Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Publicum von Interesse sein, sich ohne große Mühe in der Vorgeschichte und in
den Verhältnissen des türkischen Reichs zu orientiren. Dies zu erleichtern ist der
Zweck des gegenwärtigen Buches; tiefe historische Studien sind in demselben nicht
gemacht, aber es ist eine verständige Auswahl der Thatsachen angestellt worden,
und man erlangt dadurch ein Bild, wie es ungefähr den Bedürfnissen des grö¬
ßeren Publicums genügt. --


Die Belagerungen der Festung Ofen in den Jahren 1686 und 18i9. Mit
Fontanas und Juvignis Plänen der alten, und einem Situationsplan der
neuen Belagerung. Nach authentischen Berichten und Tagebüchern herausgegeben
von Josef Nvmcdy. Pesth, Emich. --

Die Belagerung von Ofen war der Wendepunkt in der ungarischen Revo¬
lution. Bis dahin war sie von einem Erfolg begleitet gewesen, der ganz Europa
in ein gerechtes Erstaunen versetzte; das Kaiserthum Oestreich stand an einem
schwindelnden Abhang; ein genialer Wille an der Spitze der Bewegung, und es
wäre sehr fraglich gewesen, ob nicht die ganze neue Geschichte eine unerwartete
Wendung genommen hätte. Aber die Ungarn verfielen ihrem Verhängniß; die
nationale Eitelkeit überwand das Gefühl der unmittelbaren praktischen Nothwen¬
digkeit, und was nur durch verzweifelte Kühnheit, durch eiuen blitzesschneller
Entschluß zu erreichen war, ging durch Säumniß unwiederbringlich verloren. --
Dieses Ereignis; gründlich zu analysiren, ist eine der wichtigsten Ausgaben für
den Geschichtsschreiber des ungarischen Krieges, und um so nothwendiger, da
Görgei in seinen Memoiren darüber sehr leicht hinweggeht. -- Der Verfasser
des vorliegenden Buches, vou dessen politischer Färbung wir hier ganz absehen,
da sie auf die Haltung des Ganzen keinen wesentlichen Einfluß ausübt, bringt
gute technische Vorkenntnisse und sorgfältige Studien mit; daß er es verschmäht
hat, seine historische Darstellung durch belletristische Würze dem großen Publicum
mundgerechter zu machen, kann man ihm nur Dank wissen. Die Idee, die beiden
Belagerungen in Parallele zu stellen, und dadurch in das Wesen der Situation
genauer einzugehen, ist vortrefflich. Das meiste Interesse erregen die drei Pläne,
von denen jeder in seiner Art höchst sorgfältig gearbeitet ist und die uns die
Aufgabe deutlicher verstunlichen, als es die genaueste Beschreibung im Stande
gewesen wäre. --


Auerswald und Lichnowsky. Ein Zeitbild, nach den Acten des Appellations-
Gmchts zu Frankfurt a. M. Mit Genehmigung dieses hohen Gerichtshofes
dargestellt von Prof. Reinhold Kostim. (Tübingen, Laupp.) --

Dieses schwarze Ereigniß, mit dem der Fall der deutschen Bewegung eigent¬
lich schon entschieden war, weil sich die öffentliche Meinung von ihr abwandte,
ist schon mehrfach dargestellt worden. Der Verfasser der gegenwärtigen Schrift
hat sich mit Recht von jener Manier fern gehalten, die jetzt in den Darstellungen


Publicum von Interesse sein, sich ohne große Mühe in der Vorgeschichte und in
den Verhältnissen des türkischen Reichs zu orientiren. Dies zu erleichtern ist der
Zweck des gegenwärtigen Buches; tiefe historische Studien sind in demselben nicht
gemacht, aber es ist eine verständige Auswahl der Thatsachen angestellt worden,
und man erlangt dadurch ein Bild, wie es ungefähr den Bedürfnissen des grö¬
ßeren Publicums genügt. —


Die Belagerungen der Festung Ofen in den Jahren 1686 und 18i9. Mit
Fontanas und Juvignis Plänen der alten, und einem Situationsplan der
neuen Belagerung. Nach authentischen Berichten und Tagebüchern herausgegeben
von Josef Nvmcdy. Pesth, Emich. —

