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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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lion, als einziger Begleiter. Die Herren trugen weiße Hüte, helle Sommerbein-
kleider und schwarze Ueberröcke. Mit etwas nach vorn gebeugter Stirn schritt
Herr von Brück einher. Die Wache präsentirte, worauf der Gesandte seinen
Hut lüftete, und der Dragoman gleichzeitig ihn etwas tiefer abnahm. Auf der
Treppe kam der Minister den Anlangenden zum Empfang entgegen. Das ist sonst
nicht Sitte und mag zur Charakteristrung der hiesigen Stellung des östreichischen
Staatsmanns dienen. Leise flüsterten die Türken: das ist ein starker Kopf!

Ihnen im Binnenlande habe ich gestern den Anblick des Bosporus in den
Nachmittagsstunden gewünscht. Der Himmel war rein; keine Wolke am fernsten
Horizont; auf dem Seriasker-Thurm, der wie ein ungeheures Minaret über Stambul
aufsteigt, wehte ein Signal. Es bedeutete die Ankunft der lange erwarteten
ägyptischen Flotte. Vier Dampfschiffe waren bereits entsendet, um die schwersten
Fahrzeuge den Kanal anwärts zu remorquiren, denn der Wind stand aus Nord.
Endlich bog das erste Linienschiff um die Serailspitze. Die Dampffregatte
Saaki-Schadi hatte es im Tau. Es war ein Zweidecker; vom Mittelmast her¬
nieder flatterte der kaiserlich vttomanische Wimpel, indeß an der Gaffelraa die
große Flagge mit Halbmond und Stern wehte. Das Fernrohr ließ erkennen,
daß das Leben der Truppen am Bord nicht eben das angenehmste gewesen sein
mag; es sah auf dem Deck sozusagen ziemlich wild aus. Das Corps, welches
die Flotte überbracht hat, wird auf 12,000 Mann angeschlagen. Es wird sein
Lager ans dem asiatischen Ufer des Bosporus nehmen, wo alles bereits zu seinem
Empfang angeordnet ist.

Ans Belgrad find nunmehr bestimmte Nachrichten über die, am anderen
Ufer der Donau statthabende östreichische Concentrirung eingelaufen. Dieselbe
beläuft sich nicht, wie hier vermuthet worden war, auf 60,000, sondern nnr auf
20,000 Mann. Außer Zweifel steht, daß eine russische Propaganda alles daran
gesetzt hat, um die serbische Bevölkerung aufzureizen und eine Revolution, deren
nächster Zweck der Sturz der gegenwärtigen Verwaltung gewesen sein würde, zu
veranlassen. Auch ist solche Gefahr noch keineswegs beseitigt. Wie man mir
versichert, streifen im ganzen Waldgebirge russische Emissäre. Die Pforte hat im
Sinne, schellt Effendi als kaiserlichen Kommissar nach Belgrad abzusenden, indeß
befindet sich dieser Staatsmann in diesem Augenblick noch in Smyrna, und bevor
er den Ort seiner neuen Bestimmung erreicht, mögen noch einige Wochen vergehen.




Pariser Brief.

Man macht viel Lärm hier mit einer kleinen Broschüre, die unter dem Titel:
"Belgien und die östreichische Heirath" vor einigen Tagen hier erschienen ist.


lion, als einziger Begleiter. Die Herren trugen weiße Hüte, helle Sommerbein-
kleider und schwarze Ueberröcke. Mit etwas nach vorn gebeugter Stirn schritt
Herr von Brück einher. Die Wache präsentirte, worauf der Gesandte seinen
Hut lüftete, und der Dragoman gleichzeitig ihn etwas tiefer abnahm. Auf der
Treppe kam der Minister den Anlangenden zum Empfang entgegen. Das ist sonst
nicht Sitte und mag zur Charakteristrung der hiesigen Stellung des östreichischen
Staatsmanns dienen. Leise flüsterten die Türken: das ist ein starker Kopf!

Ihnen im Binnenlande habe ich gestern den Anblick des Bosporus in den
Nachmittagsstunden gewünscht. Der Himmel war rein; keine Wolke am fernsten
Horizont; auf dem Seriasker-Thurm, der wie ein ungeheures Minaret über Stambul
aufsteigt, wehte ein Signal. Es bedeutete die Ankunft der lange erwarteten
ägyptischen Flotte. Vier Dampfschiffe waren bereits entsendet, um die schwersten
Fahrzeuge den Kanal anwärts zu remorquiren, denn der Wind stand aus Nord.
Endlich bog das erste Linienschiff um die Serailspitze. Die Dampffregatte
Saaki-Schadi hatte es im Tau. Es war ein Zweidecker; vom Mittelmast her¬
nieder flatterte der kaiserlich vttomanische Wimpel, indeß an der Gaffelraa die
große Flagge mit Halbmond und Stern wehte. Das Fernrohr ließ erkennen,
daß das Leben der Truppen am Bord nicht eben das angenehmste gewesen sein
mag; es sah auf dem Deck sozusagen ziemlich wild aus. Das Corps, welches
die Flotte überbracht hat, wird auf 12,000 Mann angeschlagen. Es wird sein
Lager ans dem asiatischen Ufer des Bosporus nehmen, wo alles bereits zu seinem
Empfang angeordnet ist.

