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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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meistentheils Angehörige und Verwandte der Hanptmiether. Die gesammte Be¬
völkerung betrug etwa achthundert Seelen, darunter ungefähr vierhundert Kinder.
Um das überraschende Gedeihen der Gesellschaft und ihrer wohlthätigen Zwecke
zu beurtheilen, bedarf es nur der Bemerkung/ daß am 14. October 184Y die
ersten Miether, 14 Familien, etwa 70 Köpfe stark, in die damals vollendeten
Genossenschaftshäuser eingeführt wurden.

Es wäre überflüssig, wollten wir dem Wirken der Gesellschaft (deren Vor¬
sitzender der Prinz von Preußen ist) nach so schlagenden Thatsachen noch eine
Lobrede halten. Wir kommen nur noch einmal auf die Muster zurück, welche ihr
zu Gebote standen, um von ihr übertreffen zu werden, und schließen mit einer
historischen Notiz. Jahrhunderte, bevor mau in England an ähnliche Einrichtungen
dachte, rief sie ein deutscher Handelsherr aus eigenen Mitteln auf eine wahrhaft
großartige Weise in das Leben. Dieser Handelsherr war der Augsburger Lein¬
weber Jacob Fugger, welcher zu Ende des fünfzehnten und zu Anfang des sech¬
zehnten Jahrhunderts lebte, der reichste Mann seiner Zeit. Er erkannte als
eine Hauptbeschwerde der armen Handarbeiter seiner Vaterstadt die starken Miethen
und Hauszinse, die ihnen so viel hinwegnahmen, daß ihnen zum Unterhalte des
Lebens nicht genng mehr übrig blieb. Fugger kaufte in der Jakober Vorstadt
zu Augsburg einen großen Platz von Häusern und Gärten, ließ darauf 106 kleine
Häuser erbauen "ut zu Wohnungen für unbemittelte, aber arbeitsame Familien
Herrichten. Zur Unterhaltung der Stiftung bestimmte er, außer dem sehr geringen
Miethzinse, ein eigens dazu ausgesetztes, uicht unbedeutendes Capital. Die An¬
lage besteht noch heute zum Ruhme ihres Stifters unter dem Namen der "Fuggerci."
Mit der Beschaffung wohlfeiler Wohnungen den Gedanken der Eigenthums-Erwer-
bung praktisch zu verbinden, blieb der Gegenwart vorbehalten.




Eine geschichtliche Lehre für die Stellung Kurhesseus
zum Zollverein.

Wir wollen die Leser dieser Blätter nicht in das mannichfaltige Gewirre und
in die Actenstöße der Zollcinigungs-Verhandlungen und Pläne hineinzuziehen
suchen. Ein kleines, aber belehrendes Fragment aus den Controversen des Zoll¬
vereins mit den kleineren deutschön Staaten, möchten wir zum Nutzen derer, die
es angeht, hier vorüberführen.

Die Bedeutung Kurhesseus sür den Verband der preußisch-deutschen, wie .der
deutsch-östreichischen Zolleiuiguug ist ans beiden Seiten recht wohl erkannt worden.


meistentheils Angehörige und Verwandte der Hanptmiether. Die gesammte Be¬
völkerung betrug etwa achthundert Seelen, darunter ungefähr vierhundert Kinder.
Um das überraschende Gedeihen der Gesellschaft und ihrer wohlthätigen Zwecke
zu beurtheilen, bedarf es nur der Bemerkung/ daß am 14. October 184Y die
ersten Miether, 14 Familien, etwa 70 Köpfe stark, in die damals vollendeten
Genossenschaftshäuser eingeführt wurden.

Es wäre überflüssig, wollten wir dem Wirken der Gesellschaft (deren Vor¬
sitzender der Prinz von Preußen ist) nach so schlagenden Thatsachen noch eine
Lobrede halten. Wir kommen nur noch einmal auf die Muster zurück, welche ihr
zu Gebote standen, um von ihr übertreffen zu werden, und schließen mit einer
historischen Notiz. Jahrhunderte, bevor mau in England an ähnliche Einrichtungen
dachte, rief sie ein deutscher Handelsherr aus eigenen Mitteln auf eine wahrhaft
großartige Weise in das Leben. Dieser Handelsherr war der Augsburger Lein¬
weber Jacob Fugger, welcher zu Ende des fünfzehnten und zu Anfang des sech¬
zehnten Jahrhunderts lebte, der reichste Mann seiner Zeit. Er erkannte als
eine Hauptbeschwerde der armen Handarbeiter seiner Vaterstadt die starken Miethen
und Hauszinse, die ihnen so viel hinwegnahmen, daß ihnen zum Unterhalte des
Lebens nicht genng mehr übrig blieb. Fugger kaufte in der Jakober Vorstadt
zu Augsburg einen großen Platz von Häusern und Gärten, ließ darauf 106 kleine
Häuser erbauen »ut zu Wohnungen für unbemittelte, aber arbeitsame Familien
Herrichten. Zur Unterhaltung der Stiftung bestimmte er, außer dem sehr geringen
Miethzinse, ein eigens dazu ausgesetztes, uicht unbedeutendes Capital. Die An¬
lage besteht noch heute zum Ruhme ihres Stifters unter dem Namen der „Fuggerci."
Mit der Beschaffung wohlfeiler Wohnungen den Gedanken der Eigenthums-Erwer-
bung praktisch zu verbinden, blieb der Gegenwart vorbehalten.




