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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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An der Spitze jeder Gemeinde steht ein Rath, dessen Mitglieder unmittelbar
von den Eingesessenen auf eine bestimmte Anzahl Jahre erwählt werden. Der
Vorsitzer wird vom Könige außerhalb der Mitglieder des Rathes sowol erwählt,
als auch von ihm entlassen. Zur Wahlberechtigung in der Gemeinde gehören die
Erfordernisse der andern Wahlberechtigungen; nur wird die Summe der directen
Steuern auf die Hälfte gebracht. -- (Schluß im nächsten Heft.)




Bayonne.

Der Weg vo" Pan nach Bayonne führt durch ein paradiesisches Land ; aber
Staub, Hitze und Ermüdung machen endlich für alles Schöne unempfänglich,
wir streuen uns, wenn der Wagen dröhnend über das Pflaster von Se. Esprit
rollt, über die Schiffbrücke fährt, welche die Vorstadt mit der Festung verbindet,
und in der Cour des Messageries das menschenfreundliche Kellnerheer sich um
unsere Koffer und Personen streitet.

Bayonne macht nicht, wie die andern Städte des Bvarn, den Eindruck der
Heiterkeit und des behaglichen Genießens. Zwischen Wall und Graben sind die
Häuser hoch aufgeschossen und die Bevölkerung drängt sich in den engen Straßen.
Zwar ist es noch immer die reine Lust, der glänzende Himmel der Pyrenäen,
aber in der Ferne brüllt das Meer, das unablässig die Klippen-von Bidaritz
peitscht. Bayonne ist Hafenstadt -- hier ist nicht soviel Zeit zu Tanz und Spiel,
hier umfassen die Interessen einen weiteren Horizont; und der Sinn wird ernster,
das Thun energischer, wo täglich die Ohnmacht des Einzelnen, die Begrenzung
des Lebens, die Unsicherheit irdischen Glückes so tief empfunden wird. Die
eigentlicheli Seeleute sind freilich hier, wie überall, unerschrocken dis zur Toll¬
kühnheit; aber ängstlich zählen des Fischers Weib Und Kind die Stunde" bis
zur Rückkehr der Barke, die ihr Liebstes trägt. Mit Bewunderung und Furcht,
mit freudigem Zuruf und stillem Gebet begleiten die Angehörigen das Boot des
Lootsen auf der gefährlichen Einfahrt des Adour und wer zur Messe geht,
um für den Matrosen zu beten, der ferne Meere durchstreift, kaun sich nachher
nicht mit ungetheilten Herzen dem Vergnügen überlassen.

Selbst die Feierabendlieder der vorüberziehenden Arbeiter sind anders als
im Lande von Pan. Statt der neckischen oder zärtlichen Melodien hören wir
wilde Matrosenlieder,, oder die klagenden Molltone spanischer Romanzen. Der
Donner der Brandung begleitet den Gesang, scheint in der Stille der Nacht zu
wachsen, sich zu nähern, alle Lebensregungen zu verschlingen und um Mitternacht
halten nur Luft und Meer ein gewaltiges Zwiegespräch.

Aber schon mit dem Morgengrauen beginnt des Tages lärmende Gcschäftig-


Greuzboten, IU. 186?. 7

An der Spitze jeder Gemeinde steht ein Rath, dessen Mitglieder unmittelbar
von den Eingesessenen auf eine bestimmte Anzahl Jahre erwählt werden. Der
Vorsitzer wird vom Könige außerhalb der Mitglieder des Rathes sowol erwählt,
als auch von ihm entlassen. Zur Wahlberechtigung in der Gemeinde gehören die
Erfordernisse der andern Wahlberechtigungen; nur wird die Summe der directen
Steuern auf die Hälfte gebracht. — (Schluß im nächsten Heft.)




Bayonne.

Der Weg vo» Pan nach Bayonne führt durch ein paradiesisches Land ; aber
Staub, Hitze und Ermüdung machen endlich für alles Schöne unempfänglich,
wir streuen uns, wenn der Wagen dröhnend über das Pflaster von Se. Esprit
rollt, über die Schiffbrücke fährt, welche die Vorstadt mit der Festung verbindet,
und in der Cour des Messageries das menschenfreundliche Kellnerheer sich um
unsere Koffer und Personen streitet.

