Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

leiten der Gegenwart klar zu machen, und ich denke, das wird mir gelungen
sein. Mehr als irgend eine andere Kunsttechnik ist der Ziukguß befähigt, den
Sinn für das Schöne in die weitesten Kreise zu tragen, weil er die reine, voll¬
endet schöne Form in sein metallisches Material aufzunehmen, sie mit den edelsten
Farbentönen dauerhaft und wetterbeständig zu überziehen vermag, und weil
zugleich das heimische Bergprodnct des Zinkes in den Stand setzt, wahre und
A. G. schöne Kunstgestaltungen zu den wohlfeilsten Preisen herzustellen.




Mot"lrin und Godwin.

Wir wollten einige Notizen über Shelley's literarische Familie mittheilen;
wir fügen einen Dichter hinzu, der nicht nur auf seine Landsleute, sondern nament¬
lich auch auf die neufranzösischen Dichter einen großen Einfluß geübt hat. Es
ist Maturin, ein irischer Pfarrer, der im Jahre 1824 starb. Er ist der speci¬
fische Dichter des Wunderbaren und des symbolischen, und mit einem großen
Talent ausgestattet, das aber bei seinem verwilderten Geschmack zu keiner reinen
Form durchdringen konnte. In der Häufung überirdischer Erscheinungen in seinen
Romanen vergaß er die Grundregel für die dichterische Anwendung des Uebersinn¬
lichen, daß nämlich der Schauer uns nur bei dem ersten Stoß ergreifen kann,
daß, wenn dieser ohne Wirkung überstanden ist, alle weiteren Erfindungen
ihren Zweck verfehlen; denn wenn die Phantasie einmal gewarnt ist, so macht
jeder Versuch, sie zu erschrecken, nnr einen komischen Eindruck. Man ge¬
wöhnt sich an die Gespenster, wenn man mit ihnen, wie Macbeth, zu Nacht ge¬
speist hat; alsdann erregen auch die unheimlichsten Töne kein Entsetzen mehr. --
Ein zweiter Fehler ist der Mangel eines richtigen Verhältnisses zwischen der an¬
gewendeten Maschinerie und den Wirkungen. Wenn wir die ungeheuersten Er¬
folge aus einem ersten Motiv hervorgehen sehen, das wir nachher bei der Auf¬
lösung als absurd verachten müssen, oder wenn wir ein überschwängliches, spiritualisti-
sches Princip im Dienste der nichtigsten Zwecke finden, so hebt der Verdruß über
diese schlechte Uebereinstimmung zwischen Ursache und Wirkung allen Eindruck
ans, den auch das bedeutendste Talent ans uns machen kann. Das bloße Walten
des Zufalls gehört nicht in die Poesie. -- Die Romane Maturin's, auf welche
diese Bemerkungen Anwendung finden, sind: NoMorio (1807); 'lAs Mlsswn
cock (1811); ?1i<z wilcl 5risd do^; NelWvtN ete ^vanäerer (die Geschichte von
einem hochbegabten Menschen, der durch die Gabe der Allwissenheit unglücklich
wird, weil dadurch seiue Illusionen, seine Wünsche und seine Hoffnungen auf¬
hören); tke> ^,1dis'c;ii3<zö, und der letzte: ^Vomer, or pour et contre (1818).
Der letzte Roman ist der beste; er ist zwar auch sehr wild, aber die materielle"


leiten der Gegenwart klar zu machen, und ich denke, das wird mir gelungen
sein. Mehr als irgend eine andere Kunsttechnik ist der Ziukguß befähigt, den
Sinn für das Schöne in die weitesten Kreise zu tragen, weil er die reine, voll¬
endet schöne Form in sein metallisches Material aufzunehmen, sie mit den edelsten
Farbentönen dauerhaft und wetterbeständig zu überziehen vermag, und weil
zugleich das heimische Bergprodnct des Zinkes in den Stand setzt, wahre und
A. G. schöne Kunstgestaltungen zu den wohlfeilsten Preisen herzustellen.




Mot»lrin und Godwin.

