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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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die Japanesen, wenn man dem Bericht eines Scecadettcn trauen kann, in aller Eile
Befestigungen, aus buntem Kattun, ganz wie die Chinesen, um die Fremden durch
bloße Decorationen zu täuschen. Im Uebrigen find die Japanesen viel kriegerischer als
die Chinesen.




Pariser Botschafte".

Die Fastenzeit geht vorüber; Ostern, das Auferstehungsfest, ist vor der Thür, und
trotz seiner Reden könnte der Präsident wol das Kaiserreich den glücklichen
Franzosen als Osterei zum Geschenke machen. Die Vorbereitungen find längst gemacht;
der Kaisermantel ist gestickt --, der socialistische Imperator kann sich nicht mit abge¬
tragenem Sammet begnügen, und wenn er von Napoleon I. abgetragen worden. --
Die Cavalerie schreit unter Anführung des Kriegsministers selbst vivo l'emxereur. Die
halbvsficiellen Journale, wenigstens die lithographirten Korrespondenzen, beklagen den
Eigensinn Louis Napoleon's, der allgemeinen Stimme Frankreichs nicht Gehör geben zu
wollen; selbst die Legislative ist der Mehrheit nach bereit, der unausweichlichen Noth¬
wendigkeit zuvorzukommen und in der Antwortadresse aus die Thronrede selbst die kühne
.That der Rettung II. hervorzurufen. Die Herren folgen dem Beispiele jener Feiglinge,
die sich nicht duelliren wollen und es wagen, sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen.
Rußland und Preußen wären, dürfen wir anders dem Nostradamus und Cagliastro ihrer
Botschafter trauen, dem Kaiserthume auch nicht abgeneigt, und wir eben so wenig als
das Elysve oder die Tuilerien sehen ein, warum man sich den consequenten, in der Logik
der Ereignisse liegenden Jux versagen sollte. Also vivo I'emxjre, 1'empiriz lor ever.
Die europäische Diplomatie (Oestreich schmollt freilich), Miß Howard, die Ballettän¬
zerin Pierr, die reizende Sylphe, deren Polizeimcister Louis Napoleon selbst ist, indem
er cnsoun as ses xss beobachtet, sie sehen alle mit gleicher Ungeduld dem glänzenden
Spectakel und der großartigen Parodie entgegen. Was will der arme Präsident machen,
der gute Republikaner, der ehrliche Socialist, er fügt sich in das Unvermeidliche, er, der
arme willenlose Mann, er thut was ihm seine Freunde vorschreiben, er rettet die Ge¬
sellschaft noch mehr, nachdem er sie schon so viel gerettet hat, und wieder klingt es in
unsrer Brust vive I'empkrkur, und wir sehen im Geiste schon die vorher gekrönten
Fahnen lustig im Winde flattern und die kaiserliche Armee vor ihrem Herrn und Ge¬
bieter mit stolzem Schritte vorüber defiliren. Ich weiß nicht wie viele Jahrhunderte
blicken von den Ebenen Sartory'S zu ihnen hinauf, und der Geist des Cliquot'schen Fa¬
brikats durchrieselt von neuem ihre Glieder; die Welt ist offen ihren Heldenthaten. Die
Epoque der Epigonen beginnt, der Trommelschlag erdröhnt und en avant, vive 1'ca-
p,-r"zurl____-Lächeln Sie nicht über meine kaiserliche Begeisterung, sie liegt in der
Lust, und wenn auch aus Cayenne und Algier herüber ein anderer Wind bläst, das
sind nur obligate Schlagschatten des neuen Wonnercichs, das kümmert keinen großen
Geist. Alles fühlt sich von gleichem Enthusiasmus durchdrungen, und die Familie des
Präsidenten, nicht blos seine bezahlten Diener, denken bereits wieder an ihre vergangene
Größe und an ihren künstigen Glanz. Der Exkönig von Westphalen und hohe gegen-


die Japanesen, wenn man dem Bericht eines Scecadettcn trauen kann, in aller Eile
Befestigungen, aus buntem Kattun, ganz wie die Chinesen, um die Fremden durch
bloße Decorationen zu täuschen. Im Uebrigen find die Japanesen viel kriegerischer als
die Chinesen.