Die Belagerung von Ofen war der Wendepunkt in der ungarischen Revo¬
lution. Bis dahin war sie von einem Erfolg begleitet gewesen, der ganz Europa
in ein gerechtes Erstaunen versetzte; das Kaiserthum Oestreich stand an einem
schwindelnden Abhang; ein genialer Wille an der Spitze der Bewegung, und es
wäre sehr fraglich gewesen, ob nicht die ganze neue Geschichte eine unerwartete
Wendung genommen hätte. Aber die Ungarn verfielen ihrem Verhängniß; die
nationale Eitelkeit überwand das Gefühl der unmittelbaren praktischen Nothwen¬
digkeit, und was nur durch verzweifelte Kühnheit, durch eiuen blitzesschneller
Entschluß zu erreichen war, ging durch Säumniß unwiederbringlich verloren. —
Dieses Ereignis; gründlich zu analysiren, ist eine der wichtigsten Ausgaben für
den Geschichtsschreiber des ungarischen Krieges, und um so nothwendiger, da
Görgei in seinen Memoiren darüber sehr leicht hinweggeht. — Der Verfasser
des vorliegenden Buches, vou dessen politischer Färbung wir hier ganz absehen,
da sie auf die Haltung des Ganzen keinen wesentlichen Einfluß ausübt, bringt
gute technische Vorkenntnisse und sorgfältige Studien mit; daß er es verschmäht
hat, seine historische Darstellung durch belletristische Würze dem großen Publicum
mundgerechter zu machen, kann man ihm nur Dank wissen. Die Idee, die beiden
Belagerungen in Parallele zu stellen, und dadurch in das Wesen der Situation
genauer einzugehen, ist vortrefflich. Das meiste Interesse erregen die drei Pläne,
von denen jeder in seiner Art höchst sorgfältig gearbeitet ist und die uns die
Aufgabe deutlicher verstunlichen, als es die genaueste Beschreibung im Stande
gewesen wäre. —


Auerswald und Lichnowsky. Ein Zeitbild, nach den Acten des Appellations-
Gmchts zu Frankfurt a. M. Mit Genehmigung dieses hohen Gerichtshofes
dargestellt von Prof. Reinhold Kostim. (Tübingen, Laupp.) —

