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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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sprachen schon 1639 von vielfachen glücklichen Euren, welche die dastgen Quellen
bewirkt haben; dasselbe berichten die Trembowter Acten ans der Zeit der Einnahme
der Festung durch die Heldin Chrzanowska (167S) in Bezug auf das Schwefel¬
wasser zu Konopowka (Kreis Tarnopol).

Nach dem bisher Gesagten unterliegt es wol keinem Zweifel, daß die Mineral¬
quellen Galiziens wesentlich dazu beitragen könnten, den Wohlstand des Landes
zu fördern; dann mußten sie aber auch in den Händen von intelligenten Leuten
sein, welche wissen, wie man die Schätze des Bodens nützt und verwerthet.
Dem Deutschen fehlt es weder an Kopf noch an Unternehmungsgeist zu derartigen
Geschäften; es müßte deshalb unbegreiflich scheinen, daß ein so wichtiger Punkt
seine Aufmerksamkeit, seinen Speculationsgeist nicht auf sich gezogen haben sollte,
wenn nicht zur Genüge bekannt wäre, wie gefährdet jedes Capital ist, das heute
in Galizien angelegt wird. Wer möchte wol sein Geld in ein Laud tragen, in
welchem das Vermögen so wenig Sicherheit findet und der Bauer immer noch
ne laco nach Willkür schalten kann? Sind erst seitens der Regierung hinreichende
und ernstliche Schritte geschehen, welche das Eigenthum bleibend sichern, und
auf diese Weise die Furcht vor Raub und Mord unnöthig machen, so wird sich
die Speculation auch bald alles dessen bemächtigen, was zum Schaden des Landes
jetzt brach liegt, und -- Jeder würde dabei seine Rechnung finden. Doch nein,
nicht Jeder , und der galizische Edelmann wahrscheinlich am wenigsten.




Eine Apologie der Frauen.*)

Der Weihrauch, der in Deutschland alljährlich im Cultus des Genius ver¬
braucht wird, hat nachgerade den Blick umwölkt. Die neueste Goetheliteratur
ertheilt ihrem Heros die blindesten Lobsprüche, wo er sie am wenigsten verdient.
Wr meinen in seinem Verhältniß zu den Frauen. Sein Gefühl für das Wesen
der Weiblichkeit hat er durch seine Meisterwerke, durch die Marmorreine seiner
Iphigenie, durch die Seelenhoheit seiner Leonore, durch die echte Jungfräulichkeit
seiner Dorothea, durch Gretchens schmerzensreiche Liebe, und Klärchens freudvolles
Leid hinlänglich manifestirt. Aber so hoch ihm die Frauen in der Kunst stehen', im
Leben werden sie überall die Opfer seines Egoismus. Friederike von Sesenheim,
das Bild holdester Mädchenhaftigkeit ist ein solches Opfer. Niemand weiß ihr
ferneres Schicksal, aber die Goetheliteratur hat sich nicht entblödet, in diesem Dunkel
umher zu tappen, um das Gedächtniß eines am Schmerz verschmähter Liebe



-) Die weibliche Auffassung des vorstehenden Aufsatzes wird für Viele unsrer Leser von
entschiedenem Interesse sein, obwol wir unsre Ansicht nicht zurückhalten wollen, daß sich vom
Standpunkt eiues Mannes auch vieles sehr Erhebliche dagegen einwenden ließe.
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sprachen schon 1639 von vielfachen glücklichen Euren, welche die dastgen Quellen
bewirkt haben; dasselbe berichten die Trembowter Acten ans der Zeit der Einnahme
der Festung durch die Heldin Chrzanowska (167S) in Bezug auf das Schwefel¬
wasser zu Konopowka (Kreis Tarnopol).

Nach dem bisher Gesagten unterliegt es wol keinem Zweifel, daß die Mineral¬
quellen Galiziens wesentlich dazu beitragen könnten, den Wohlstand des Landes
zu fördern; dann mußten sie aber auch in den Händen von intelligenten Leuten
sein, welche wissen, wie man die Schätze des Bodens nützt und verwerthet.
Dem Deutschen fehlt es weder an Kopf noch an Unternehmungsgeist zu derartigen
Geschäften; es müßte deshalb unbegreiflich scheinen, daß ein so wichtiger Punkt
seine Aufmerksamkeit, seinen Speculationsgeist nicht auf sich gezogen haben sollte,
wenn nicht zur Genüge bekannt wäre, wie gefährdet jedes Capital ist, das heute
in Galizien angelegt wird. Wer möchte wol sein Geld in ein Laud tragen, in
welchem das Vermögen so wenig Sicherheit findet und der Bauer immer noch
ne laco nach Willkür schalten kann? Sind erst seitens der Regierung hinreichende
und ernstliche Schritte geschehen, welche das Eigenthum bleibend sichern, und
auf diese Weise die Furcht vor Raub und Mord unnöthig machen, so wird sich
die Speculation auch bald alles dessen bemächtigen, was zum Schaden des Landes
jetzt brach liegt, und — Jeder würde dabei seine Rechnung finden. Doch nein,
nicht Jeder , und der galizische Edelmann wahrscheinlich am wenigsten.




Eine Apologie der Frauen.*)

Der Weihrauch, der in Deutschland alljährlich im Cultus des Genius ver¬
braucht wird, hat nachgerade den Blick umwölkt. Die neueste Goetheliteratur
ertheilt ihrem Heros die blindesten Lobsprüche, wo er sie am wenigsten verdient.
Wr meinen in seinem Verhältniß zu den Frauen. Sein Gefühl für das Wesen
der Weiblichkeit hat er durch seine Meisterwerke, durch die Marmorreine seiner
Iphigenie, durch die Seelenhoheit seiner Leonore, durch die echte Jungfräulichkeit
seiner Dorothea, durch Gretchens schmerzensreiche Liebe, und Klärchens freudvolles
Leid hinlänglich manifestirt. Aber so hoch ihm die Frauen in der Kunst stehen', im
Leben werden sie überall die Opfer seines Egoismus. Friederike von Sesenheim,
das Bild holdester Mädchenhaftigkeit ist ein solches Opfer. Niemand weiß ihr
ferneres Schicksal, aber die Goetheliteratur hat sich nicht entblödet, in diesem Dunkel
umher zu tappen, um das Gedächtniß eines am Schmerz verschmähter Liebe



-) Die weibliche Auffassung des vorstehenden Aufsatzes wird für Viele unsrer Leser von
entschiedenem Interesse sein, obwol wir unsre Ansicht nicht zurückhalten wollen, daß sich vom
Standpunkt eiues Mannes auch vieles sehr Erhebliche dagegen einwenden ließe.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/391>, abgerufen am 07.05.2024.