischen Kochkunst.*)

Die classischen Schriftsteller sind reich an Stellen über die Küche und die
Tafelsitten der Griechen und Römer, ihre Angaben sind aber, abgesehen von
ihrem Mangel an Genauigkeit, für die Geschichte der Kochkunst schon deshalb
von geringerer Bedeutung, weil die Völkerwanderung die alte Cultur vernichtete,
und Jahrhunderte vergingen, ehe sich aus den Trümmern Neues zu entwickeln
begann. Erst im Mittelalter bereitete sich eine neue Aera der Kochkunst vor.
Die Gastronomen jener Zeit suchten ihre" Stolz in der Zahl der Gerichte, der
großen Masse der auf die Tafel gebrachten Speisen, oder in der Kostbarkeit sel¬
tener, aber nicht wohlschmeckender Thiere, wie z. B. Pfauen. Ein deutscher
Küchenzettel aus dem Jahre 1303, der älteste, den wir auffinden konnten, kann
einen Begriff von der damals üblichen Bereitung der Speisen geben. Bei der
Einweihung der neuen Hauptkirche zu Weißenfels wurde dem zu der Feierlich-
keit^geladenen Bischof von Naumburg, und der Frau Sophie,- Landgräfin von
Thüringen und Markgräfin von Meißen, damals Aebtissin des dortigen Claren-
klosters, ein Ehrenmahl von der Stadt gegeben. Nach dem hohen Range der
geladenen Herrschaften läßt sich wol vermuthen, daß man ihnen vom Besten
vorgesetzt hat. Der erste Gang bestand aus Eiersuppe mit Safran, Pfefferkör¬
nern und Honig darin; einem Hirsengcmüse; Schaffleisch mit Cypollen (Zwiebeln)
darüber; einem gebratenen Huhn mit Zwetschen. Der zweite Gang ans Stock¬
fisch mit Oel und Rosinen, Bieler in Oel gebacken, gesottenen Aal mit Pfeffer,
geröstetem Pökling mit Senf. Der dritte Gang: Speisefische sauer gesotten;
Parmen gebacken; kleine Vögel in Schmalz gepräckelt mit Rettig; eine Schweins¬
keule mit Gurken. Die Gasterei des zweiten Tages brachte gelb Schweinefleisch,
Eierkuchen mit Honig und Weinbeeren, gebratenen Hering im ersten; kleine
Fische mit Rosinen, kalte Bieler gebraten, "so des vorigen Tages übrig geblie¬
ben", eine gebratene Gans mit rothen Rüben im zweiten; gesottenen Hecht mit
Petersilie, Salat mit Eiern, eine Gallerte mit Mandeln besetzt im dritten Gang.
Das Ganze kostete 8 si. is Gr. 8 pf. "Und damit syn syne Gnaden wol
tofreden gevesen." Wie eine Schöpfung aus einer andern Welt, monströs, ja
grauenhaft von Bildung, ist die Eiersuppe mit Safran, Pfefferkörnern und Ho¬
nig darin, der Stockfisch mit Oel und Rosinen u. f. w. anzuschauen, räthselhaft



^ImanaoN <Iss Kourinanüs, un visux ^matom-. I?si,'is, 1803.
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i^sssizur. Paris, 4 8Ä8.
Hio (Hook, velo U. s. W.
Luxus und Schönheit im modernen Leben.
Die Entwickelung der französischen Kochkunst.*)

Die classischen Schriftsteller sind reich an Stellen über die Küche und die
Tafelsitten der Griechen und Römer, ihre Angaben sind aber, abgesehen von
ihrem Mangel an Genauigkeit, für die Geschichte der Kochkunst schon deshalb
von geringerer Bedeutung, weil die Völkerwanderung die alte Cultur vernichtete,
und Jahrhunderte vergingen, ehe sich aus den Trümmern Neues zu entwickeln
begann. Erst im Mittelalter bereitete sich eine neue Aera der Kochkunst vor.
Die Gastronomen jener Zeit suchten ihre» Stolz in der Zahl der Gerichte, der
großen Masse der auf die Tafel gebrachten Speisen, oder in der Kostbarkeit sel¬
tener, aber nicht wohlschmeckender Thiere, wie z. B. Pfauen. Ein deutscher
Küchenzettel aus dem Jahre 1303, der älteste, den wir auffinden konnten, kann
einen Begriff von der damals üblichen Bereitung der Speisen geben. Bei der
Einweihung der neuen Hauptkirche zu Weißenfels wurde dem zu der Feierlich-
keit^geladenen Bischof von Naumburg, und der Frau Sophie,- Landgräfin von
Thüringen und Markgräfin von Meißen, damals Aebtissin des dortigen Claren-
klosters, ein Ehrenmahl von der Stadt gegeben. Nach dem hohen Range der
geladenen Herrschaften läßt sich wol vermuthen, daß man ihnen vom Besten
vorgesetzt hat. Der erste Gang bestand aus Eiersuppe mit Safran, Pfefferkör¬
nern und Honig darin; einem Hirsengcmüse; Schaffleisch mit Cypollen (Zwiebeln)
darüber; einem gebratenen Huhn mit Zwetschen. Der zweite Gang ans Stock¬
fisch mit Oel und Rosinen, Bieler in Oel gebacken, gesottenen Aal mit Pfeffer,
geröstetem Pökling mit Senf. Der dritte Gang: Speisefische sauer gesotten;
Parmen gebacken; kleine Vögel in Schmalz gepräckelt mit Rettig; eine Schweins¬
keule mit Gurken. Die Gasterei des zweiten Tages brachte gelb Schweinefleisch,
Eierkuchen mit Honig und Weinbeeren, gebratenen Hering im ersten; kleine
Fische mit Rosinen, kalte Bieler gebraten, „so des vorigen Tages übrig geblie¬
ben", eine gebratene Gans mit rothen Rüben im zweiten; gesottenen Hecht mit
Petersilie, Salat mit Eiern, eine Gallerte mit Mandeln besetzt im dritten Gang.
Das Ganze kostete 8 si. is Gr. 8 pf. „Und damit syn syne Gnaden wol
tofreden gevesen." Wie eine Schöpfung aus einer andern Welt, monströs, ja
grauenhaft von Bildung, ist die Eiersuppe mit Safran, Pfefferkörnern und Ho¬
nig darin, der Stockfisch mit Oel und Rosinen u. f. w. anzuschauen, räthselhaft



