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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Kldenburger Zustände.'
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Heuer- oder Miethleute, die dem Bauer als solche zu gewissen Diensten bei
seinem Ackerbau verpflichtet sind, bilden ein regelmäßiges Zubehör der Stelle.
Dieses Verhältniß, das, wenigstens in den nicht friesischen Theilen des Herzogthums,
ans der Leibeigenschaft und strengen Hörigkeit entsprungen, ist ein durchaus frei¬
williges, nicht drückendes. Die strenge Hörigkeit bestand im oldenbnrger Münster¬
lande bis 181-1, doch war sie von milderer Form als anderswo. - Sie legte so-
wol den Gutsherren -- unter denen es viele Adelige gab -- als den Hörigen
Verpflichtungen auf. Der Hörige mußte geloben, treu, hold und gewärtig
zu sein; er mußte, soweit es die hergebrachten Pflichten forderten, Gehorsam beweisen,
widrigenfalls ihm der Gutsherr eine Züchtigung auferlegen, ihn z. B. vier und-
zwanzig Stunden lang bei Wasser und Brod in einer Kammer oder auf eine
Stunde in den spanischen Mantel, eine hölzerne Maschine mit Armlöchern, sperren
konnte. Dagegen mußte der Gutsherr dem Hörigen gegen ein Lösegeld von
höchstens hundert Thalern den Freiheitsbrief ertheilen, wenn Letzterer sich ans
eine andere Stelle verheirathen, ein Handwerk erlernen, sich den Studien widmen
oder ins Kloster gehen wollte. Jedes Kind des Hörigen mußte, sobald es ein
gewisses Alter erreicht hatte, dem Gutsherrn ein halbes Jahr laug Gesindedienste
leisten -- eine Pflicht, der sie meist gern nachkamen, da sich auf dem Hofe des
Gutsherrn Gelegenheit fand, etwas Nützliches zu lernen, vielleicht anch sein Glück
zu machen. Die landesherrlichen Hörigen Pflegten den Zwangsdienst, das männ¬
liche Geschlecht mit vier, das weibliche mit zwei Thalern abzukaufen. Bei Ueber¬
lieferung der Abgaben bewirthete der Gutsherr den Pflichtigen mit einer Mahlzeit
oder einem "Bier" auf seinem Hofe. So verspeisten zwanzig landesherrliche Eigen-
behörige jährlich von den, zwanzig abgelieferten Schafen eines in lueur-i, und
vertrauten den Werth eines zweiten. Dies ist die Schafzechzeit in dem Flecken
Lohne am zweiten Pfingsttage, die bis in die neueste Zeit bestanden hat.

Gegenwärtig, wo dieses Verhältniß der Hörigkeit aufgehört hat, sind die
Heuerleute dem Gutsherrn oder Zeller nicht mehr persönlich untergeben, wol aber
unterstützen sie ihn beim Pflügen, Säen, Ernten und Dreschen unentgeldlich oder
gegen eine geringe Vergütung -- ein Verhältniß, das ganz zweckmäßig erscheint.
Die Hcnerhäuser, die bei größeren Stellen bis auf zwölf steigen, werden im
Münsterlande mit 18--2L Scheffel Saat Landes verpachtet, wobei der Heuermann
vier Thaler für seine Wohnung und einen Thaler sür den Scheffel Saat
entrichtet.

Selten kann der Hcnermann von seinem Ackerbau allein leben; entweder
treibt er ein Handwerk nebenher, taglöhnert, oder geht zum GraSmähen, Torf-


Kldenburger Zustände.'
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Heuer- oder Miethleute, die dem Bauer als solche zu gewissen Diensten bei
seinem Ackerbau verpflichtet sind, bilden ein regelmäßiges Zubehör der Stelle.
Dieses Verhältniß, das, wenigstens in den nicht friesischen Theilen des Herzogthums,
ans der Leibeigenschaft und strengen Hörigkeit entsprungen, ist ein durchaus frei¬
williges, nicht drückendes. Die strenge Hörigkeit bestand im oldenbnrger Münster¬
lande bis 181-1, doch war sie von milderer Form als anderswo. - Sie legte so-
wol den Gutsherren — unter denen es viele Adelige gab — als den Hörigen
Verpflichtungen auf. Der Hörige mußte geloben, treu, hold und gewärtig
zu sein; er mußte, soweit es die hergebrachten Pflichten forderten, Gehorsam beweisen,
widrigenfalls ihm der Gutsherr eine Züchtigung auferlegen, ihn z. B. vier und-
zwanzig Stunden lang bei Wasser und Brod in einer Kammer oder auf eine
Stunde in den spanischen Mantel, eine hölzerne Maschine mit Armlöchern, sperren
konnte. Dagegen mußte der Gutsherr dem Hörigen gegen ein Lösegeld von
höchstens hundert Thalern den Freiheitsbrief ertheilen, wenn Letzterer sich ans
eine andere Stelle verheirathen, ein Handwerk erlernen, sich den Studien widmen
oder ins Kloster gehen wollte. Jedes Kind des Hörigen mußte, sobald es ein
gewisses Alter erreicht hatte, dem Gutsherrn ein halbes Jahr laug Gesindedienste
leisten — eine Pflicht, der sie meist gern nachkamen, da sich auf dem Hofe des
Gutsherrn Gelegenheit fand, etwas Nützliches zu lernen, vielleicht anch sein Glück
zu machen. Die landesherrlichen Hörigen Pflegten den Zwangsdienst, das männ¬
liche Geschlecht mit vier, das weibliche mit zwei Thalern abzukaufen. Bei Ueber¬
lieferung der Abgaben bewirthete der Gutsherr den Pflichtigen mit einer Mahlzeit
oder einem „Bier" auf seinem Hofe. So verspeisten zwanzig landesherrliche Eigen-
behörige jährlich von den, zwanzig abgelieferten Schafen eines in lueur-i, und
vertrauten den Werth eines zweiten. Dies ist die Schafzechzeit in dem Flecken
Lohne am zweiten Pfingsttage, die bis in die neueste Zeit bestanden hat.

