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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Blick auf Spaniens letzte Vergangenheit und seine
gegenwärtige Lage.

Der plötzliche Sturz des Herzogs von Valencia von der Höhe einer beinahe
allmächtigen Gewalt, dein natürlich der Rücktritt seiner sämmtlichen College" un¬
mittelbar folgte, war so gar nicht mit den obwaltenden parlamentarischen Parteiver¬
hältnissen im Einklang, daß die Bildung eines neuen Ministeriums den größten
Schwierigkeiten begegnen zu müssen schien. Marie Christine jedoch, die diesmal
die Fäden der Situation in ihren Händen hatte, verstand es besser, als früher
die Camarilla des Königs, den erlangten Sieg zu benutzen. Ihre Verbindungen
und ihr Einfluß unter deu Mvderados waren groß genug, um die geschlossene
Phalanx der Majorität aufzulösen, und überdies waren ihre Vorbereitungen ge¬
troffen. Isabella, jetzt ganz von ihrer Mütter geleitet, wandte sich zum Schein
an Pidal, an Mon, der auf die Nachricht der herannahenden Krisis Anfangs
Januar von Paris nach Madrid geeilt war, und an Martinez de la Rosa zum
Zweck der Ncconstruirung des Cabinets. Die gar nicht ernstlich betriebenen Unter-
handlungen zerschlugen sich schnell und schon am 13. Januar war das Ministerium
gebildet, welches Marie'Christine im Schilde führte. Bravo Murillo erhielt den
Preis seines Abfalls von seinen Kollegen in der Ernennung zum Conscilspräst-
denten und Finanzminister. Die anderen Portefeuilles wurden folgendermaßen
vertheilt: Aeußeres, Vertrau de Lif; Inneres, Arteta; Justiz/ Gonzales Romero;
Handel und Unterricht, Negrete; Krieg, Mirasol; Marine, BnstilloS. Die vier
ersteren waren aus der zweiten Reihe der moderlrten Partei genommen, die Minister
des Kriegs und der Marine in ihrem Fach verdiente, allgemein geachtete Männer.

Das Programm des Cabinets wär sehr viel versprechend: Ersparungen,
Moralität der Verwaltung, strenge Beobachtung der Verfassung, liberale Hand¬
habung der Gesetze. Die schleunige Regulirung der Staatsschuld betreffs deren
B. Murillo eine Vorlage an die Cortes noch für den Lauf der Session cmkün-


Grenzboten. III. -I8S2.' 46
Blick auf Spaniens letzte Vergangenheit und seine
gegenwärtige Lage.

Der plötzliche Sturz des Herzogs von Valencia von der Höhe einer beinahe
allmächtigen Gewalt, dein natürlich der Rücktritt seiner sämmtlichen College» un¬
mittelbar folgte, war so gar nicht mit den obwaltenden parlamentarischen Parteiver¬
hältnissen im Einklang, daß die Bildung eines neuen Ministeriums den größten
Schwierigkeiten begegnen zu müssen schien. Marie Christine jedoch, die diesmal
die Fäden der Situation in ihren Händen hatte, verstand es besser, als früher
die Camarilla des Königs, den erlangten Sieg zu benutzen. Ihre Verbindungen
und ihr Einfluß unter deu Mvderados waren groß genug, um die geschlossene
Phalanx der Majorität aufzulösen, und überdies waren ihre Vorbereitungen ge¬
troffen. Isabella, jetzt ganz von ihrer Mütter geleitet, wandte sich zum Schein
an Pidal, an Mon, der auf die Nachricht der herannahenden Krisis Anfangs
Januar von Paris nach Madrid geeilt war, und an Martinez de la Rosa zum
Zweck der Ncconstruirung des Cabinets. Die gar nicht ernstlich betriebenen Unter-
handlungen zerschlugen sich schnell und schon am 13. Januar war das Ministerium
gebildet, welches Marie'Christine im Schilde führte. Bravo Murillo erhielt den
Preis seines Abfalls von seinen Kollegen in der Ernennung zum Conscilspräst-
denten und Finanzminister. Die anderen Portefeuilles wurden folgendermaßen
vertheilt: Aeußeres, Vertrau de Lif; Inneres, Arteta; Justiz/ Gonzales Romero;
Handel und Unterricht, Negrete; Krieg, Mirasol; Marine, BnstilloS. Die vier
ersteren waren aus der zweiten Reihe der moderlrten Partei genommen, die Minister
des Kriegs und der Marine in ihrem Fach verdiente, allgemein geachtete Männer.

Das Programm des Cabinets wär sehr viel versprechend: Ersparungen,
Moralität der Verwaltung, strenge Beobachtung der Verfassung, liberale Hand¬
habung der Gesetze. Die schleunige Regulirung der Staatsschuld betreffs deren
B. Murillo eine Vorlage an die Cortes noch für den Lauf der Session cmkün-


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[0373] Blick auf Spaniens letzte Vergangenheit und seine gegenwärtige Lage. Der plötzliche Sturz des Herzogs von Valencia von der Höhe einer beinahe allmächtigen Gewalt, dein natürlich der Rücktritt seiner sämmtlichen College» un¬ mittelbar folgte, war so gar nicht mit den obwaltenden parlamentarischen Parteiver¬ hältnissen im Einklang, daß die Bildung eines neuen Ministeriums den größten Schwierigkeiten begegnen zu müssen schien. Marie Christine jedoch, die diesmal die Fäden der Situation in ihren Händen hatte, verstand es besser, als früher die Camarilla des Königs, den erlangten Sieg zu benutzen. Ihre Verbindungen und ihr Einfluß unter deu Mvderados waren groß genug, um die geschlossene Phalanx der Majorität aufzulösen, und überdies waren ihre Vorbereitungen ge¬ troffen. Isabella, jetzt ganz von ihrer Mütter geleitet, wandte sich zum Schein an Pidal, an Mon, der auf die Nachricht der herannahenden Krisis Anfangs Januar von Paris nach Madrid geeilt war, und an Martinez de la Rosa zum Zweck der Ncconstruirung des Cabinets. Die gar nicht ernstlich betriebenen Unter- handlungen zerschlugen sich schnell und schon am 13. Januar war das Ministerium gebildet, welches Marie'Christine im Schilde führte. Bravo Murillo erhielt den Preis seines Abfalls von seinen Kollegen in der Ernennung zum Conscilspräst- denten und Finanzminister. Die anderen Portefeuilles wurden folgendermaßen vertheilt: Aeußeres, Vertrau de Lif; Inneres, Arteta; Justiz/ Gonzales Romero; Handel und Unterricht, Negrete; Krieg, Mirasol; Marine, BnstilloS. Die vier ersteren waren aus der zweiten Reihe der moderlrten Partei genommen, die Minister des Kriegs und der Marine in ihrem Fach verdiente, allgemein geachtete Männer. Das Programm des Cabinets wär sehr viel versprechend: Ersparungen, Moralität der Verwaltung, strenge Beobachtung der Verfassung, liberale Hand¬ habung der Gesetze. Die schleunige Regulirung der Staatsschuld betreffs deren B. Murillo eine Vorlage an die Cortes noch für den Lauf der Session cmkün- Grenzboten. III. -I8S2.' 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/373>, abgerufen am 07.05.2024.