^ImanaoN <Iss Kourinanüs, un visux ^matom-. I?si,'is, 1803.
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i^sssizur. Paris, 4 8Ä8.
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[0151] Luxus und Schönheit im modernen Leben. Die Entwickelung der französischen Kochkunst.*) Die classischen Schriftsteller sind reich an Stellen über die Küche und die Tafelsitten der Griechen und Römer, ihre Angaben sind aber, abgesehen von ihrem Mangel an Genauigkeit, für die Geschichte der Kochkunst schon deshalb von geringerer Bedeutung, weil die Völkerwanderung die alte Cultur vernichtete, und Jahrhunderte vergingen, ehe sich aus den Trümmern Neues zu entwickeln begann. Erst im Mittelalter bereitete sich eine neue Aera der Kochkunst vor. Die Gastronomen jener Zeit suchten ihre» Stolz in der Zahl der Gerichte, der großen Masse der auf die Tafel gebrachten Speisen, oder in der Kostbarkeit sel¬ tener, aber nicht wohlschmeckender Thiere, wie z. B. Pfauen. Ein deutscher Küchenzettel aus dem Jahre 1303, der älteste, den wir auffinden konnten, kann einen Begriff von der damals üblichen Bereitung der Speisen geben. Bei der Einweihung der neuen Hauptkirche zu Weißenfels wurde dem zu der Feierlich- keit^geladenen Bischof von Naumburg, und der Frau Sophie,- Landgräfin von Thüringen und Markgräfin von Meißen, damals Aebtissin des dortigen Claren- klosters, ein Ehrenmahl von der Stadt gegeben. Nach dem hohen Range der geladenen Herrschaften läßt sich wol vermuthen, daß man ihnen vom Besten vorgesetzt hat. Der erste Gang bestand aus Eiersuppe mit Safran, Pfefferkör¬ nern und Honig darin; einem Hirsengcmüse; Schaffleisch mit Cypollen (Zwiebeln) darüber; einem gebratenen Huhn mit Zwetschen. Der zweite Gang ans Stock¬ fisch mit Oel und Rosinen, Bieler in Oel gebacken, gesottenen Aal mit Pfeffer, geröstetem Pökling mit Senf. Der dritte Gang: Speisefische sauer gesotten; Parmen gebacken; kleine Vögel in Schmalz gepräckelt mit Rettig; eine Schweins¬ keule mit Gurken. Die Gasterei des zweiten Tages brachte gelb Schweinefleisch, Eierkuchen mit Honig und Weinbeeren, gebratenen Hering im ersten; kleine Fische mit Rosinen, kalte Bieler gebraten, „so des vorigen Tages übrig geblie¬ ben", eine gebratene Gans mit rothen Rüben im zweiten; gesottenen Hecht mit Petersilie, Salat mit Eiern, eine Gallerte mit Mandeln besetzt im dritten Gang. Das Ganze kostete 8 si. is Gr. 8 pf. „Und damit syn syne Gnaden wol tofreden gevesen." Wie eine Schöpfung aus einer andern Welt, monströs, ja grauenhaft von Bildung, ist die Eiersuppe mit Safran, Pfefferkörnern und Ho¬ nig darin, der Stockfisch mit Oel und Rosinen u. f. w. anzuschauen, räthselhaft ^ImanaoN <Iss Kourinanüs, un visux ^matom-. I?si,'is, 1803. ?1i^sioIoAio nu <ZoM, on N<zcUl.aUons Kast-ronomi-iuos Muse-LuclerUales par un ?ro- i^sssizur. Paris, 4 8Ä8. Hio (Hook, velo U. s. W.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/151>, abgerufen am 27.04.2024.