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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Sollte sich aber als Resultat ergeben, daß ein Mittel- und süddeutscher Zoll¬
verein mit allgemeiner Wahrung aller Interessen nicht abgeschlossen werden kann,
-- und wir müssen gestehen, daß wir dieses Resultat noch immer für das wahr¬
scheinlichere halten -- dann wird sich wol die Koalition auflösen und die einzelnen
Staaten werden sich früher oder später dem preußischen Verein anschließen. Es
scheint uns das im Ganzen der'naturgemäße Weg, und der frühere Zollverein
ist ja auch auf die nämliche Weise zu Stande gekommen.

Um aber das Verfahren Preußens zu rechtfertigen, muß mau die Sache nicht
lediglich vom commerciellen Standpunkt betrachten. Die Anträge der Koalition
gingen, gewiß ohne daß sich die Urheber derselben darüber ein klares Urtheil
gebildet hatten, geradezu darauf hinaus, Preußen unter die Botmäßigkeit
Oestreichs zu bringen, das heißt, Oestreich eine Controle über die inneren preu¬
ßischen Verhältnisse einzuräumen, ohne irgend welche Reciprocität. Nun sind
wir zwar überzeugt, daß auch in commercieller Hinsicht Preußen im Ganzen be¬
trachtet durch die neue Wendung uur gewinnen kaun, allein selbst wenn das
nicht der Fall wäre, so giebt es doch noch größere Interessen zu vertreten, als
die commerciellen, und diese vor Allem im Auge zu behalten, war die Pflicht der
preußischen Regierung.

Was aber die Coalitiousregiernngen betrifft, so scheint jetzt, da die Etiquette¬
frage beseitigt ist, der Zeitpunkt eingetreten zu sein, wo sie die von ihnen ver¬
tretenen Interessen zu Rathe zu ziehen und sich bei Kundigen Raths, darüber zu er¬
holen haben. Wenn die Interessenten sich bisher eines Ausdrucks ihrer Ueber¬
zeugungen enthalten haben, so konnten wir im Princip damit einverstanden sein,
denn einzelne Interessen, so wichtig sie auch sein mögen, können bei Staats¬
angelegenheiten nicht einseitig den Ausschlag geben; aber es handelt sich hier doch
uicht um eine gesetzliche polirische Einwirkung ans die Regierung, sondern nur
um eine Information, die der Würde der Krone keinen Eintrag thut, und deren
V ersäumniß später zu bitteren Folgen führen könnte.




W o es e n b e r i es t.
Neue NvW""e.

-- Moderner Jesuitismus. Roman von Th. König,
Verf. der "Reisebilder aus Ost und West." 2 Bände. Leipzig, Hermann Schultze. --
Der Roman spielt in deu letzten drei Jahren und beschäftigt sich mit sämmtlichen Wirre"
der Gesellschaft, der Politik, der Literatur ze. Er gehört also in die Klasse der modernen
Titanen, der Matadore, der Ritter vom Geist A. Der historische Vorwurf ist eine
Idee, die wir bereits in einem frühern Werke von Isidor Heller angetroffen haben, daß
nämlich ein Theil des Jesuitenordens, und darunter gerade die einflußreichsten Mitglieder,
sich von ihren alten Zwecken abgewandt und dem unbedingteste" Jlluminatismus in die


Sollte sich aber als Resultat ergeben, daß ein Mittel- und süddeutscher Zoll¬
verein mit allgemeiner Wahrung aller Interessen nicht abgeschlossen werden kann,
— und wir müssen gestehen, daß wir dieses Resultat noch immer für das wahr¬
scheinlichere halten — dann wird sich wol die Koalition auflösen und die einzelnen
Staaten werden sich früher oder später dem preußischen Verein anschließen. Es
scheint uns das im Ganzen der'naturgemäße Weg, und der frühere Zollverein
ist ja auch auf die nämliche Weise zu Stande gekommen.

Um aber das Verfahren Preußens zu rechtfertigen, muß mau die Sache nicht
lediglich vom commerciellen Standpunkt betrachten. Die Anträge der Koalition
gingen, gewiß ohne daß sich die Urheber derselben darüber ein klares Urtheil
gebildet hatten, geradezu darauf hinaus, Preußen unter die Botmäßigkeit
Oestreichs zu bringen, das heißt, Oestreich eine Controle über die inneren preu¬
ßischen Verhältnisse einzuräumen, ohne irgend welche Reciprocität. Nun sind
wir zwar überzeugt, daß auch in commercieller Hinsicht Preußen im Ganzen be¬
trachtet durch die neue Wendung uur gewinnen kaun, allein selbst wenn das
nicht der Fall wäre, so giebt es doch noch größere Interessen zu vertreten, als
die commerciellen, und diese vor Allem im Auge zu behalten, war die Pflicht der
preußischen Regierung.

