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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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h"ete sich früher drei Jahre in Nordamerika aufgehalten und sich durch eine Schrift
über Moden bekannt gemacht. --

Ungarns Redner und Staatsmänner, von Anton Csengery, (Leipzig und
Wien, Manz) würde ein sehr dankenswertherBeitrag zur ungarischen Geschichte sein, denn das
Material zur Kenntniß der neuern ungarischen Geschichte ist sehr reichhaltig aufgespeichert,
wenn sich der Verfasser nicht öfters verführen ließe, durch weit hergeholte rhetorische
und angeblich philosophische Excurse uicht blos die Aufmerksamkeit zu verwirren, sondern
auch den Ton solider historischer Darstellung aufzuheben. Mau wird trotzdem das
Buch immer benutzen können, denn der Verfasser ist in den politischen und literarischen
Angelegenheiten seines Landes wirklich zu Hause, aber man muß es mit Vorsicht thun. --


Poesie.

-- Vou Karl Beck ist ein neues Werk erschienen: Aus der Hei¬
ni ath (Dresden, Schäfer). Es behandelt die historischen Ereignisse der letzten Jahre
w Ungarn in freien Romanzen. Karl Beck hat sich zuerst einen Namen erworben dnrch
ein Werk, dessen anerkennende Aufnahme von Seiten des Publicums als ein Zeichen der
vollendetsten Geschmacklosigkeit angesehen werden muß, durch "die gepanzerten Lieder."
Er hat in späterer Zeit Manches geschrieben, was eine viel Höhere Stellung in der Poesie
einnimmt, was aber weniger Lärm gemacht hat. Auch in den vorliegenden Gesängen ist
vieles Gute enthalten. Wir finden zuweilen sehr lebhafte, anschauliche Schilderungen,
edel und stark ausgedrückte Gefühle, und wo der Dichter sich in dem Maß der wirk¬
lichen Lyrik hält, anch einen angemessenen Ton; aber die Neigung zur Formlosigkeit
verführt noch immer den Dichter zu den sonderbarsten Extremen. Bald verfällt er
nämlich, und das widerfährt ihm namentlich, wo er Streckverse macht, in ein voll¬
kommen gcgenstandlvses Pathos, bald in einen überpoetischen Schwulst, bald auch wieder
i" eine leere Reimerei im Chronikcnstyl. In früheren Zeiten gaben sich die großen
lyrischen Dichter Mühe, jedes ihrer Gedichte in Form und Inhalt zu einer gewissen
Vollendung abzurunden. Heut zu Tage macht man es sich bequemer. Man schüttet Bilder,
Stimmungen, Empfindungen, Reflexionen bunt durcheinander und bildet sich ein, wenn
"ur überhaupt ein poetisches Gemüth darüber waltet, so werde auch ein vortreffliches
Gedicht daraus hervorgehen. Das ist aber ein sehr großer Irrthum. Man kaun die
schönsten Farben von der Welt dnrchcinanderwcrscn, wenn man aber nicht zu zeichnen
versteht, so wird im Leben kein Bild daraus. Leonore, die Kraniche des Ibycus, die
Braut von Korinth ze,, werden noch lange Jahrhunderte hindurch ein Denkmal unsrer
Poesie bleiben, wenn die gesammte Reflexionspoesie des 19. Jahrhunderts längst in
Vergessenheit gerathen sein wird, und das ist bei Talenten, wie sie Karl Beck unzweifel¬
haft besitzt, in der That zu bedauern. -- Zu der Literatur der Blumcupoefie, aus der
wir in den letzten Heften einige Referate gaben, tragen wir noch "die Pilgerfahrt der
Rose," von Moritz Horn nach (Leipzig, Brockhaus). Bekanntlich ist das Gedicht von
Robert Schumann componirt. Es empfiehlt sich durch eine leichte, graziöse und zum
Theil wirklich poetische Sprache; aber über den Inhalt läßt sich eigentlich nicht viel
sagen; denn daß einem guten Mädchen von der ersten Liebe bis zum Tode allerlei Liebens¬
würdiges und sinniges passirt, ist schon ganz in der Ordnung, das Poetische dieser Ereignisse
wird über nicht im mindesten dadurch gesteigert, wenn man hört, dieses junge Mädchen sei
ursprünglich eine Rose gewesen. Dergleichen Einfälle machen sich einmal ganz gut, und
ein geschickter Maler wie Granville, oder ein gleichfalls geschickter Decorateur und Ballet-
wcistcr, kann dadurch sein Glück machen; wenn man aber längere Zeit mit Figuren zu
thun gehabt hat, die aus Rosen- und Lilieucsseuz bestehen, so sehnt man sich nach Menschen
von Fleisch und Blut. -- Die Kronenbraut, von Tegnir, übersetzt vonWachcn-
b user (Hamburg, Bcrcndsohn), ist das letzte Werk .dieses Dichters. In der Widmung
Mnunt er sich der nationalen Poesie gegen die sogenannte idealistische an, und führt
°'e>en Gedanken auch in dem kleinen Idyll zweckmäßig durch, indem er in das be¬
scheidene Stillleben einige historische Perspective" einführt.


