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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Gine Operngesellschaft in Afrika.

Wie Sie wissen, bin ich ein solider und ruhiger Mann,-ich mache mir wenig
aus dem Schauspiel, und in eine Oper bin ich unter allen Umständen uicht zu
bringen, aber es ist mein Schicksal, überall auf der Erde mit Thalia's luftigem
Volk, mit tragischen Helden, Sängerinnen und Tänzerinnen in irgend eine Be¬
ziehung zu kommen, mit ihnen verkehren, zu müssen und ihnen Artiges zu erweisen.
Mir haben diese Bekanntschaften in der Negel viel mehr Dornen als Rosen ge¬
bracht, und ich bin gar nicht lüstern darnach. So war ich denn nach Afrika
gereist, und hoffte, wenigstens diesmal meinem alten Neisegeschick zu entgehen, ich
war von Algier in die Wüste geritten, und der civilisirteste Ton, den ich hörte,
sollte eine französische Trommel sein. Aber ich hatte die Rechnung ohne den
Wirth gemacht. Dort in der Wüste von Algier, unter Kopf, Ohren und Nasen
abschneidenden Kabylen, unter Kinder und Rinder verschlingenden Löwen und
unter Leichen fressenden Hyänen war ich uicht sicher vor der Kunst. Auch dort
traf ich dramatische Künstler und kam mit ihnen durch ein düsteres Schicksal in
mein gewöhnliches Verhältniß zur dramatischen Kunst, welches darin besteht, mit
ihren Jüngern zu leiden und für sie zu sorgen.

Ich war zu Konstantine, dem steilen Felsennest, und ging arglos am frühen
Morgen mit meinem liebenswürdigen Gastfreund, einem Spahi-Officier, aus
unsrer Wohnung. Da lachte gleich an der ersten Straßenecke ein riesig großer,
blutrother Anschlagzettel höhnisch auf mich herunter; es war die Affiche einer
italienischen Operngesellschaft, ein Aufwand von marktschreierischen Phrasen, wie
'sie bei uus selbst der Ausverkäufe der reellen Leinwandhandlnng eines nach
Amerika gegangenen Fabrikanten nicht besser ausznstnnen vermag, und es > ward
dem Felsen von Konstantine in schlechtem Französisch darin verkündet, daß die
weltberühmte' Operngesellschaft des Impressario Bartolomeo Bondi, die jüngst
uoch den hohen Beifall unzähliger- Fürsten und Könige zu erringen gewußt habe,
heut Abend zum allerletzten Male ein kunstsinniges Publicum von Constantine
zu entzücken versteh" werde. Das kunstsinnige Publicum von Constantine besteht,


Grenzboten. III. -I3ö2. i-I
Gine Operngesellschaft in Afrika.

Wie Sie wissen, bin ich ein solider und ruhiger Mann,-ich mache mir wenig
aus dem Schauspiel, und in eine Oper bin ich unter allen Umständen uicht zu
bringen, aber es ist mein Schicksal, überall auf der Erde mit Thalia's luftigem
Volk, mit tragischen Helden, Sängerinnen und Tänzerinnen in irgend eine Be¬
ziehung zu kommen, mit ihnen verkehren, zu müssen und ihnen Artiges zu erweisen.
Mir haben diese Bekanntschaften in der Negel viel mehr Dornen als Rosen ge¬
bracht, und ich bin gar nicht lüstern darnach. So war ich denn nach Afrika
gereist, und hoffte, wenigstens diesmal meinem alten Neisegeschick zu entgehen, ich
war von Algier in die Wüste geritten, und der civilisirteste Ton, den ich hörte,
sollte eine französische Trommel sein. Aber ich hatte die Rechnung ohne den
Wirth gemacht. Dort in der Wüste von Algier, unter Kopf, Ohren und Nasen
abschneidenden Kabylen, unter Kinder und Rinder verschlingenden Löwen und
unter Leichen fressenden Hyänen war ich uicht sicher vor der Kunst. Auch dort
traf ich dramatische Künstler und kam mit ihnen durch ein düsteres Schicksal in
mein gewöhnliches Verhältniß zur dramatischen Kunst, welches darin besteht, mit
ihren Jüngern zu leiden und für sie zu sorgen.