Gegenwärtig, wo dieses Verhältniß der Hörigkeit aufgehört hat, sind die
Heuerleute dem Gutsherrn oder Zeller nicht mehr persönlich untergeben, wol aber
unterstützen sie ihn beim Pflügen, Säen, Ernten und Dreschen unentgeldlich oder
gegen eine geringe Vergütung — ein Verhältniß, das ganz zweckmäßig erscheint.
Die Hcnerhäuser, die bei größeren Stellen bis auf zwölf steigen, werden im
Münsterlande mit 18—2L Scheffel Saat Landes verpachtet, wobei der Heuermann
vier Thaler für seine Wohnung und einen Thaler sür den Scheffel Saat
entrichtet.

Selten kann der Hcnermann von seinem Ackerbau allein leben; entweder
treibt er ein Handwerk nebenher, taglöhnert, oder geht zum GraSmähen, Torf-


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[0238] Kldenburger Zustände.' ' ' 2^ Heuer- oder Miethleute, die dem Bauer als solche zu gewissen Diensten bei seinem Ackerbau verpflichtet sind, bilden ein regelmäßiges Zubehör der Stelle. Dieses Verhältniß, das, wenigstens in den nicht friesischen Theilen des Herzogthums, ans der Leibeigenschaft und strengen Hörigkeit entsprungen, ist ein durchaus frei¬ williges, nicht drückendes. Die strenge Hörigkeit bestand im oldenbnrger Münster¬ lande bis 181-1, doch war sie von milderer Form als anderswo. - Sie legte so- wol den Gutsherren — unter denen es viele Adelige gab — als den Hörigen Verpflichtungen auf. Der Hörige mußte geloben, treu, hold und gewärtig zu sein; er mußte, soweit es die hergebrachten Pflichten forderten, Gehorsam beweisen, widrigenfalls ihm der Gutsherr eine Züchtigung auferlegen, ihn z. B. vier und- zwanzig Stunden lang bei Wasser und Brod in einer Kammer oder auf eine Stunde in den spanischen Mantel, eine hölzerne Maschine mit Armlöchern, sperren konnte. Dagegen mußte der Gutsherr dem Hörigen gegen ein Lösegeld von höchstens hundert Thalern den Freiheitsbrief ertheilen, wenn Letzterer sich ans eine andere Stelle verheirathen, ein Handwerk erlernen, sich den Studien widmen oder ins Kloster gehen wollte. Jedes Kind des Hörigen mußte, sobald es ein gewisses Alter erreicht hatte, dem Gutsherrn ein halbes Jahr laug Gesindedienste leisten — eine Pflicht, der sie meist gern nachkamen, da sich auf dem Hofe des Gutsherrn Gelegenheit fand, etwas Nützliches zu lernen, vielleicht anch sein Glück zu machen. Die landesherrlichen Hörigen Pflegten den Zwangsdienst, das männ¬ liche Geschlecht mit vier, das weibliche mit zwei Thalern abzukaufen. Bei Ueber¬ lieferung der Abgaben bewirthete der Gutsherr den Pflichtigen mit einer Mahlzeit oder einem „Bier" auf seinem Hofe. So verspeisten zwanzig landesherrliche Eigen- behörige jährlich von den, zwanzig abgelieferten Schafen eines in lueur-i, und vertrauten den Werth eines zweiten. Dies ist die Schafzechzeit in dem Flecken Lohne am zweiten Pfingsttage, die bis in die neueste Zeit bestanden hat. Gegenwärtig, wo dieses Verhältniß der Hörigkeit aufgehört hat, sind die Heuerleute dem Gutsherrn oder Zeller nicht mehr persönlich untergeben, wol aber unterstützen sie ihn beim Pflügen, Säen, Ernten und Dreschen unentgeldlich oder gegen eine geringe Vergütung — ein Verhältniß, das ganz zweckmäßig erscheint. Die Hcnerhäuser, die bei größeren Stellen bis auf zwölf steigen, werden im Münsterlande mit 18—2L Scheffel Saat Landes verpachtet, wobei der Heuermann vier Thaler für seine Wohnung und einen Thaler sür den Scheffel Saat entrichtet. Selten kann der Hcnermann von seinem Ackerbau allein leben; entweder treibt er ein Handwerk nebenher, taglöhnert, oder geht zum GraSmähen, Torf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/238>, abgerufen am 02.05.2024.