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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Kreuzpeilung, der unsrige und der der Nationalzeitung als vollkommen gleich
schlecht erscheine" würde. Bei einer siegreichen Revolution würden gegenwärtig
blos die Mächte der Zerstörung auf dem Wahlplatz bleiben. Es ist möglich, daß
es dazu kommt; es ist möglich, daß wir Constitutionellen mit unsern Vermitte-
lungsbestrebttngen scheitern, aber ans unsrer Seite ist doch wenigstens die Mög¬
lichkeit eines Auswegs gegeben: nämlich die allmälige Bildung einer starken
Partei, deren Grundsätze endlich so die Ueberhand gewinnen, daß anch die
Regierung sich ihnen nicht entziehen kann; aber welchen friedlichen Weg sieht denn
die Nationalzeitung, wenn die Demokratie in ihrer bisherigen Stellung beharrt?

Der Grund, den die Natioualzeitnng gegen die Betheiligung an den Kam¬
mern aufstellt, ist folgender. Einmal haben die Kammern bis jetzt nichts erreicht,
zweitens ist die Regierung stark genng, sie jeden Augenblick aufzuheben. Aber
ganz dasselbe gilt ja anch von der Presse. Die Presse hat ja bis jetzt auch
nichts erreicht, "ut die Regierung ist jeden Augenblick im Stande, die National-
zeitung, sowie sämmtliche liberale Journale zu verbiete", ohne daß sie deshalb
einen Aufstand zu befürchten hätte. Soll das nun auch ein Grund sei", sich
gegen die immer weiter fortschreitende Reaction, der Presse ebensowenig zu be¬
dienen? Freilich würden die Kammer" einen viel größern Einfluß ausüben, wenn
das Volk sich mehr rin sie bekümmerte, und grade dazu sollte die Nativnalzeitmig
aus alle" Kräften beitragen, da sie bisher aus bloßer Opposition gegen die con-
stitutionelle Partei alles Mögliche aufgeboten hat, um die Kammern zu discreditircn.

Einen gewöhnlich angeführte" Grund deutet diesmal glücklicherweise die
Nationalzeitnng nur sehr schwach an. Wir habe" es als eine schwer zu lösende
Gewissensfrage bezeichnet, ob man einen factischen Zustand, der ursprünglich ans
einem Act der Willkür beruhte, dnrch nachträgliche Theilnahme legalisiren dürfe.
Die Natioualzeitnng spricht mit einiger Ironie von diesem Ausdruck. Will sie
damit wirklich sagen, daß dergleichen nie geschehen dürfe? Dann möchten wir
doch frage", was sie vo" dem Verhalten ihrer Freunde ans der linken Seite der
Nationalversammlung meint, die das Ministerium Auerswald zwingen wollten, den
Willküract der Barrikadennacht vom 18. März nachträglich zu legalisiren?




K et d r u n.

Kudrnn. Uevcrschung und Urtext, mit erklärenden Abhandlungen herausg. von Will),
vo" Plönnics. Mit einer systematischen Darstellung der mittelhochdeutschen
epischen Verskunst von Max Rieger. -- Leipzig, Brockhaus. --

Es ist ein schönes Werk des dentschen Fleißes, was wir hier vor uns habe".
A" Einzelnheiten der Ausführung wird von den verschiedenen Standpunkten aus


Kreuzpeilung, der unsrige und der der Nationalzeitung als vollkommen gleich
schlecht erscheine» würde. Bei einer siegreichen Revolution würden gegenwärtig
blos die Mächte der Zerstörung auf dem Wahlplatz bleiben. Es ist möglich, daß
es dazu kommt; es ist möglich, daß wir Constitutionellen mit unsern Vermitte-
lungsbestrebttngen scheitern, aber ans unsrer Seite ist doch wenigstens die Mög¬
lichkeit eines Auswegs gegeben: nämlich die allmälige Bildung einer starken
Partei, deren Grundsätze endlich so die Ueberhand gewinnen, daß anch die
Regierung sich ihnen nicht entziehen kann; aber welchen friedlichen Weg sieht denn
die Nationalzeitung, wenn die Demokratie in ihrer bisherigen Stellung beharrt?

Der Grund, den die Natioualzeitnng gegen die Betheiligung an den Kam¬
mern aufstellt, ist folgender. Einmal haben die Kammern bis jetzt nichts erreicht,
zweitens ist die Regierung stark genng, sie jeden Augenblick aufzuheben. Aber
ganz dasselbe gilt ja anch von der Presse. Die Presse hat ja bis jetzt auch
nichts erreicht, »ut die Regierung ist jeden Augenblick im Stande, die National-
zeitung, sowie sämmtliche liberale Journale zu verbiete», ohne daß sie deshalb
einen Aufstand zu befürchten hätte. Soll das nun auch ein Grund sei», sich
gegen die immer weiter fortschreitende Reaction, der Presse ebensowenig zu be¬
dienen? Freilich würden die Kammer» einen viel größern Einfluß ausüben, wenn
das Volk sich mehr rin sie bekümmerte, und grade dazu sollte die Nativnalzeitmig
aus alle» Kräften beitragen, da sie bisher aus bloßer Opposition gegen die con-
stitutionelle Partei alles Mögliche aufgeboten hat, um die Kammern zu discreditircn.

