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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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gleich kommt. Das dürste genügend erklären, weshalb trotz der enorm gesteigerten
Goldproduction der relative Werth des Silbers sich nicht vermehrt hat.

Viel eher ließe sich erwarten, daß auch auf dem Festlande das Gold all¬
mählich und ganz von selbst zum alleinigen Werthmesser würde, denn bei jedem
noch so geringen Anziehen des Silberpreises würde eine neue Summe dieses
Metalls aus dem Verkehr verschwinden, um als Tauschmittel durch Gold ersetzt,
und zu Zwecke" der Kunst und Industrie verwendet zu werden, bis wie in Eng¬
land nur so viel übrig bliebe, als zu den Zwecken des kleinen Verkehrs noth¬
wendig ist. Alsdann würde die Goldzufuhr aus die Capitalien des Kontinents
genau so wirken, wie auf die englischen. Natürlich würden dabei die Rentiers,
die ihr Geld in Hypotheken und Staatspapieren angelegt haben, am schlimmsten
fahren. Angenommen, der Geldwerth wäre um die Hälfte gesunken., so würden
sie für ihre S"/^ Zinsen nur so viel Brod, Fleisch und Luxusartikel kaufen, als
sie jetzt für 2V-"/o Zinsen bekommen. Besser würden sich dagegen die Besitzer
von E.isenbahnactien und die Grundbesitzer stehen. Erstere können mit Sicherheit
auf eine Vermehrung ihrer Einnahmen rechnen, da das reichlich vorhandene Geld
den Verkehr beleben würde, und das Bodencapital der Grundbesitzer würde in
demselben Maße zunehmen, als das Gold sich entwerthet. Wie stark diese Ent-
werthung sein wird, läßt sich bis jetzt allerdings noch in keiner Weise übersehen,
und kaum darf mau annehmen, daß sie sich so hoch wie belaufen werde,
aber aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie immer noch bedeutend genug sein, "in
die Arbeitskraft gegenüber dem bloßen Capital in erheblichen Vortheil zu stellen.




Pariser Botschafter.

Paris im Sommer ist ein arger Aufenthalt für uns Schriftsteller, und wer
an die geistige Bewegung der Wintersaison gewohnt ist, wer überdies noch Be¬
ziehungen zü der hiesigen Gesellschaft hat, der kommt sich im Sommer wie ein
vergessener Posten, vor. Ihr Botschafter hat seinem Fernweh nicht widerstehen
können, er hat seine Sandalen umgebunden und eine kleine Wanderung ange¬
treten. Nach Paris zurückgekehrt, erkundigte ich mich bei einem unsrer geist¬
reichsten Feuilletonisten, ob denn die Theater gar nichts Bemerkenswerthes ge¬
bracht hätten, ob, ich nichts versäumt habe. "Sie waren so glücklich, den Ulysfe
von Ponsard zu verpassen: ein Glück, das Homer gern mit Ihnen theilen würde,
und wir officiellen Thurmwächter der dramatischen Neuigkeiten auch. Und
was sonst in den vielen Theatern los ist, e'est bon pour ass provmoiu,ux."
So beruhigte mein College; allein gewissenhaft wie ich bin, dachte ich doch, ein
Stück, in dem Fr^deric Lemaitre die Hauptrolle spielt, und das I^e roi clvs


gleich kommt. Das dürste genügend erklären, weshalb trotz der enorm gesteigerten
Goldproduction der relative Werth des Silbers sich nicht vermehrt hat.

Viel eher ließe sich erwarten, daß auch auf dem Festlande das Gold all¬
mählich und ganz von selbst zum alleinigen Werthmesser würde, denn bei jedem
noch so geringen Anziehen des Silberpreises würde eine neue Summe dieses
Metalls aus dem Verkehr verschwinden, um als Tauschmittel durch Gold ersetzt,
und zu Zwecke» der Kunst und Industrie verwendet zu werden, bis wie in Eng¬
land nur so viel übrig bliebe, als zu den Zwecken des kleinen Verkehrs noth¬
wendig ist. Alsdann würde die Goldzufuhr aus die Capitalien des Kontinents
genau so wirken, wie auf die englischen. Natürlich würden dabei die Rentiers,
die ihr Geld in Hypotheken und Staatspapieren angelegt haben, am schlimmsten
fahren. Angenommen, der Geldwerth wäre um die Hälfte gesunken., so würden
sie für ihre S"/^ Zinsen nur so viel Brod, Fleisch und Luxusartikel kaufen, als
sie jetzt für 2V-"/o Zinsen bekommen. Besser würden sich dagegen die Besitzer
von E.isenbahnactien und die Grundbesitzer stehen. Erstere können mit Sicherheit
auf eine Vermehrung ihrer Einnahmen rechnen, da das reichlich vorhandene Geld
den Verkehr beleben würde, und das Bodencapital der Grundbesitzer würde in
demselben Maße zunehmen, als das Gold sich entwerthet. Wie stark diese Ent-
werthung sein wird, läßt sich bis jetzt allerdings noch in keiner Weise übersehen,
und kaum darf mau annehmen, daß sie sich so hoch wie belaufen werde,
aber aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie immer noch bedeutend genug sein, »in
die Arbeitskraft gegenüber dem bloßen Capital in erheblichen Vortheil zu stellen.




Pariser Botschafter.

Paris im Sommer ist ein arger Aufenthalt für uns Schriftsteller, und wer
an die geistige Bewegung der Wintersaison gewohnt ist, wer überdies noch Be¬
ziehungen zü der hiesigen Gesellschaft hat, der kommt sich im Sommer wie ein
vergessener Posten, vor. Ihr Botschafter hat seinem Fernweh nicht widerstehen
können, er hat seine Sandalen umgebunden und eine kleine Wanderung ange¬
treten. Nach Paris zurückgekehrt, erkundigte ich mich bei einem unsrer geist¬
reichsten Feuilletonisten, ob denn die Theater gar nichts Bemerkenswerthes ge¬
bracht hätten, ob, ich nichts versäumt habe. „Sie waren so glücklich, den Ulysfe
von Ponsard zu verpassen: ein Glück, das Homer gern mit Ihnen theilen würde,
und wir officiellen Thurmwächter der dramatischen Neuigkeiten auch. Und
was sonst in den vielen Theatern los ist, e'est bon pour ass provmoiu,ux."
So beruhigte mein College; allein gewissenhaft wie ich bin, dachte ich doch, ein
Stück, in dem Fr^deric Lemaitre die Hauptrolle spielt, und das I^e roi clvs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/436>, abgerufen am 07.05.2024.