Wir wollten einige Notizen über Shelley's literarische Familie mittheilen;
wir fügen einen Dichter hinzu, der nicht nur auf seine Landsleute, sondern nament¬
lich auch auf die neufranzösischen Dichter einen großen Einfluß geübt hat. Es
ist Maturin, ein irischer Pfarrer, der im Jahre 1824 starb. Er ist der speci¬
fische Dichter des Wunderbaren und des symbolischen, und mit einem großen
Talent ausgestattet, das aber bei seinem verwilderten Geschmack zu keiner reinen
Form durchdringen konnte. In der Häufung überirdischer Erscheinungen in seinen
Romanen vergaß er die Grundregel für die dichterische Anwendung des Uebersinn¬
lichen, daß nämlich der Schauer uns nur bei dem ersten Stoß ergreifen kann,
daß, wenn dieser ohne Wirkung überstanden ist, alle weiteren Erfindungen
ihren Zweck verfehlen; denn wenn die Phantasie einmal gewarnt ist, so macht
jeder Versuch, sie zu erschrecken, nnr einen komischen Eindruck. Man ge¬
wöhnt sich an die Gespenster, wenn man mit ihnen, wie Macbeth, zu Nacht ge¬
speist hat; alsdann erregen auch die unheimlichsten Töne kein Entsetzen mehr. —
Ein zweiter Fehler ist der Mangel eines richtigen Verhältnisses zwischen der an¬
gewendeten Maschinerie und den Wirkungen. Wenn wir die ungeheuersten Er¬
folge aus einem ersten Motiv hervorgehen sehen, das wir nachher bei der Auf¬
lösung als absurd verachten müssen, oder wenn wir ein überschwängliches, spiritualisti-
sches Princip im Dienste der nichtigsten Zwecke finden, so hebt der Verdruß über
diese schlechte Uebereinstimmung zwischen Ursache und Wirkung allen Eindruck
ans, den auch das bedeutendste Talent ans uns machen kann. Das bloße Walten
des Zufalls gehört nicht in die Poesie. — Die Romane Maturin's, auf welche
diese Bemerkungen Anwendung finden, sind: NoMorio (1807); 'lAs Mlsswn
cock (1811); ?1i<z wilcl 5risd do^; NelWvtN ete ^vanäerer (die Geschichte von
einem hochbegabten Menschen, der durch die Gabe der Allwissenheit unglücklich
wird, weil dadurch seiue Illusionen, seine Wünsche und seine Hoffnungen auf¬
hören); tke> ^,1dis'c;ii3<zö, und der letzte: ^Vomer, or pour et contre (1818).
Der letzte Roman ist der beste; er ist zwar auch sehr wild, aber die materielle«


