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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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überwältigt, der Sieg über Revolution und Bürgerkrieg durch einen großartigen Act
der Versöhnung besiegelt, die Unabhängigkeit des Landes nach Außen geratet, sein
Ansetzn im Steigen, sein Wohlstand in sichtlichem Wachsthum. Der Herzog von
Valencia konnte stolz auf den Verlauf einer Amtsführung zurückblicken, die, als die
größten Regierungen Europas sich vor der Revolution in den Staub beugte", dieser
kühn die Stirn geboten hatte, und zu einer Zeit Gnade und Humanität walten
ließ, >vo mau ans der größeren Hälfte des Continents mit diesen Principien ge¬
brochen halte. Seine Stellung schien ans lauge gefestigt, seine Popularität groß
genug, um selbst die Stimme einer berechtigten Opposition zu dämpfen, die
Intrigue des Palastes ohnmächtig gegen den gewaltigen, von der parlamentarischen
Mehrheit unterstützten Minister. Und schon in kurzer Zeit sollte es sich zeige",
wie schlüpfrig der Boden war, der das Gebäude seiner Größe trug, und wie schnell
der Blüthe -derselben ihre Zerbröckelung und ihr Sturz folgte.




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Die Politiker der Zukunft.

-- Wir haben schon mehrfach Gelegenheit
gehabt, von den Philosophen zu reden, welche'die politischen Wirren dieser armen Erde
vom Sirius aus betrachten, n"d dadurch eine so künstliche Perspektive gewinnen, daß
sie Herrn v. Manteuffel mit Börnstein, den Kaiser von Rußland mit Louis Blaue,
Louis Napoleon mit Dahlmann, nud um das Aergste zu sagen, Wagener mit Quedl ver¬
wechseln. Wenn es auch uur wenigen Auserwählten vorbehalten ist, diese Ansichten zu
einem vollständigen System auszuarbeiten, und es nach allen Seiten hin durch die Waffen
einer souverainen Dialektik zu vertheidige", so entspricht doch die Gesinnung, die diesem
System zu Grunde liegt, einer herrschenden Neigung der Zeit. Wir haben im Jahre
^i>8 so große Worte gemacht und waren so fest davon überzeugt, daß diese Worte
vollkommen hinreichte", um die Welt aus ihre" Fugen zu reiße", daß der allen Er¬
wartungen widersprechende Erfolg eine allgemeine Abspaltung hervorgerufen hat. Es
werden zwar namentlich von Seiten der Demokratie von Zeit zu Zeit sehr weise u"d
wohlmvogme Gründe hervorgesucht,, warum eS zweckmäßig sei, die Politik bei Seite
liege" zu lasse" ,,,,d der Reaction durch ein dctcrmimrteS Nichtsthun zu impvnire",
aber der Hauptgrund liegt doch darin, daß u"S die Politik entschieden langweilt. Die
einzige Form.i" der wir sie noch ertragen, ist der Humor. So und so viel Millionen
Deutsche warten sehnsüchtig jeden Sonnabend auf den Kladderadatsch, um sich über
Hasscnpslng nud den Kaiser von China, über den Herr" v. Prndelwitz und die Gothaer
Würste, über den Professor Lump und über Schulze und Müller zu amüsire". Der
Schustcrjnugc wie der wirkliche Geheimerath erfreuen sich mit gleicher Liebe an diesem
willkommenen Schauspiel -- um nicht noch höher hinaufzugehen. Da der Zustand des
herzlichen Lachens einer der angenehmsten ist, in die der Mensch sich versetzen kann, so
hat diese Vorliebe auch ihre vollkommene Berechtigung, wenn man uur nicht in die


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überwältigt, der Sieg über Revolution und Bürgerkrieg durch einen großartigen Act
der Versöhnung besiegelt, die Unabhängigkeit des Landes nach Außen geratet, sein
Ansetzn im Steigen, sein Wohlstand in sichtlichem Wachsthum. Der Herzog von
Valencia konnte stolz auf den Verlauf einer Amtsführung zurückblicken, die, als die
größten Regierungen Europas sich vor der Revolution in den Staub beugte», dieser
kühn die Stirn geboten hatte, und zu einer Zeit Gnade und Humanität walten
ließ, >vo mau ans der größeren Hälfte des Continents mit diesen Principien ge¬
brochen halte. Seine Stellung schien ans lauge gefestigt, seine Popularität groß
genug, um selbst die Stimme einer berechtigten Opposition zu dämpfen, die
Intrigue des Palastes ohnmächtig gegen den gewaltigen, von der parlamentarischen
Mehrheit unterstützten Minister. Und schon in kurzer Zeit sollte es sich zeige»,
wie schlüpfrig der Boden war, der das Gebäude seiner Größe trug, und wie schnell
der Blüthe -derselben ihre Zerbröckelung und ihr Sturz folgte.




W o es e n b e r i es t.
Die Politiker der Zukunft.

— Wir haben schon mehrfach Gelegenheit
gehabt, von den Philosophen zu reden, welche'die politischen Wirren dieser armen Erde
vom Sirius aus betrachten, n»d dadurch eine so künstliche Perspektive gewinnen, daß
sie Herrn v. Manteuffel mit Börnstein, den Kaiser von Rußland mit Louis Blaue,
Louis Napoleon mit Dahlmann, nud um das Aergste zu sagen, Wagener mit Quedl ver¬
wechseln. Wenn es auch uur wenigen Auserwählten vorbehalten ist, diese Ansichten zu
einem vollständigen System auszuarbeiten, und es nach allen Seiten hin durch die Waffen
einer souverainen Dialektik zu vertheidige», so entspricht doch die Gesinnung, die diesem
System zu Grunde liegt, einer herrschenden Neigung der Zeit. Wir haben im Jahre
^i>8 so große Worte gemacht und waren so fest davon überzeugt, daß diese Worte
vollkommen hinreichte», um die Welt aus ihre» Fugen zu reiße», daß der allen Er¬
wartungen widersprechende Erfolg eine allgemeine Abspaltung hervorgerufen hat. Es
werden zwar namentlich von Seiten der Demokratie von Zeit zu Zeit sehr weise u»d
wohlmvogme Gründe hervorgesucht,, warum eS zweckmäßig sei, die Politik bei Seite
liege» zu lasse» ,,,,d der Reaction durch ein dctcrmimrteS Nichtsthun zu impvnire»,
aber der Hauptgrund liegt doch darin, daß u»S die Politik entschieden langweilt. Die
einzige Form.i» der wir sie noch ertragen, ist der Humor. So und so viel Millionen
Deutsche warten sehnsüchtig jeden Sonnabend auf den Kladderadatsch, um sich über
Hasscnpslng nud den Kaiser von China, über den Herr» v. Prndelwitz und die Gothaer
Würste, über den Professor Lump und über Schulze und Müller zu amüsire». Der
Schustcrjnugc wie der wirkliche Geheimerath erfreuen sich mit gleicher Liebe an diesem
willkommenen Schauspiel — um nicht noch höher hinaufzugehen. Da der Zustand des
herzlichen Lachens einer der angenehmsten ist, in die der Mensch sich versetzen kann, so
hat diese Vorliebe auch ihre vollkommene Berechtigung, wenn man uur nicht in die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/285>, abgerufen am 07.05.2024.