Dieses schwarze Ereigniß, mit dem der Fall der deutschen Bewegung eigent¬
lich schon entschieden war, weil sich die öffentliche Meinung von ihr abwandte,
ist schon mehrfach dargestellt worden. Der Verfasser der gegenwärtigen Schrift
hat sich mit Recht von jener Manier fern gehalten, die jetzt in den Darstellungen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96295"/>
            <p xml:id="ID_385" prev="#ID_384"> Publicum von Interesse sein, sich ohne große Mühe in der Vorgeschichte und in<lb/>
den Verhältnissen des türkischen Reichs zu orientiren. Dies zu erleichtern ist der<lb/>
Zweck des gegenwärtigen Buches; tiefe historische Studien sind in demselben nicht<lb/>
gemacht, aber es ist eine verständige Auswahl der Thatsachen angestellt worden,<lb/>
und man erlangt dadurch ein Bild, wie es ungefähr den Bedürfnissen des grö¬<lb/>
ßeren Publicums genügt. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Die Belagerungen der Festung Ofen in den Jahren 1686 und 18i9. Mit<lb/>
Fontanas und Juvignis Plänen der alten, und einem Situationsplan der<lb/>
neuen Belagerung. Nach authentischen Berichten und Tagebüchern herausgegeben<lb/>
von Josef Nvmcdy.  Pesth, Emich. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_386"> Die Belagerung von Ofen war der Wendepunkt in der ungarischen Revo¬<lb/>
lution. Bis dahin war sie von einem Erfolg begleitet gewesen, der ganz Europa<lb/>
in ein gerechtes Erstaunen versetzte; das Kaiserthum Oestreich stand an einem<lb/>
schwindelnden Abhang; ein genialer Wille an der Spitze der Bewegung, und es<lb/>
wäre sehr fraglich gewesen, ob nicht die ganze neue Geschichte eine unerwartete<lb/>
Wendung genommen hätte. Aber die Ungarn verfielen ihrem Verhängniß; die<lb/>
nationale Eitelkeit überwand das Gefühl der unmittelbaren praktischen Nothwen¬<lb/>
digkeit, und was nur durch verzweifelte Kühnheit, durch eiuen blitzesschneller<lb/>
Entschluß zu erreichen war, ging durch Säumniß unwiederbringlich verloren. &#x2014;<lb/>
Dieses Ereignis; gründlich zu analysiren, ist eine der wichtigsten Ausgaben für<lb/>
den Geschichtsschreiber des ungarischen Krieges, und um so nothwendiger, da<lb/>
Görgei in seinen Memoiren darüber sehr leicht hinweggeht. &#x2014; Der Verfasser<lb/>
des vorliegenden Buches, vou dessen politischer Färbung wir hier ganz absehen,<lb/>
da sie auf die Haltung des Ganzen keinen wesentlichen Einfluß ausübt, bringt<lb/>
gute technische Vorkenntnisse und sorgfältige Studien mit; daß er es verschmäht<lb/>
hat, seine historische Darstellung durch belletristische Würze dem großen Publicum<lb/>
mundgerechter zu machen, kann man ihm nur Dank wissen. Die Idee, die beiden<lb/>
Belagerungen in Parallele zu stellen, und dadurch in das Wesen der Situation<lb/>
genauer einzugehen, ist vortrefflich. Das meiste Interesse erregen die drei Pläne,<lb/>
von denen jeder in seiner Art höchst sorgfältig gearbeitet ist und die uns die<lb/>
Aufgabe deutlicher verstunlichen, als es die genaueste Beschreibung im Stande<lb/>
gewesen wäre. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Auerswald und Lichnowsky. Ein Zeitbild, nach den Acten des Appellations-<lb/>
Gmchts zu Frankfurt a. M. Mit Genehmigung dieses hohen Gerichtshofes<lb/>
dargestellt von Prof. Reinhold Kostim.  (Tübingen, Laupp.) &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_387" next="#ID_388"> Dieses schwarze Ereigniß, mit dem der Fall der deutschen Bewegung eigent¬<lb/>
lich schon entschieden war, weil sich die öffentliche Meinung von ihr abwandte,<lb/>
ist schon mehrfach dargestellt worden. Der Verfasser der gegenwärtigen Schrift<lb/>
hat sich mit Recht von jener Manier fern gehalten, die jetzt in den Darstellungen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0120] Publicum von Interesse sein, sich ohne große Mühe in der Vorgeschichte und in den Verhältnissen des türkischen Reichs zu orientiren. Dies zu erleichtern ist der Zweck des gegenwärtigen Buches; tiefe historische Studien sind in demselben nicht gemacht, aber es ist eine verständige Auswahl der Thatsachen angestellt worden, und man erlangt dadurch ein Bild, wie es ungefähr den Bedürfnissen des grö¬ ßeren Publicums genügt. — Die Belagerungen der Festung Ofen in den Jahren 1686 und 18i9. Mit Fontanas und Juvignis Plänen der alten, und einem Situationsplan der neuen Belagerung. Nach authentischen Berichten und Tagebüchern herausgegeben von Josef Nvmcdy. Pesth, Emich. — Die Belagerung von Ofen war der Wendepunkt in der ungarischen Revo¬ lution. Bis dahin war sie von einem Erfolg begleitet gewesen, der ganz Europa in ein gerechtes Erstaunen versetzte; das Kaiserthum Oestreich stand an einem schwindelnden Abhang; ein genialer Wille an der Spitze der Bewegung, und es wäre sehr fraglich gewesen, ob nicht die ganze neue Geschichte eine unerwartete Wendung genommen hätte. Aber die Ungarn verfielen ihrem Verhängniß; die nationale Eitelkeit überwand das Gefühl der unmittelbaren praktischen Nothwen¬ digkeit, und was nur durch verzweifelte Kühnheit, durch eiuen blitzesschneller Entschluß zu erreichen war, ging durch Säumniß unwiederbringlich verloren. — Dieses Ereignis; gründlich zu analysiren, ist eine der wichtigsten Ausgaben für den Geschichtsschreiber des ungarischen Krieges, und um so nothwendiger, da Görgei in seinen Memoiren darüber sehr leicht hinweggeht. — Der Verfasser des vorliegenden Buches, vou dessen politischer Färbung wir hier ganz absehen, da sie auf die Haltung des Ganzen keinen wesentlichen Einfluß ausübt, bringt gute technische Vorkenntnisse und sorgfältige Studien mit; daß er es verschmäht hat, seine historische Darstellung durch belletristische Würze dem großen Publicum mundgerechter zu machen, kann man ihm nur Dank wissen. Die Idee, die beiden Belagerungen in Parallele zu stellen, und dadurch in das Wesen der Situation genauer einzugehen, ist vortrefflich. Das meiste Interesse erregen die drei Pläne, von denen jeder in seiner Art höchst sorgfältig gearbeitet ist und die uns die Aufgabe deutlicher verstunlichen, als es die genaueste Beschreibung im Stande gewesen wäre. — Auerswald und Lichnowsky. Ein Zeitbild, nach den Acten des Appellations- Gmchts zu Frankfurt a. M. Mit Genehmigung dieses hohen Gerichtshofes dargestellt von Prof. Reinhold Kostim. (Tübingen, Laupp.) — Dieses schwarze Ereigniß, mit dem der Fall der deutschen Bewegung eigent¬ lich schon entschieden war, weil sich die öffentliche Meinung von ihr abwandte, ist schon mehrfach dargestellt worden. Der Verfasser der gegenwärtigen Schrift hat sich mit Recht von jener Manier fern gehalten, die jetzt in den Darstellungen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/120
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/120>, abgerufen am 06.05.2024.