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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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letzen. Für Richter's Formendarstellung sind besonders interessant die größeren
Zeichnungen zu Musäus, welche je eine Hauptfigur oder Gruppe zu jedem
Märchen darstellen. Diese gehören ohne Frage zu dem Schönsten, was Richter
in dieser Gattung gemacht hat; allein man darf ihren Werth nicht nach den
etwas stumpfen Lithographien schätzen, sondern die Zeichnungen, welche im
stated'schen Institut in Frankfurt sind, können allein die richtige Vorstellung
von der Grazie und Vollendung dieser Compositionen geben.

Das gilt nun freilich bis zu einem gewissen Grade auch von den Holz¬
schnitten. Richter, der zum großen Theil selbst auf Holz zeichnet^, hat sich sür
diese Compositionen eine einfache, aber feine Manier ausgebildet, welche der
Technik des Holzschneidens entspricht, die jetzt, nicht zum geringsten Theil durch
die Ausgaben, welche Richter ihr gestellt hat, eine bedeutende Ausbildung erreicht
hat und eine ganz feine Behandlung der Strichlagen erlaubt. Den Mißbrauch aber,
den Holzschnitt zu einer Ausführung und zu Tonwirkungen hinaufzuschrauben,
wo er, in das Gebiet des Kupferstichs scheinbar gehoben, seine eigenthümlichen
Vorzüge verliert, hat Richter nie gebilligt noch begünstigt. Was auch in größeren
Blättern sich leisten läßt, hat das erste Heft von "Erbauliches und Be¬
schauliches" gezeigt, in welchem die badenden Kinder ein Juwel reizender
Anmuth und auch in der technischen Ausführung ein Meisterstück sind. Aber
wie unendlich stehen doch selbst die trefflichsten Holzschnitte den Handzeichnungen
des Meisters nach und geben von der Feinheit des künstlerischen Gefühls, das
in diesen sich ausspricht, nur eine entfernte Ahnung.

Daher, wie sehr wir die unerschöpfliche Productivität Richter's in seinen
Illustrationen bewundern, wie dankbar wir uns der schönen Gaben erfreuen,
mit denen er die Gegenwart beschenkt, wollen wir dem Künstler in Wahrheit
gerecht werden, müssen wir ihn mahnen, daß die Nachwelt am dringendsten
nach den großen Werken fragen wird, zu denen er durch sein schönes Talent
berufen ist.




Vergangene Tage,
von Karl Gutzkow. *)

In diesen "vergangenen Tagen" hat Gutzkow die Wally, die bisher von
seinen gesammelten Werken ausgeschlossen war, dem Publicum wieder mitgetheilt,
und außer einer neuen Vorrede zwei auf jenen Roman bezügliche Streitschriften
aus den Jahren 1836 und 1836 hinzugefügt: die "Appellation an den gesun-



Frankfurt a. M. Literarische Anstatt; auch als 4 3. Band der gesammelten Werke.

letzen. Für Richter's Formendarstellung sind besonders interessant die größeren
Zeichnungen zu Musäus, welche je eine Hauptfigur oder Gruppe zu jedem
Märchen darstellen. Diese gehören ohne Frage zu dem Schönsten, was Richter
in dieser Gattung gemacht hat; allein man darf ihren Werth nicht nach den
etwas stumpfen Lithographien schätzen, sondern die Zeichnungen, welche im
stated'schen Institut in Frankfurt sind, können allein die richtige Vorstellung
von der Grazie und Vollendung dieser Compositionen geben.

Das gilt nun freilich bis zu einem gewissen Grade auch von den Holz¬
schnitten. Richter, der zum großen Theil selbst auf Holz zeichnet^, hat sich sür
diese Compositionen eine einfache, aber feine Manier ausgebildet, welche der
Technik des Holzschneidens entspricht, die jetzt, nicht zum geringsten Theil durch
die Ausgaben, welche Richter ihr gestellt hat, eine bedeutende Ausbildung erreicht
hat und eine ganz feine Behandlung der Strichlagen erlaubt. Den Mißbrauch aber,
den Holzschnitt zu einer Ausführung und zu Tonwirkungen hinaufzuschrauben,
wo er, in das Gebiet des Kupferstichs scheinbar gehoben, seine eigenthümlichen
Vorzüge verliert, hat Richter nie gebilligt noch begünstigt. Was auch in größeren
Blättern sich leisten läßt, hat das erste Heft von „Erbauliches und Be¬
schauliches" gezeigt, in welchem die badenden Kinder ein Juwel reizender
Anmuth und auch in der technischen Ausführung ein Meisterstück sind. Aber
wie unendlich stehen doch selbst die trefflichsten Holzschnitte den Handzeichnungen
des Meisters nach und geben von der Feinheit des künstlerischen Gefühls, das
in diesen sich ausspricht, nur eine entfernte Ahnung.

