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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Blick aus dieses sonnige Landschaftsgemälde, das sich schon mit den Farben des
Herbstes zu schmücken begann, und bald darauf entführte mich dje dampfschnaubende
Locomotive nach anderen Gegenden.*)




Die Philologenversammlmtg zu Göttinnen.

Gelehrt und gearbeitet, -- geschlagen und getrunken wird hier zu Land Jahr
aus Jahr ein -- aber sonst ist seit geraumer Zeit hier herzlich wenig passirt, das
Stoff zu einer einigermaßen klangreichen Korrespondenz hätte geben können. Und
jetzt? Nun, wenigstens ist doch ein Paar Tage einige Abwechselung, einiges Leben
in die stille Ferienzeit gekommen, statt der heimischen Professoren haben wir fremde
reden hören und sie mit unseren Ferienstudeuten in höchster Gemüthlichkeit kneipen
sehen, kurz, wir haben die Ehre gehabt, in den Tagen vom 29. Sept. bis 2. Octbr.
die dreizehnte Versammlung der deutschen Philologe", Schulmänner und Orien¬
talisten in unseren Mauern zu sehen, und erheben nun auch deu Anspruch, daß
diese merkwürdige Begebenheit, die den Glanz der alten Georgia Angusta mit etwas
frischem Firniß überzieht, dem übrigen Deutschland nicht vorenthalten bleibe.
Sie werden mir also schon gestatten müssen, das Vaterland für einige Augenblicke
mit seinen Schulmeistern zu behelligen, um die es sich sonst leider nur zu wenig
kümmert. Und doch müßte es ihnen so dankbar sein! Ihnen, die zum Schlüsse
ihrer Verhandlungen, echte Deutsche, auf das "ganze, gemeinsame Vaterland"
ein begeistertes Hoch anstimmen konnten, hoffende und vertrauende Gläubige, ohne
daß Scham oder Schmerz ihre Stimmen erstickte. O ihr naiven nud unpraktischen
Menschenkinder! -- Unpraktisch? mit Nichten; praktischer waren sie als die ge¬
wiegten Staatsmänner, die jetzt die norddeutschen Staatsschiffe und Kähnlein
lenken: sie haben sich vou Oestreich beschicken und für nächstes Jahr nach Wien
einladen lassen, die angebotene Bruderhand auch freundlichst geschüttelt, aber die
gemachten Anträge höflichst zu den Acten a,ä rökerenäum gelegt, unter allgemei¬
nen, von jeder Seite dankbarlichst aufgenommenen Versicherungen der Geneigtheit
und des tiefsten Bedauerns, den jenseitigen Wünschen zu entsprechen, resp, ihnen
für jetzt nicht entsprechen zu können, neben der fördersamsten Bereitwilligkeit ihnen
baldthunlichst bei anderer Gelegenheit einmal nachzukommen; kurz, sie haben sich
mit Glanz aus einer diplomatischen Verhandlung mit Oestreich gezogen; um
ihre Bereitwilligkeit gegen dasselbe zu zeigen, haben sie mit Uebergehung der mit
vorgeschlagenen Städte Stuttgart und Dessau zum Orte der nächsten Zusammen-



*) Ueber einzelne Gemälde Nürnbergs -- von v. Dyk und Hvlzschnher in späterem Artikel.
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Blick aus dieses sonnige Landschaftsgemälde, das sich schon mit den Farben des
Herbstes zu schmücken begann, und bald darauf entführte mich dje dampfschnaubende
Locomotive nach anderen Gegenden.*)




Die Philologenversammlmtg zu Göttinnen.

