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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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vorwärts strebende Natur empört sich ebenso sehr gegen das Einerlei, als gegen
die blinde, mechanische Ausführung des fremden Gedankens, der das Muster
des Gewebes entworfen. Wenn schon jetzt der persische Shawl ein Erzeugniß
ist, dessen Vollkommenheit die europäische Industrie bisher nicht zu erreichen ver¬
mochte, wenn die Mousseline von Dacca, die seineu Schleierspitzen, die Gold-
uud Silberstickereien auf Sammet, Seide und Cashcmir, welche die indische Ab¬
theilung im Glaspalast zeigte, einzig in ihrer Art waren, was haben wir zu er¬
warten, wenn der Zug des asiatisch-europäischen Handels mitten durch Vorder¬
asien geführt, wenn es den europäischen Fabrikanten und Kapitalisten möglich ge¬
macht wird, die Kunstfertigkeit des persischen Webers auszubeuten! Ist es so
ganz unwahrscheinlich, daß Asten, reich an Erzeugnissen der Natur wie der In¬
dustrie, dann dem europäischen Kaufmann als gleichberechtigter Concurrent Amerikas,
dessen Ausfuhr noch lange im wesentlichen auf Rohstoffe- und Verzehrungsobjecte
beschränkt sein wird, gegenübertritt?

Wie dem immer sein mag, der Antheil Asiens an der Production der Erde
ist im Steigen begriffen -- das ist eine Thatsache, die sich nicht ableugnen läßt,
und der zweite Welttheil gewinnt an Bedeutung für den Welthandel. Dies ist
Grund genug, die Versuche, welche zur Herstellung einer näheren und lebhafteren
Verbindung mit Europa gemacht werden, mit aller Aufmerksamkeit zu verfolgen.




Die politischen Zustände in den Niederlanden.
2. '

Was das Ministerium Thorbecke theils wirklich ausgeführt, theils wenigstens
projectirt und angebahnt hat, mag ein Blick auf die legislatorische Thätigkeit der
beiden letzten Sessionen, die seinem Sturze vorangingen, zeigen. Der mit Belgien
im Jahre 1831 geschlossene Handelsvertrag sollte am 1. Januar 1832 ins Leben
treten, ward aber von der niederländischen ersten Kammer nicht genehmigt, weil
dieselbe in einigen von der belgischen Regierung gemachten Ausführuugsbestim-
muugeu eine Verletzung der niederländischen Interessen zu sehen glaubte; es trat
deshalb der Handelsvertrag "erst mehre Monate später in Kraft, nachdem die
Bedenken der ersten Kammer erledigt waren.

Am 27. Januar 1832 trat die zweite Kammer zusammen und blieb mit einer
kurzen Unterbrechung bis zum 2. April vereinigt, in welcher Sitzung, außer den
Gesetzen von untergeordneter und speciell niederländischer Bedeutung, infolge
von Gcsetzesvorlageu zwei der wichtigsten niederländischen Staatsfragen zu einer
langen und resultatreichen Berathung in der zweiten und zum Theil auch in der
ersten Kammer kamen, nämlich die über das Verhältniß der Regierung zur


vorwärts strebende Natur empört sich ebenso sehr gegen das Einerlei, als gegen
die blinde, mechanische Ausführung des fremden Gedankens, der das Muster
des Gewebes entworfen. Wenn schon jetzt der persische Shawl ein Erzeugniß
ist, dessen Vollkommenheit die europäische Industrie bisher nicht zu erreichen ver¬
mochte, wenn die Mousseline von Dacca, die seineu Schleierspitzen, die Gold-
uud Silberstickereien auf Sammet, Seide und Cashcmir, welche die indische Ab¬
theilung im Glaspalast zeigte, einzig in ihrer Art waren, was haben wir zu er¬
warten, wenn der Zug des asiatisch-europäischen Handels mitten durch Vorder¬
asien geführt, wenn es den europäischen Fabrikanten und Kapitalisten möglich ge¬
macht wird, die Kunstfertigkeit des persischen Webers auszubeuten! Ist es so
ganz unwahrscheinlich, daß Asten, reich an Erzeugnissen der Natur wie der In¬
dustrie, dann dem europäischen Kaufmann als gleichberechtigter Concurrent Amerikas,
dessen Ausfuhr noch lange im wesentlichen auf Rohstoffe- und Verzehrungsobjecte
beschränkt sein wird, gegenübertritt?

Wie dem immer sein mag, der Antheil Asiens an der Production der Erde
ist im Steigen begriffen — das ist eine Thatsache, die sich nicht ableugnen läßt,
und der zweite Welttheil gewinnt an Bedeutung für den Welthandel. Dies ist
Grund genug, die Versuche, welche zur Herstellung einer näheren und lebhafteren
Verbindung mit Europa gemacht werden, mit aller Aufmerksamkeit zu verfolgen.




Die politischen Zustände in den Niederlanden.
2. '

Was das Ministerium Thorbecke theils wirklich ausgeführt, theils wenigstens
projectirt und angebahnt hat, mag ein Blick auf die legislatorische Thätigkeit der
beiden letzten Sessionen, die seinem Sturze vorangingen, zeigen. Der mit Belgien
im Jahre 1831 geschlossene Handelsvertrag sollte am 1. Januar 1832 ins Leben
treten, ward aber von der niederländischen ersten Kammer nicht genehmigt, weil
dieselbe in einigen von der belgischen Regierung gemachten Ausführuugsbestim-
muugeu eine Verletzung der niederländischen Interessen zu sehen glaubte; es trat
deshalb der Handelsvertrag „erst mehre Monate später in Kraft, nachdem die
Bedenken der ersten Kammer erledigt waren.

Am 27. Januar 1832 trat die zweite Kammer zusammen und blieb mit einer
kurzen Unterbrechung bis zum 2. April vereinigt, in welcher Sitzung, außer den
Gesetzen von untergeordneter und speciell niederländischer Bedeutung, infolge
von Gcsetzesvorlageu zwei der wichtigsten niederländischen Staatsfragen zu einer
langen und resultatreichen Berathung in der zweiten und zum Theil auch in der
ersten Kammer kamen, nämlich die über das Verhältniß der Regierung zur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/95>, abgerufen am 06.05.2024.