Bayonne macht nicht, wie die andern Städte des Bvarn, den Eindruck der
Heiterkeit und des behaglichen Genießens. Zwischen Wall und Graben sind die
Häuser hoch aufgeschossen und die Bevölkerung drängt sich in den engen Straßen.
Zwar ist es noch immer die reine Lust, der glänzende Himmel der Pyrenäen,
aber in der Ferne brüllt das Meer, das unablässig die Klippen-von Bidaritz
peitscht. Bayonne ist Hafenstadt — hier ist nicht soviel Zeit zu Tanz und Spiel,
hier umfassen die Interessen einen weiteren Horizont; und der Sinn wird ernster,
das Thun energischer, wo täglich die Ohnmacht des Einzelnen, die Begrenzung
des Lebens, die Unsicherheit irdischen Glückes so tief empfunden wird. Die
eigentlicheli Seeleute sind freilich hier, wie überall, unerschrocken dis zur Toll¬
kühnheit; aber ängstlich zählen des Fischers Weib Und Kind die Stunde» bis
zur Rückkehr der Barke, die ihr Liebstes trägt. Mit Bewunderung und Furcht,
mit freudigem Zuruf und stillem Gebet begleiten die Angehörigen das Boot des
Lootsen auf der gefährlichen Einfahrt des Adour und wer zur Messe geht,
um für den Matrosen zu beten, der ferne Meere durchstreift, kaun sich nachher
nicht mit ungetheilten Herzen dem Vergnügen überlassen.

Selbst die Feierabendlieder der vorüberziehenden Arbeiter sind anders als
im Lande von Pan. Statt der neckischen oder zärtlichen Melodien hören wir
wilde Matrosenlieder,, oder die klagenden Molltone spanischer Romanzen. Der
Donner der Brandung begleitet den Gesang, scheint in der Stille der Nacht zu
wachsen, sich zu nähern, alle Lebensregungen zu verschlingen und um Mitternacht
halten nur Luft und Meer ein gewaltiges Zwiegespräch.

Aber schon mit dem Morgengrauen beginnt des Tages lärmende Gcschäftig-


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[0057] An der Spitze jeder Gemeinde steht ein Rath, dessen Mitglieder unmittelbar von den Eingesessenen auf eine bestimmte Anzahl Jahre erwählt werden. Der Vorsitzer wird vom Könige außerhalb der Mitglieder des Rathes sowol erwählt, als auch von ihm entlassen. Zur Wahlberechtigung in der Gemeinde gehören die Erfordernisse der andern Wahlberechtigungen; nur wird die Summe der directen Steuern auf die Hälfte gebracht. — (Schluß im nächsten Heft.) Bayonne. Der Weg vo» Pan nach Bayonne führt durch ein paradiesisches Land ; aber Staub, Hitze und Ermüdung machen endlich für alles Schöne unempfänglich, wir streuen uns, wenn der Wagen dröhnend über das Pflaster von Se. Esprit rollt, über die Schiffbrücke fährt, welche die Vorstadt mit der Festung verbindet, und in der Cour des Messageries das menschenfreundliche Kellnerheer sich um unsere Koffer und Personen streitet. Bayonne macht nicht, wie die andern Städte des Bvarn, den Eindruck der Heiterkeit und des behaglichen Genießens. Zwischen Wall und Graben sind die Häuser hoch aufgeschossen und die Bevölkerung drängt sich in den engen Straßen. Zwar ist es noch immer die reine Lust, der glänzende Himmel der Pyrenäen, aber in der Ferne brüllt das Meer, das unablässig die Klippen-von Bidaritz peitscht. Bayonne ist Hafenstadt — hier ist nicht soviel Zeit zu Tanz und Spiel, hier umfassen die Interessen einen weiteren Horizont; und der Sinn wird ernster, das Thun energischer, wo täglich die Ohnmacht des Einzelnen, die Begrenzung des Lebens, die Unsicherheit irdischen Glückes so tief empfunden wird. Die eigentlicheli Seeleute sind freilich hier, wie überall, unerschrocken dis zur Toll¬ kühnheit; aber ängstlich zählen des Fischers Weib Und Kind die Stunde» bis zur Rückkehr der Barke, die ihr Liebstes trägt. Mit Bewunderung und Furcht, mit freudigem Zuruf und stillem Gebet begleiten die Angehörigen das Boot des Lootsen auf der gefährlichen Einfahrt des Adour und wer zur Messe geht, um für den Matrosen zu beten, der ferne Meere durchstreift, kaun sich nachher nicht mit ungetheilten Herzen dem Vergnügen überlassen. Selbst die Feierabendlieder der vorüberziehenden Arbeiter sind anders als im Lande von Pan. Statt der neckischen oder zärtlichen Melodien hören wir wilde Matrosenlieder,, oder die klagenden Molltone spanischer Romanzen. Der Donner der Brandung begleitet den Gesang, scheint in der Stille der Nacht zu wachsen, sich zu nähern, alle Lebensregungen zu verschlingen und um Mitternacht halten nur Luft und Meer ein gewaltiges Zwiegespräch. Aber schon mit dem Morgengrauen beginnt des Tages lärmende Gcschäftig- Greuzboten, IU. 186?. 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/57>, abgerufen am 06.05.2024.