Pariser Botschafte».

Die Fastenzeit geht vorüber; Ostern, das Auferstehungsfest, ist vor der Thür, und
trotz seiner Reden könnte der Präsident wol das Kaiserreich den glücklichen
Franzosen als Osterei zum Geschenke machen. Die Vorbereitungen find längst gemacht;
der Kaisermantel ist gestickt —, der socialistische Imperator kann sich nicht mit abge¬
tragenem Sammet begnügen, und wenn er von Napoleon I. abgetragen worden. —
Die Cavalerie schreit unter Anführung des Kriegsministers selbst vivo l'emxereur. Die
halbvsficiellen Journale, wenigstens die lithographirten Korrespondenzen, beklagen den
Eigensinn Louis Napoleon's, der allgemeinen Stimme Frankreichs nicht Gehör geben zu
wollen; selbst die Legislative ist der Mehrheit nach bereit, der unausweichlichen Noth¬
wendigkeit zuvorzukommen und in der Antwortadresse aus die Thronrede selbst die kühne
.That der Rettung II. hervorzurufen. Die Herren folgen dem Beispiele jener Feiglinge,
die sich nicht duelliren wollen und es wagen, sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen.
Rußland und Preußen wären, dürfen wir anders dem Nostradamus und Cagliastro ihrer
Botschafter trauen, dem Kaiserthume auch nicht abgeneigt, und wir eben so wenig als
das Elysve oder die Tuilerien sehen ein, warum man sich den consequenten, in der Logik
der Ereignisse liegenden Jux versagen sollte. Also vivo I'emxjre, 1'empiriz lor ever.
Die europäische Diplomatie (Oestreich schmollt freilich), Miß Howard, die Ballettän¬
zerin Pierr, die reizende Sylphe, deren Polizeimcister Louis Napoleon selbst ist, indem
er cnsoun as ses xss beobachtet, sie sehen alle mit gleicher Ungeduld dem glänzenden
Spectakel und der großartigen Parodie entgegen. Was will der arme Präsident machen,
der gute Republikaner, der ehrliche Socialist, er fügt sich in das Unvermeidliche, er, der
arme willenlose Mann, er thut was ihm seine Freunde vorschreiben, er rettet die Ge¬
sellschaft noch mehr, nachdem er sie schon so viel gerettet hat, und wieder klingt es in
unsrer Brust vive I'empkrkur, und wir sehen im Geiste schon die vorher gekrönten
Fahnen lustig im Winde flattern und die kaiserliche Armee vor ihrem Herrn und Ge¬
bieter mit stolzem Schritte vorüber defiliren. Ich weiß nicht wie viele Jahrhunderte
blicken von den Ebenen Sartory'S zu ihnen hinauf, und der Geist des Cliquot'schen Fa¬
brikats durchrieselt von neuem ihre Glieder; die Welt ist offen ihren Heldenthaten. Die
Epoque der Epigonen beginnt, der Trommelschlag erdröhnt und en avant, vive 1'ca-
p,-r«zurl____-Lächeln Sie nicht über meine kaiserliche Begeisterung, sie liegt in der
Lust, und wenn auch aus Cayenne und Algier herüber ein anderer Wind bläst, das
sind nur obligate Schlagschatten des neuen Wonnercichs, das kümmert keinen großen
Geist. Alles fühlt sich von gleichem Enthusiasmus durchdrungen, und die Familie des
Präsidenten, nicht blos seine bezahlten Diener, denken bereits wieder an ihre vergangene
Größe und an ihren künstigen Glanz. Der Exkönig von Westphalen und hohe gegen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/84>, abgerufen am 02.05.2024.