h"ete sich früher drei Jahre in Nordamerika aufgehalten und sich durch eine Schrift
über Moden bekannt gemacht. —

Ungarns Redner und Staatsmänner, von Anton Csengery, (Leipzig und
Wien, Manz) würde ein sehr dankenswertherBeitrag zur ungarischen Geschichte sein, denn das
Material zur Kenntniß der neuern ungarischen Geschichte ist sehr reichhaltig aufgespeichert,
wenn sich der Verfasser nicht öfters verführen ließe, durch weit hergeholte rhetorische
und angeblich philosophische Excurse uicht blos die Aufmerksamkeit zu verwirren, sondern
auch den Ton solider historischer Darstellung aufzuheben. Mau wird trotzdem das
Buch immer benutzen können, denn der Verfasser ist in den politischen und literarischen
Angelegenheiten seines Landes wirklich zu Hause, aber man muß es mit Vorsicht thun. —


Poesie.

— Vou Karl Beck ist ein neues Werk erschienen: Aus der Hei¬
ni ath (Dresden, Schäfer). Es behandelt die historischen Ereignisse der letzten Jahre
w Ungarn in freien Romanzen. Karl Beck hat sich zuerst einen Namen erworben dnrch
ein Werk, dessen anerkennende Aufnahme von Seiten des Publicums als ein Zeichen der
vollendetsten Geschmacklosigkeit angesehen werden muß, durch „die gepanzerten Lieder."
Er hat in späterer Zeit Manches geschrieben, was eine viel Höhere Stellung in der Poesie
einnimmt, was aber weniger Lärm gemacht hat. Auch in den vorliegenden Gesängen ist
vieles Gute enthalten. Wir finden zuweilen sehr lebhafte, anschauliche Schilderungen,
edel und stark ausgedrückte Gefühle, und wo der Dichter sich in dem Maß der wirk¬
lichen Lyrik hält, anch einen angemessenen Ton; aber die Neigung zur Formlosigkeit
verführt noch immer den Dichter zu den sonderbarsten Extremen. Bald verfällt er
nämlich, und das widerfährt ihm namentlich, wo er Streckverse macht, in ein voll¬
kommen gcgenstandlvses Pathos, bald in einen überpoetischen Schwulst, bald auch wieder
i» eine leere Reimerei im Chronikcnstyl. In früheren Zeiten gaben sich die großen
lyrischen Dichter Mühe, jedes ihrer Gedichte in Form und Inhalt zu einer gewissen
Vollendung abzurunden. Heut zu Tage macht man es sich bequemer. Man schüttet Bilder,
Stimmungen, Empfindungen, Reflexionen bunt durcheinander und bildet sich ein, wenn
»ur überhaupt ein poetisches Gemüth darüber waltet, so werde auch ein vortreffliches
Gedicht daraus hervorgehen. Das ist aber ein sehr großer Irrthum. Man kaun die
schönsten Farben von der Welt dnrchcinanderwcrscn, wenn man aber nicht zu zeichnen
versteht, so wird im Leben kein Bild daraus. Leonore, die Kraniche des Ibycus, die
Braut von Korinth ze,, werden noch lange Jahrhunderte hindurch ein Denkmal unsrer
Poesie bleiben, wenn die gesammte Reflexionspoesie des 19. Jahrhunderts längst in
Vergessenheit gerathen sein wird, und das ist bei Talenten, wie sie Karl Beck unzweifel¬
haft besitzt, in der That zu bedauern. — Zu der Literatur der Blumcupoefie, aus der
wir in den letzten Heften einige Referate gaben, tragen wir noch „die Pilgerfahrt der
Rose," von Moritz Horn nach (Leipzig, Brockhaus). Bekanntlich ist das Gedicht von
Robert Schumann componirt. Es empfiehlt sich durch eine leichte, graziöse und zum
Theil wirklich poetische Sprache; aber über den Inhalt läßt sich eigentlich nicht viel
sagen; denn daß einem guten Mädchen von der ersten Liebe bis zum Tode allerlei Liebens¬
würdiges und sinniges passirt, ist schon ganz in der Ordnung, das Poetische dieser Ereignisse
wird über nicht im mindesten dadurch gesteigert, wenn man hört, dieses junge Mädchen sei
ursprünglich eine Rose gewesen. Dergleichen Einfälle machen sich einmal ganz gut, und
ein geschickter Maler wie Granville, oder ein gleichfalls geschickter Decorateur und Ballet-
wcistcr, kann dadurch sein Glück machen; wenn man aber längere Zeit mit Figuren zu
thun gehabt hat, die aus Rosen- und Lilieucsseuz bestehen, so sehnt man sich nach Menschen
von Fleisch und Blut. — Die Kronenbraut, von Tegnir, übersetzt vonWachcn-
b user (Hamburg, Bcrcndsohn), ist das letzte Werk .dieses Dichters. In der Widmung
Mnunt er sich der nationalen Poesie gegen die sogenannte idealistische an, und führt
°'e>en Gedanken auch in dem kleinen Idyll zweckmäßig durch, indem er in das be¬
scheidene Stillleben einige historische Perspective» einführt.