Ich war zu Konstantine, dem steilen Felsennest, und ging arglos am frühen
Morgen mit meinem liebenswürdigen Gastfreund, einem Spahi-Officier, aus
unsrer Wohnung. Da lachte gleich an der ersten Straßenecke ein riesig großer,
blutrother Anschlagzettel höhnisch auf mich herunter; es war die Affiche einer
italienischen Operngesellschaft, ein Aufwand von marktschreierischen Phrasen, wie
'sie bei uus selbst der Ausverkäufe der reellen Leinwandhandlnng eines nach
Amerika gegangenen Fabrikanten nicht besser ausznstnnen vermag, und es > ward
dem Felsen von Konstantine in schlechtem Französisch darin verkündet, daß die
weltberühmte' Operngesellschaft des Impressario Bartolomeo Bondi, die jüngst
uoch den hohen Beifall unzähliger- Fürsten und Könige zu erringen gewußt habe,
heut Abend zum allerletzten Male ein kunstsinniges Publicum von Constantine
zu entzücken versteh» werde. Das kunstsinnige Publicum von Constantine besteht,


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[0333] Gine Operngesellschaft in Afrika. Wie Sie wissen, bin ich ein solider und ruhiger Mann,-ich mache mir wenig aus dem Schauspiel, und in eine Oper bin ich unter allen Umständen uicht zu bringen, aber es ist mein Schicksal, überall auf der Erde mit Thalia's luftigem Volk, mit tragischen Helden, Sängerinnen und Tänzerinnen in irgend eine Be¬ ziehung zu kommen, mit ihnen verkehren, zu müssen und ihnen Artiges zu erweisen. Mir haben diese Bekanntschaften in der Negel viel mehr Dornen als Rosen ge¬ bracht, und ich bin gar nicht lüstern darnach. So war ich denn nach Afrika gereist, und hoffte, wenigstens diesmal meinem alten Neisegeschick zu entgehen, ich war von Algier in die Wüste geritten, und der civilisirteste Ton, den ich hörte, sollte eine französische Trommel sein. Aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Dort in der Wüste von Algier, unter Kopf, Ohren und Nasen abschneidenden Kabylen, unter Kinder und Rinder verschlingenden Löwen und unter Leichen fressenden Hyänen war ich uicht sicher vor der Kunst. Auch dort traf ich dramatische Künstler und kam mit ihnen durch ein düsteres Schicksal in mein gewöhnliches Verhältniß zur dramatischen Kunst, welches darin besteht, mit ihren Jüngern zu leiden und für sie zu sorgen. Ich war zu Konstantine, dem steilen Felsennest, und ging arglos am frühen Morgen mit meinem liebenswürdigen Gastfreund, einem Spahi-Officier, aus unsrer Wohnung. Da lachte gleich an der ersten Straßenecke ein riesig großer, blutrother Anschlagzettel höhnisch auf mich herunter; es war die Affiche einer italienischen Operngesellschaft, ein Aufwand von marktschreierischen Phrasen, wie 'sie bei uus selbst der Ausverkäufe der reellen Leinwandhandlnng eines nach Amerika gegangenen Fabrikanten nicht besser ausznstnnen vermag, und es > ward dem Felsen von Konstantine in schlechtem Französisch darin verkündet, daß die weltberühmte' Operngesellschaft des Impressario Bartolomeo Bondi, die jüngst uoch den hohen Beifall unzähliger- Fürsten und Könige zu erringen gewußt habe, heut Abend zum allerletzten Male ein kunstsinniges Publicum von Constantine zu entzücken versteh» werde. Das kunstsinnige Publicum von Constantine besteht, Grenzboten. III. -I3ö2. i-I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/333>, abgerufen am 07.05.2024.