Gelehrt und gearbeitet, — geschlagen und getrunken wird hier zu Land Jahr
aus Jahr ein — aber sonst ist seit geraumer Zeit hier herzlich wenig passirt, das
Stoff zu einer einigermaßen klangreichen Korrespondenz hätte geben können. Und
jetzt? Nun, wenigstens ist doch ein Paar Tage einige Abwechselung, einiges Leben
in die stille Ferienzeit gekommen, statt der heimischen Professoren haben wir fremde
reden hören und sie mit unseren Ferienstudeuten in höchster Gemüthlichkeit kneipen
sehen, kurz, wir haben die Ehre gehabt, in den Tagen vom 29. Sept. bis 2. Octbr.
die dreizehnte Versammlung der deutschen Philologe», Schulmänner und Orien¬
talisten in unseren Mauern zu sehen, und erheben nun auch deu Anspruch, daß
diese merkwürdige Begebenheit, die den Glanz der alten Georgia Angusta mit etwas
frischem Firniß überzieht, dem übrigen Deutschland nicht vorenthalten bleibe.
Sie werden mir also schon gestatten müssen, das Vaterland für einige Augenblicke
mit seinen Schulmeistern zu behelligen, um die es sich sonst leider nur zu wenig
kümmert. Und doch müßte es ihnen so dankbar sein! Ihnen, die zum Schlüsse
ihrer Verhandlungen, echte Deutsche, auf das „ganze, gemeinsame Vaterland"
ein begeistertes Hoch anstimmen konnten, hoffende und vertrauende Gläubige, ohne
daß Scham oder Schmerz ihre Stimmen erstickte. O ihr naiven nud unpraktischen
Menschenkinder! — Unpraktisch? mit Nichten; praktischer waren sie als die ge¬
wiegten Staatsmänner, die jetzt die norddeutschen Staatsschiffe und Kähnlein
lenken: sie haben sich vou Oestreich beschicken und für nächstes Jahr nach Wien
einladen lassen, die angebotene Bruderhand auch freundlichst geschüttelt, aber die
gemachten Anträge höflichst zu den Acten a,ä rökerenäum gelegt, unter allgemei¬
nen, von jeder Seite dankbarlichst aufgenommenen Versicherungen der Geneigtheit
und des tiefsten Bedauerns, den jenseitigen Wünschen zu entsprechen, resp, ihnen
für jetzt nicht entsprechen zu können, neben der fördersamsten Bereitwilligkeit ihnen
baldthunlichst bei anderer Gelegenheit einmal nachzukommen; kurz, sie haben sich
mit Glanz aus einer diplomatischen Verhandlung mit Oestreich gezogen; um
ihre Bereitwilligkeit gegen dasselbe zu zeigen, haben sie mit Uebergehung der mit
vorgeschlagenen Städte Stuttgart und Dessau zum Orte der nächsten Zusammen-



*) Ueber einzelne Gemälde Nürnbergs — von v. Dyk und Hvlzschnher in späterem Artikel.
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[0277] Blick aus dieses sonnige Landschaftsgemälde, das sich schon mit den Farben des Herbstes zu schmücken begann, und bald darauf entführte mich dje dampfschnaubende Locomotive nach anderen Gegenden.*) Die Philologenversammlmtg zu Göttinnen. Gelehrt und gearbeitet, — geschlagen und getrunken wird hier zu Land Jahr aus Jahr ein — aber sonst ist seit geraumer Zeit hier herzlich wenig passirt, das Stoff zu einer einigermaßen klangreichen Korrespondenz hätte geben können. Und jetzt? Nun, wenigstens ist doch ein Paar Tage einige Abwechselung, einiges Leben in die stille Ferienzeit gekommen, statt der heimischen Professoren haben wir fremde reden hören und sie mit unseren Ferienstudeuten in höchster Gemüthlichkeit kneipen sehen, kurz, wir haben die Ehre gehabt, in den Tagen vom 29. Sept. bis 2. Octbr. die dreizehnte Versammlung der deutschen Philologe», Schulmänner und Orien¬ talisten in unseren Mauern zu sehen, und erheben nun auch deu Anspruch, daß diese merkwürdige Begebenheit, die den Glanz der alten Georgia Angusta mit etwas frischem Firniß überzieht, dem übrigen Deutschland nicht vorenthalten bleibe. Sie werden mir also schon gestatten müssen, das Vaterland für einige Augenblicke mit seinen Schulmeistern zu behelligen, um die es sich sonst leider nur zu wenig kümmert. Und doch müßte es ihnen so dankbar sein! Ihnen, die zum Schlüsse ihrer Verhandlungen, echte Deutsche, auf das „ganze, gemeinsame Vaterland" ein begeistertes Hoch anstimmen konnten, hoffende und vertrauende Gläubige, ohne daß Scham oder Schmerz ihre Stimmen erstickte. O ihr naiven nud unpraktischen Menschenkinder! — Unpraktisch? mit Nichten; praktischer waren sie als die ge¬ wiegten Staatsmänner, die jetzt die norddeutschen Staatsschiffe und Kähnlein lenken: sie haben sich vou Oestreich beschicken und für nächstes Jahr nach Wien einladen lassen, die angebotene Bruderhand auch freundlichst geschüttelt, aber die gemachten Anträge höflichst zu den Acten a,ä rökerenäum gelegt, unter allgemei¬ nen, von jeder Seite dankbarlichst aufgenommenen Versicherungen der Geneigtheit und des tiefsten Bedauerns, den jenseitigen Wünschen zu entsprechen, resp, ihnen für jetzt nicht entsprechen zu können, neben der fördersamsten Bereitwilligkeit ihnen baldthunlichst bei anderer Gelegenheit einmal nachzukommen; kurz, sie haben sich mit Glanz aus einer diplomatischen Verhandlung mit Oestreich gezogen; um ihre Bereitwilligkeit gegen dasselbe zu zeigen, haben sie mit Uebergehung der mit vorgeschlagenen Städte Stuttgart und Dessau zum Orte der nächsten Zusammen- *) Ueber einzelne Gemälde Nürnbergs — von v. Dyk und Hvlzschnher in späterem Artikel. 34* '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/277>, abgerufen am 02.05.2024.