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[0491] h"ete sich früher drei Jahre in Nordamerika aufgehalten und sich durch eine Schrift über Moden bekannt gemacht. — Ungarns Redner und Staatsmänner, von Anton Csengery, (Leipzig und Wien, Manz) würde ein sehr dankenswertherBeitrag zur ungarischen Geschichte sein, denn das Material zur Kenntniß der neuern ungarischen Geschichte ist sehr reichhaltig aufgespeichert, wenn sich der Verfasser nicht öfters verführen ließe, durch weit hergeholte rhetorische und angeblich philosophische Excurse uicht blos die Aufmerksamkeit zu verwirren, sondern auch den Ton solider historischer Darstellung aufzuheben. Mau wird trotzdem das Buch immer benutzen können, denn der Verfasser ist in den politischen und literarischen Angelegenheiten seines Landes wirklich zu Hause, aber man muß es mit Vorsicht thun. — Poesie. — Vou Karl Beck ist ein neues Werk erschienen: Aus der Hei¬ ni ath (Dresden, Schäfer). Es behandelt die historischen Ereignisse der letzten Jahre w Ungarn in freien Romanzen. Karl Beck hat sich zuerst einen Namen erworben dnrch ein Werk, dessen anerkennende Aufnahme von Seiten des Publicums als ein Zeichen der vollendetsten Geschmacklosigkeit angesehen werden muß, durch „die gepanzerten Lieder." Er hat in späterer Zeit Manches geschrieben, was eine viel Höhere Stellung in der Poesie einnimmt, was aber weniger Lärm gemacht hat. Auch in den vorliegenden Gesängen ist vieles Gute enthalten. Wir finden zuweilen sehr lebhafte, anschauliche Schilderungen, edel und stark ausgedrückte Gefühle, und wo der Dichter sich in dem Maß der wirk¬ lichen Lyrik hält, anch einen angemessenen Ton; aber die Neigung zur Formlosigkeit verführt noch immer den Dichter zu den sonderbarsten Extremen. Bald verfällt er nämlich, und das widerfährt ihm namentlich, wo er Streckverse macht, in ein voll¬ kommen gcgenstandlvses Pathos, bald in einen überpoetischen Schwulst, bald auch wieder i» eine leere Reimerei im Chronikcnstyl. In früheren Zeiten gaben sich die großen lyrischen Dichter Mühe, jedes ihrer Gedichte in Form und Inhalt zu einer gewissen Vollendung abzurunden. Heut zu Tage macht man es sich bequemer. Man schüttet Bilder, Stimmungen, Empfindungen, Reflexionen bunt durcheinander und bildet sich ein, wenn »ur überhaupt ein poetisches Gemüth darüber waltet, so werde auch ein vortreffliches Gedicht daraus hervorgehen. Das ist aber ein sehr großer Irrthum. Man kaun die schönsten Farben von der Welt dnrchcinanderwcrscn, wenn man aber nicht zu zeichnen versteht, so wird im Leben kein Bild daraus. Leonore, die Kraniche des Ibycus, die Braut von Korinth ze,, werden noch lange Jahrhunderte hindurch ein Denkmal unsrer Poesie bleiben, wenn die gesammte Reflexionspoesie des 19. Jahrhunderts längst in Vergessenheit gerathen sein wird, und das ist bei Talenten, wie sie Karl Beck unzweifel¬ haft besitzt, in der That zu bedauern. — Zu der Literatur der Blumcupoefie, aus der wir in den letzten Heften einige Referate gaben, tragen wir noch „die Pilgerfahrt der Rose," von Moritz Horn nach (Leipzig, Brockhaus). Bekanntlich ist das Gedicht von Robert Schumann componirt. Es empfiehlt sich durch eine leichte, graziöse und zum Theil wirklich poetische Sprache; aber über den Inhalt läßt sich eigentlich nicht viel sagen; denn daß einem guten Mädchen von der ersten Liebe bis zum Tode allerlei Liebens¬ würdiges und sinniges passirt, ist schon ganz in der Ordnung, das Poetische dieser Ereignisse wird über nicht im mindesten dadurch gesteigert, wenn man hört, dieses junge Mädchen sei ursprünglich eine Rose gewesen. Dergleichen Einfälle machen sich einmal ganz gut, und ein geschickter Maler wie Granville, oder ein gleichfalls geschickter Decorateur und Ballet- wcistcr, kann dadurch sein Glück machen; wenn man aber längere Zeit mit Figuren zu thun gehabt hat, die aus Rosen- und Lilieucsseuz bestehen, so sehnt man sich nach Menschen von Fleisch und Blut. — Die Kronenbraut, von Tegnir, übersetzt vonWachcn- b user (Hamburg, Bcrcndsohn), ist das letzte Werk .dieses Dichters. In der Widmung Mnunt er sich der nationalen Poesie gegen die sogenannte idealistische an, und führt °'e>en Gedanken auch in dem kleinen Idyll zweckmäßig durch, indem er in das be¬ scheidene Stillleben einige historische Perspective» einführt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/491>, abgerufen am 07.05.2024.