Eine geschichtliche Lehre für die Stellung Kurhesseus
zum Zollverein.

Wir wollen die Leser dieser Blätter nicht in das mannichfaltige Gewirre und
in die Actenstöße der Zollcinigungs-Verhandlungen und Pläne hineinzuziehen
suchen. Ein kleines, aber belehrendes Fragment aus den Controversen des Zoll¬
vereins mit den kleineren deutschön Staaten, möchten wir zum Nutzen derer, die
es angeht, hier vorüberführen.

Die Bedeutung Kurhesseus sür den Verband der preußisch-deutschen, wie .der
deutsch-östreichischen Zolleiuiguug ist ans beiden Seiten recht wohl erkannt worden.


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[0022] meistentheils Angehörige und Verwandte der Hanptmiether. Die gesammte Be¬ völkerung betrug etwa achthundert Seelen, darunter ungefähr vierhundert Kinder. Um das überraschende Gedeihen der Gesellschaft und ihrer wohlthätigen Zwecke zu beurtheilen, bedarf es nur der Bemerkung/ daß am 14. October 184Y die ersten Miether, 14 Familien, etwa 70 Köpfe stark, in die damals vollendeten Genossenschaftshäuser eingeführt wurden. Es wäre überflüssig, wollten wir dem Wirken der Gesellschaft (deren Vor¬ sitzender der Prinz von Preußen ist) nach so schlagenden Thatsachen noch eine Lobrede halten. Wir kommen nur noch einmal auf die Muster zurück, welche ihr zu Gebote standen, um von ihr übertreffen zu werden, und schließen mit einer historischen Notiz. Jahrhunderte, bevor mau in England an ähnliche Einrichtungen dachte, rief sie ein deutscher Handelsherr aus eigenen Mitteln auf eine wahrhaft großartige Weise in das Leben. Dieser Handelsherr war der Augsburger Lein¬ weber Jacob Fugger, welcher zu Ende des fünfzehnten und zu Anfang des sech¬ zehnten Jahrhunderts lebte, der reichste Mann seiner Zeit. Er erkannte als eine Hauptbeschwerde der armen Handarbeiter seiner Vaterstadt die starken Miethen und Hauszinse, die ihnen so viel hinwegnahmen, daß ihnen zum Unterhalte des Lebens nicht genng mehr übrig blieb. Fugger kaufte in der Jakober Vorstadt zu Augsburg einen großen Platz von Häusern und Gärten, ließ darauf 106 kleine Häuser erbauen »ut zu Wohnungen für unbemittelte, aber arbeitsame Familien Herrichten. Zur Unterhaltung der Stiftung bestimmte er, außer dem sehr geringen Miethzinse, ein eigens dazu ausgesetztes, uicht unbedeutendes Capital. Die An¬ lage besteht noch heute zum Ruhme ihres Stifters unter dem Namen der „Fuggerci." Mit der Beschaffung wohlfeiler Wohnungen den Gedanken der Eigenthums-Erwer- bung praktisch zu verbinden, blieb der Gegenwart vorbehalten. Eine geschichtliche Lehre für die Stellung Kurhesseus zum Zollverein. Wir wollen die Leser dieser Blätter nicht in das mannichfaltige Gewirre und in die Actenstöße der Zollcinigungs-Verhandlungen und Pläne hineinzuziehen suchen. Ein kleines, aber belehrendes Fragment aus den Controversen des Zoll¬ vereins mit den kleineren deutschön Staaten, möchten wir zum Nutzen derer, die es angeht, hier vorüberführen. Die Bedeutung Kurhesseus sür den Verband der preußisch-deutschen, wie .der deutsch-östreichischen Zolleiuiguug ist ans beiden Seiten recht wohl erkannt worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/22>, abgerufen am 02.05.2024.