Ans Belgrad find nunmehr bestimmte Nachrichten über die, am anderen
Ufer der Donau statthabende östreichische Concentrirung eingelaufen. Dieselbe
beläuft sich nicht, wie hier vermuthet worden war, auf 60,000, sondern nnr auf
20,000 Mann. Außer Zweifel steht, daß eine russische Propaganda alles daran
gesetzt hat, um die serbische Bevölkerung aufzureizen und eine Revolution, deren
nächster Zweck der Sturz der gegenwärtigen Verwaltung gewesen sein würde, zu
veranlassen. Auch ist solche Gefahr noch keineswegs beseitigt. Wie man mir
versichert, streifen im ganzen Waldgebirge russische Emissäre. Die Pforte hat im
Sinne, schellt Effendi als kaiserlichen Kommissar nach Belgrad abzusenden, indeß
befindet sich dieser Staatsmann in diesem Augenblick noch in Smyrna, und bevor
er den Ort seiner neuen Bestimmung erreicht, mögen noch einige Wochen vergehen.




Pariser Brief.

Man macht viel Lärm hier mit einer kleinen Broschüre, die unter dem Titel:
„Belgien und die östreichische Heirath" vor einigen Tagen hier erschienen ist.


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[0428] lion, als einziger Begleiter. Die Herren trugen weiße Hüte, helle Sommerbein- kleider und schwarze Ueberröcke. Mit etwas nach vorn gebeugter Stirn schritt Herr von Brück einher. Die Wache präsentirte, worauf der Gesandte seinen Hut lüftete, und der Dragoman gleichzeitig ihn etwas tiefer abnahm. Auf der Treppe kam der Minister den Anlangenden zum Empfang entgegen. Das ist sonst nicht Sitte und mag zur Charakteristrung der hiesigen Stellung des östreichischen Staatsmanns dienen. Leise flüsterten die Türken: das ist ein starker Kopf! Ihnen im Binnenlande habe ich gestern den Anblick des Bosporus in den Nachmittagsstunden gewünscht. Der Himmel war rein; keine Wolke am fernsten Horizont; auf dem Seriasker-Thurm, der wie ein ungeheures Minaret über Stambul aufsteigt, wehte ein Signal. Es bedeutete die Ankunft der lange erwarteten ägyptischen Flotte. Vier Dampfschiffe waren bereits entsendet, um die schwersten Fahrzeuge den Kanal anwärts zu remorquiren, denn der Wind stand aus Nord. Endlich bog das erste Linienschiff um die Serailspitze. Die Dampffregatte Saaki-Schadi hatte es im Tau. Es war ein Zweidecker; vom Mittelmast her¬ nieder flatterte der kaiserlich vttomanische Wimpel, indeß an der Gaffelraa die große Flagge mit Halbmond und Stern wehte. Das Fernrohr ließ erkennen, daß das Leben der Truppen am Bord nicht eben das angenehmste gewesen sein mag; es sah auf dem Deck sozusagen ziemlich wild aus. Das Corps, welches die Flotte überbracht hat, wird auf 12,000 Mann angeschlagen. Es wird sein Lager ans dem asiatischen Ufer des Bosporus nehmen, wo alles bereits zu seinem Empfang angeordnet ist. Ans Belgrad find nunmehr bestimmte Nachrichten über die, am anderen Ufer der Donau statthabende östreichische Concentrirung eingelaufen. Dieselbe beläuft sich nicht, wie hier vermuthet worden war, auf 60,000, sondern nnr auf 20,000 Mann. Außer Zweifel steht, daß eine russische Propaganda alles daran gesetzt hat, um die serbische Bevölkerung aufzureizen und eine Revolution, deren nächster Zweck der Sturz der gegenwärtigen Verwaltung gewesen sein würde, zu veranlassen. Auch ist solche Gefahr noch keineswegs beseitigt. Wie man mir versichert, streifen im ganzen Waldgebirge russische Emissäre. Die Pforte hat im Sinne, schellt Effendi als kaiserlichen Kommissar nach Belgrad abzusenden, indeß befindet sich dieser Staatsmann in diesem Augenblick noch in Smyrna, und bevor er den Ort seiner neuen Bestimmung erreicht, mögen noch einige Wochen vergehen. Pariser Brief. Man macht viel Lärm hier mit einer kleinen Broschüre, die unter dem Titel: „Belgien und die östreichische Heirath" vor einigen Tagen hier erschienen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/428>, abgerufen am 06.05.2024.