Daher, wie sehr wir die unerschöpfliche Productivität Richter's in seinen
Illustrationen bewundern, wie dankbar wir uns der schönen Gaben erfreuen,
mit denen er die Gegenwart beschenkt, wollen wir dem Künstler in Wahrheit
gerecht werden, müssen wir ihn mahnen, daß die Nachwelt am dringendsten
nach den großen Werken fragen wird, zu denen er durch sein schönes Talent
berufen ist.




Vergangene Tage,
von Karl Gutzkow. *)

In diesen „vergangenen Tagen" hat Gutzkow die Wally, die bisher von
seinen gesammelten Werken ausgeschlossen war, dem Publicum wieder mitgetheilt,
und außer einer neuen Vorrede zwei auf jenen Roman bezügliche Streitschriften
aus den Jahren 1836 und 1836 hinzugefügt: die „Appellation an den gesun-



Frankfurt a. M. Literarische Anstatt; auch als 4 3. Band der gesammelten Werke.
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[0226] letzen. Für Richter's Formendarstellung sind besonders interessant die größeren Zeichnungen zu Musäus, welche je eine Hauptfigur oder Gruppe zu jedem Märchen darstellen. Diese gehören ohne Frage zu dem Schönsten, was Richter in dieser Gattung gemacht hat; allein man darf ihren Werth nicht nach den etwas stumpfen Lithographien schätzen, sondern die Zeichnungen, welche im stated'schen Institut in Frankfurt sind, können allein die richtige Vorstellung von der Grazie und Vollendung dieser Compositionen geben. Das gilt nun freilich bis zu einem gewissen Grade auch von den Holz¬ schnitten. Richter, der zum großen Theil selbst auf Holz zeichnet^, hat sich sür diese Compositionen eine einfache, aber feine Manier ausgebildet, welche der Technik des Holzschneidens entspricht, die jetzt, nicht zum geringsten Theil durch die Ausgaben, welche Richter ihr gestellt hat, eine bedeutende Ausbildung erreicht hat und eine ganz feine Behandlung der Strichlagen erlaubt. Den Mißbrauch aber, den Holzschnitt zu einer Ausführung und zu Tonwirkungen hinaufzuschrauben, wo er, in das Gebiet des Kupferstichs scheinbar gehoben, seine eigenthümlichen Vorzüge verliert, hat Richter nie gebilligt noch begünstigt. Was auch in größeren Blättern sich leisten läßt, hat das erste Heft von „Erbauliches und Be¬ schauliches" gezeigt, in welchem die badenden Kinder ein Juwel reizender Anmuth und auch in der technischen Ausführung ein Meisterstück sind. Aber wie unendlich stehen doch selbst die trefflichsten Holzschnitte den Handzeichnungen des Meisters nach und geben von der Feinheit des künstlerischen Gefühls, das in diesen sich ausspricht, nur eine entfernte Ahnung. Daher, wie sehr wir die unerschöpfliche Productivität Richter's in seinen Illustrationen bewundern, wie dankbar wir uns der schönen Gaben erfreuen, mit denen er die Gegenwart beschenkt, wollen wir dem Künstler in Wahrheit gerecht werden, müssen wir ihn mahnen, daß die Nachwelt am dringendsten nach den großen Werken fragen wird, zu denen er durch sein schönes Talent berufen ist. Vergangene Tage, von Karl Gutzkow. *) In diesen „vergangenen Tagen" hat Gutzkow die Wally, die bisher von seinen gesammelten Werken ausgeschlossen war, dem Publicum wieder mitgetheilt, und außer einer neuen Vorrede zwei auf jenen Roman bezügliche Streitschriften aus den Jahren 1836 und 1836 hinzugefügt: die „Appellation an den gesun- Frankfurt a. M. Literarische Anstatt; auch als 4 3. Band der gesammelten Werke.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/226>, abgerufen am 27.04.2024.