Was aber die Coalitiousregiernngen betrifft, so scheint jetzt, da die Etiquette¬
frage beseitigt ist, der Zeitpunkt eingetreten zu sein, wo sie die von ihnen ver¬
tretenen Interessen zu Rathe zu ziehen und sich bei Kundigen Raths, darüber zu er¬
holen haben. Wenn die Interessenten sich bisher eines Ausdrucks ihrer Ueber¬
zeugungen enthalten haben, so konnten wir im Princip damit einverstanden sein,
denn einzelne Interessen, so wichtig sie auch sein mögen, können bei Staats¬
angelegenheiten nicht einseitig den Ausschlag geben; aber es handelt sich hier doch
uicht um eine gesetzliche polirische Einwirkung ans die Regierung, sondern nur
um eine Information, die der Würde der Krone keinen Eintrag thut, und deren
V ersäumniß später zu bitteren Folgen führen könnte.




W o es e n b e r i es t.
Neue NvW««e.

— Moderner Jesuitismus. Roman von Th. König,
Verf. der „Reisebilder aus Ost und West." 2 Bände. Leipzig, Hermann Schultze. —
Der Roman spielt in deu letzten drei Jahren und beschäftigt sich mit sämmtlichen Wirre»
der Gesellschaft, der Politik, der Literatur ze. Er gehört also in die Klasse der modernen
Titanen, der Matadore, der Ritter vom Geist A. Der historische Vorwurf ist eine
Idee, die wir bereits in einem frühern Werke von Isidor Heller angetroffen haben, daß
nämlich ein Theil des Jesuitenordens, und darunter gerade die einflußreichsten Mitglieder,
sich von ihren alten Zwecken abgewandt und dem unbedingteste» Jlluminatismus in die


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[0119] Sollte sich aber als Resultat ergeben, daß ein Mittel- und süddeutscher Zoll¬ verein mit allgemeiner Wahrung aller Interessen nicht abgeschlossen werden kann, — und wir müssen gestehen, daß wir dieses Resultat noch immer für das wahr¬ scheinlichere halten — dann wird sich wol die Koalition auflösen und die einzelnen Staaten werden sich früher oder später dem preußischen Verein anschließen. Es scheint uns das im Ganzen der'naturgemäße Weg, und der frühere Zollverein ist ja auch auf die nämliche Weise zu Stande gekommen. Um aber das Verfahren Preußens zu rechtfertigen, muß mau die Sache nicht lediglich vom commerciellen Standpunkt betrachten. Die Anträge der Koalition gingen, gewiß ohne daß sich die Urheber derselben darüber ein klares Urtheil gebildet hatten, geradezu darauf hinaus, Preußen unter die Botmäßigkeit Oestreichs zu bringen, das heißt, Oestreich eine Controle über die inneren preu¬ ßischen Verhältnisse einzuräumen, ohne irgend welche Reciprocität. Nun sind wir zwar überzeugt, daß auch in commercieller Hinsicht Preußen im Ganzen be¬ trachtet durch die neue Wendung uur gewinnen kaun, allein selbst wenn das nicht der Fall wäre, so giebt es doch noch größere Interessen zu vertreten, als die commerciellen, und diese vor Allem im Auge zu behalten, war die Pflicht der preußischen Regierung. Was aber die Coalitiousregiernngen betrifft, so scheint jetzt, da die Etiquette¬ frage beseitigt ist, der Zeitpunkt eingetreten zu sein, wo sie die von ihnen ver¬ tretenen Interessen zu Rathe zu ziehen und sich bei Kundigen Raths, darüber zu er¬ holen haben. Wenn die Interessenten sich bisher eines Ausdrucks ihrer Ueber¬ zeugungen enthalten haben, so konnten wir im Princip damit einverstanden sein, denn einzelne Interessen, so wichtig sie auch sein mögen, können bei Staats¬ angelegenheiten nicht einseitig den Ausschlag geben; aber es handelt sich hier doch uicht um eine gesetzliche polirische Einwirkung ans die Regierung, sondern nur um eine Information, die der Würde der Krone keinen Eintrag thut, und deren V ersäumniß später zu bitteren Folgen führen könnte. W o es e n b e r i es t. Neue NvW««e. — Moderner Jesuitismus. Roman von Th. König, Verf. der „Reisebilder aus Ost und West." 2 Bände. Leipzig, Hermann Schultze. — Der Roman spielt in deu letzten drei Jahren und beschäftigt sich mit sämmtlichen Wirre» der Gesellschaft, der Politik, der Literatur ze. Er gehört also in die Klasse der modernen Titanen, der Matadore, der Ritter vom Geist A. Der historische Vorwurf ist eine Idee, die wir bereits in einem frühern Werke von Isidor Heller angetroffen haben, daß nämlich ein Theil des Jesuitenordens, und darunter gerade die einflußreichsten Mitglieder, sich von ihren alten Zwecken abgewandt und dem unbedingteste» Jlluminatismus in die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/119>, abgerufen am 02.05.2024.