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93708"/>
          <p xml:id="ID_913" prev="#ID_912"> leiten der Gegenwart klar zu machen, und ich denke, das wird mir gelungen<lb/>
sein. Mehr als irgend eine andere Kunsttechnik ist der Ziukguß befähigt, den<lb/>
Sinn für das Schöne in die weitesten Kreise zu tragen, weil er die reine, voll¬<lb/>
endet schöne Form in sein metallisches Material aufzunehmen, sie mit den edelsten<lb/>
Farbentönen dauerhaft und wetterbeständig zu überziehen vermag, und weil<lb/>
zugleich das heimische Bergprodnct des Zinkes in den Stand setzt, wahre und<lb/><note type="byline"> A. G.</note> schöne Kunstgestaltungen zu den wohlfeilsten Preisen herzustellen.   </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Mot»lrin und Godwin.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_914"> Wir wollten einige Notizen über Shelley's literarische Familie mittheilen;<lb/>
wir fügen einen Dichter hinzu, der nicht nur auf seine Landsleute, sondern nament¬<lb/>
lich auch auf die neufranzösischen Dichter einen großen Einfluß geübt hat. Es<lb/>
ist Maturin, ein irischer Pfarrer, der im Jahre 1824 starb. Er ist der speci¬<lb/>
fische Dichter des Wunderbaren und des symbolischen, und mit einem großen<lb/>
Talent ausgestattet, das aber bei seinem verwilderten Geschmack zu keiner reinen<lb/>
Form durchdringen konnte. In der Häufung überirdischer Erscheinungen in seinen<lb/>
Romanen vergaß er die Grundregel für die dichterische Anwendung des Uebersinn¬<lb/>
lichen, daß nämlich der Schauer uns nur bei dem ersten Stoß ergreifen kann,<lb/>
daß, wenn dieser ohne Wirkung überstanden ist, alle weiteren Erfindungen<lb/>
ihren Zweck verfehlen; denn wenn die Phantasie einmal gewarnt ist, so macht<lb/>
jeder Versuch, sie zu erschrecken, nnr einen komischen Eindruck. Man ge¬<lb/>
wöhnt sich an die Gespenster, wenn man mit ihnen, wie Macbeth, zu Nacht ge¬<lb/>
speist hat; alsdann erregen auch die unheimlichsten Töne kein Entsetzen mehr. &#x2014;<lb/>
Ein zweiter Fehler ist der Mangel eines richtigen Verhältnisses zwischen der an¬<lb/>
gewendeten Maschinerie und den Wirkungen. Wenn wir die ungeheuersten Er¬<lb/>
folge aus einem ersten Motiv hervorgehen sehen, das wir nachher bei der Auf¬<lb/>
lösung als absurd verachten müssen, oder wenn wir ein überschwängliches, spiritualisti-<lb/>
sches Princip im Dienste der nichtigsten Zwecke finden, so hebt der Verdruß über<lb/>
diese schlechte Uebereinstimmung zwischen Ursache und Wirkung allen Eindruck<lb/>
ans, den auch das bedeutendste Talent ans uns machen kann. Das bloße Walten<lb/>
des Zufalls gehört nicht in die Poesie. &#x2014; Die Romane Maturin's, auf welche<lb/>
diese Bemerkungen Anwendung finden, sind: NoMorio (1807); 'lAs Mlsswn<lb/>
cock (1811); ?1i&lt;z wilcl 5risd do^; NelWvtN ete ^vanäerer (die Geschichte von<lb/>
einem hochbegabten Menschen, der durch die Gabe der Allwissenheit unglücklich<lb/>
wird, weil dadurch seiue Illusionen, seine Wünsche und seine Hoffnungen auf¬<lb/>
hören); tke&gt; ^,1dis'c;ii3&lt;zö, und der letzte: ^Vomer, or pour et contre (1818).<lb/>
Der letzte Roman ist der beste; er ist zwar auch sehr wild, aber die materielle«</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0343] leiten der Gegenwart klar zu machen, und ich denke, das wird mir gelungen sein. Mehr als irgend eine andere Kunsttechnik ist der Ziukguß befähigt, den Sinn für das Schöne in die weitesten Kreise zu tragen, weil er die reine, voll¬ endet schöne Form in sein metallisches Material aufzunehmen, sie mit den edelsten Farbentönen dauerhaft und wetterbeständig zu überziehen vermag, und weil zugleich das heimische Bergprodnct des Zinkes in den Stand setzt, wahre und A. G. schöne Kunstgestaltungen zu den wohlfeilsten Preisen herzustellen. Mot»lrin und Godwin. Wir wollten einige Notizen über Shelley's literarische Familie mittheilen; wir fügen einen Dichter hinzu, der nicht nur auf seine Landsleute, sondern nament¬ lich auch auf die neufranzösischen Dichter einen großen Einfluß geübt hat. Es ist Maturin, ein irischer Pfarrer, der im Jahre 1824 starb. Er ist der speci¬ fische Dichter des Wunderbaren und des symbolischen, und mit einem großen Talent ausgestattet, das aber bei seinem verwilderten Geschmack zu keiner reinen Form durchdringen konnte. In der Häufung überirdischer Erscheinungen in seinen Romanen vergaß er die Grundregel für die dichterische Anwendung des Uebersinn¬ lichen, daß nämlich der Schauer uns nur bei dem ersten Stoß ergreifen kann, daß, wenn dieser ohne Wirkung überstanden ist, alle weiteren Erfindungen ihren Zweck verfehlen; denn wenn die Phantasie einmal gewarnt ist, so macht jeder Versuch, sie zu erschrecken, nnr einen komischen Eindruck. Man ge¬ wöhnt sich an die Gespenster, wenn man mit ihnen, wie Macbeth, zu Nacht ge¬ speist hat; alsdann erregen auch die unheimlichsten Töne kein Entsetzen mehr. — Ein zweiter Fehler ist der Mangel eines richtigen Verhältnisses zwischen der an¬ gewendeten Maschinerie und den Wirkungen. Wenn wir die ungeheuersten Er¬ folge aus einem ersten Motiv hervorgehen sehen, das wir nachher bei der Auf¬ lösung als absurd verachten müssen, oder wenn wir ein überschwängliches, spiritualisti- sches Princip im Dienste der nichtigsten Zwecke finden, so hebt der Verdruß über diese schlechte Uebereinstimmung zwischen Ursache und Wirkung allen Eindruck ans, den auch das bedeutendste Talent ans uns machen kann. Das bloße Walten des Zufalls gehört nicht in die Poesie. — Die Romane Maturin's, auf welche diese Bemerkungen Anwendung finden, sind: NoMorio (1807); 'lAs Mlsswn cock (1811); ?1i<z wilcl 5risd do^; NelWvtN ete ^vanäerer (die Geschichte von einem hochbegabten Menschen, der durch die Gabe der Allwissenheit unglücklich wird, weil dadurch seiue Illusionen, seine Wünsche und seine Hoffnungen auf¬ hören); tke> ^,1dis'c;ii3<zö, und der letzte: ^Vomer, or pour et contre (1818). Der letzte Roman ist der beste; er ist zwar auch sehr wild, aber die materielle«

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/343
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/343>, abgerufen am 27.04.2024.