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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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zum Luxus ein Faß Syrup in Aussicht gestellt; denn Speck in Syrup getaucht
ist ein Labsal für den Texaner.

Am Abend nach meinem ersten Debüt als Arbeiter, aß auch ich Maisbrod
und Speck mit Behagen, und freute mich auf den Syrup dazu! -- Auf Sy¬
rup! -- Ich calculirte, daß eine große Veränderung in mir vorgegangen sein
müsse.




Luxus und Schönheit im modernen Leben.
Der Ungarwein.

Ein lustiges Mährchen erzählt, daß ein Menschenkind durch gute Erdgeister
in einen ungeheuern Keller geführt worden ist, welcher von außen verschüttet
war und den seit vielen hundert Jahren keines Menschen Fuß betreten hatte.
Da lagen in unabsehbaren Reihen uralte Weinfässer, deren Reifen und Dauben
vor Alter ganz zerfallen waren, aber der Weinstein hatte ein graues Hans um
den schönen Trank gebildet, welcher darin klar, goldgelb und dick wie Oel
schlummerte. Und unten am Boden standen in demselben Keller unzählige
Flaschen, jede mit einem weißen dicken Puderkopf von feinem Schimmel, und mit
einem grünlichen Pelz von noch zarterem Schimmel; ein' entzückender Anblick
für jedes Menschenauge. -- Freilich ist wenig Hoffnung vorhanden, daß ein
solcher verschütteter Keller gegenwärtig noch existirt, wenn er aber irgendwo
liegt, so kann dies nnr in einem Lande sein, und dieses Land ist Ungarn. Hat
doch das ganze Land so viel Märchenhaftes wie kaum ein anderes ans Erden.
Von den Karpathen bis zur save hinab überall die stärksten Gegensätze im
Menschenleben und im Leben der Natur dicht ueben einander: Völkergewimmel,
blutige Heldenthaten, Husaren, Cfikose, Zigeuner, Geigenspiel, Csardas u. s. w.
Dort giebt es auch noch abenteuerliche Keller, uralten zauberischen Wein und
riesige Fäßer von Holz und Stein, gleichsam Ueberreste aus den Weingeschästen
jenes untergegangenen Riesenvolkes, welches in dem Felsgestein die Spur seiner
Füße zurückzulassen pflegte, so oft es beim Tanz ausstalnpste und welches die
Wasser kleiner Seen beim Verdünnen seines starken Haustrunts auszuschöpfen
bemüßigt war. -- Wenn man jetzt z. B. von Ofen ans nach Süden in die
Weinberge von Tvtvny fährt, kann man einen solchen Nicsenweinkeller sehen; die
Leute nennen ihn Nußgraben. Noch gegenwärtig können in dem benutzten Theile
gegen 30,000 Eimer Wein sehr behaglich liegen und die ganze Ausdehnung des
Kellers hat kaum einer der jetzt lebenden Menschen ergründet. Meilenlang soll
er sich fortziehen bis nach Ofen hin, eine Wölbung nach der andern, bald hoch
bald niedrig, verständig und mühsam in Sandstein gehalten. Und wer die Riesen-


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zum Luxus ein Faß Syrup in Aussicht gestellt; denn Speck in Syrup getaucht
ist ein Labsal für den Texaner.

Am Abend nach meinem ersten Debüt als Arbeiter, aß auch ich Maisbrod
und Speck mit Behagen, und freute mich auf den Syrup dazu! — Auf Sy¬
rup! — Ich calculirte, daß eine große Veränderung in mir vorgegangen sein
müsse.




Luxus und Schönheit im modernen Leben.
Der Ungarwein.

Ein lustiges Mährchen erzählt, daß ein Menschenkind durch gute Erdgeister
in einen ungeheuern Keller geführt worden ist, welcher von außen verschüttet
war und den seit vielen hundert Jahren keines Menschen Fuß betreten hatte.
Da lagen in unabsehbaren Reihen uralte Weinfässer, deren Reifen und Dauben
vor Alter ganz zerfallen waren, aber der Weinstein hatte ein graues Hans um
den schönen Trank gebildet, welcher darin klar, goldgelb und dick wie Oel
schlummerte. Und unten am Boden standen in demselben Keller unzählige
Flaschen, jede mit einem weißen dicken Puderkopf von feinem Schimmel, und mit
einem grünlichen Pelz von noch zarterem Schimmel; ein' entzückender Anblick
für jedes Menschenauge. — Freilich ist wenig Hoffnung vorhanden, daß ein
solcher verschütteter Keller gegenwärtig noch existirt, wenn er aber irgendwo
liegt, so kann dies nnr in einem Lande sein, und dieses Land ist Ungarn. Hat
doch das ganze Land so viel Märchenhaftes wie kaum ein anderes ans Erden.
Von den Karpathen bis zur save hinab überall die stärksten Gegensätze im
Menschenleben und im Leben der Natur dicht ueben einander: Völkergewimmel,
blutige Heldenthaten, Husaren, Cfikose, Zigeuner, Geigenspiel, Csardas u. s. w.
Dort giebt es auch noch abenteuerliche Keller, uralten zauberischen Wein und
riesige Fäßer von Holz und Stein, gleichsam Ueberreste aus den Weingeschästen
jenes untergegangenen Riesenvolkes, welches in dem Felsgestein die Spur seiner
Füße zurückzulassen pflegte, so oft es beim Tanz ausstalnpste und welches die
Wasser kleiner Seen beim Verdünnen seines starken Haustrunts auszuschöpfen
bemüßigt war. — Wenn man jetzt z. B. von Ofen ans nach Süden in die
Weinberge von Tvtvny fährt, kann man einen solchen Nicsenweinkeller sehen; die
Leute nennen ihn Nußgraben. Noch gegenwärtig können in dem benutzten Theile
gegen 30,000 Eimer Wein sehr behaglich liegen und die ganze Ausdehnung des
Kellers hat kaum einer der jetzt lebenden Menschen ergründet. Meilenlang soll
er sich fortziehen bis nach Ofen hin, eine Wölbung nach der andern, bald hoch
bald niedrig, verständig und mühsam in Sandstein gehalten. Und wer die Riesen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/35>, abgerufen am 28.04.2024.