Einen gewöhnlich angeführte» Grund deutet diesmal glücklicherweise die
Nationalzeitnng nur sehr schwach an. Wir habe» es als eine schwer zu lösende
Gewissensfrage bezeichnet, ob man einen factischen Zustand, der ursprünglich ans
einem Act der Willkür beruhte, dnrch nachträgliche Theilnahme legalisiren dürfe.
Die Natioualzeitnng spricht mit einiger Ironie von diesem Ausdruck. Will sie
damit wirklich sagen, daß dergleichen nie geschehen dürfe? Dann möchten wir
doch frage», was sie vo» dem Verhalten ihrer Freunde ans der linken Seite der
Nationalversammlung meint, die das Ministerium Auerswald zwingen wollten, den
Willküract der Barrikadennacht vom 18. März nachträglich zu legalisiren?




K et d r u n.

Kudrnn. Uevcrschung und Urtext, mit erklärenden Abhandlungen herausg. von Will),
vo» Plönnics. Mit einer systematischen Darstellung der mittelhochdeutschen
epischen Verskunst von Max Rieger. — Leipzig, Brockhaus. —

Es ist ein schönes Werk des dentschen Fleißes, was wir hier vor uns habe».
A» Einzelnheiten der Ausführung wird von den verschiedenen Standpunkten aus


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[0392] Kreuzpeilung, der unsrige und der der Nationalzeitung als vollkommen gleich schlecht erscheine» würde. Bei einer siegreichen Revolution würden gegenwärtig blos die Mächte der Zerstörung auf dem Wahlplatz bleiben. Es ist möglich, daß es dazu kommt; es ist möglich, daß wir Constitutionellen mit unsern Vermitte- lungsbestrebttngen scheitern, aber ans unsrer Seite ist doch wenigstens die Mög¬ lichkeit eines Auswegs gegeben: nämlich die allmälige Bildung einer starken Partei, deren Grundsätze endlich so die Ueberhand gewinnen, daß anch die Regierung sich ihnen nicht entziehen kann; aber welchen friedlichen Weg sieht denn die Nationalzeitung, wenn die Demokratie in ihrer bisherigen Stellung beharrt? Der Grund, den die Natioualzeitnng gegen die Betheiligung an den Kam¬ mern aufstellt, ist folgender. Einmal haben die Kammern bis jetzt nichts erreicht, zweitens ist die Regierung stark genng, sie jeden Augenblick aufzuheben. Aber ganz dasselbe gilt ja anch von der Presse. Die Presse hat ja bis jetzt auch nichts erreicht, »ut die Regierung ist jeden Augenblick im Stande, die National- zeitung, sowie sämmtliche liberale Journale zu verbiete», ohne daß sie deshalb einen Aufstand zu befürchten hätte. Soll das nun auch ein Grund sei», sich gegen die immer weiter fortschreitende Reaction, der Presse ebensowenig zu be¬ dienen? Freilich würden die Kammer» einen viel größern Einfluß ausüben, wenn das Volk sich mehr rin sie bekümmerte, und grade dazu sollte die Nativnalzeitmig aus alle» Kräften beitragen, da sie bisher aus bloßer Opposition gegen die con- stitutionelle Partei alles Mögliche aufgeboten hat, um die Kammern zu discreditircn. Einen gewöhnlich angeführte» Grund deutet diesmal glücklicherweise die Nationalzeitnng nur sehr schwach an. Wir habe» es als eine schwer zu lösende Gewissensfrage bezeichnet, ob man einen factischen Zustand, der ursprünglich ans einem Act der Willkür beruhte, dnrch nachträgliche Theilnahme legalisiren dürfe. Die Natioualzeitnng spricht mit einiger Ironie von diesem Ausdruck. Will sie damit wirklich sagen, daß dergleichen nie geschehen dürfe? Dann möchten wir doch frage», was sie vo» dem Verhalten ihrer Freunde ans der linken Seite der Nationalversammlung meint, die das Ministerium Auerswald zwingen wollten, den Willküract der Barrikadennacht vom 18. März nachträglich zu legalisiren? K et d r u n. Kudrnn. Uevcrschung und Urtext, mit erklärenden Abhandlungen herausg. von Will), vo» Plönnics. Mit einer systematischen Darstellung der mittelhochdeutschen epischen Verskunst von Max Rieger. — Leipzig, Brockhaus. — Es ist ein schönes Werk des dentschen Fleißes, was wir hier vor uns habe». A» Einzelnheiten der Ausführung wird von den verschiedenen Standpunkten aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/392>, abgerufen am 07.05.2024.