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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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erfordert ein sorgfältiges Studium, wir hoben also hier nur eine vorläufige An¬
zeige geben wollen, um das größere Publicum darauf aufmerksam zu machen, und
behalten uns für spätere Zeit eine ausführlichere Besprechung vor; eine Be¬
sprechung, die wir noch einigen andern Schriften ähnlicher Tendenz schuldig
sind, z. B. der vortrefflichen Geschichte Schleswig-Holsteins von Waitz, die in
demselben Verlage erschienen ist. -- Das Werk ist > auf drei Bände berechnet,
deren zweiter auch die Entwickelung des ständischen Lebens und der Gerichtsver¬
fassung enthalten soll.




Neue Reiseliteratur.
8o"vvui,'s ils voriges d'ni,näki8 p"? 8 t. Aare Kirai'et in, <Je I'zvailvmio s>"n-
<;uise. ljruxellLS. Iliossling. A. Bd.

Wir haben bereits den ersten Band dieser schön geschriebenen Sammlung
mit großem Interesse gelesen; der zweite Band ist nur geeignet, dieses Interesse
zu steigern. Zuerst haben wir eine Fortsetzung der Donaureisc, mit gelegentlichen
Bemerkungen über die Bedeutung des russischen Reichs für Europa, die zwar
vielen Widerspruch hervorrufen werden, die aber eine ernsthafte Kenntnißnahme
verdienen, weil sie nicht ans flüchtigen Einfällen, sondern aus ernstem Nachden¬
ken hervorgegangen sind. Weit interessanter für den deutschen Leser wird der
zweite Theil sein, der sich mit der Literatur beschäftigt. Freilich muß man sich
dabei immer daran erinnern, daß man es mit einem Franzosen zu thun hat. Der
deutsche Gelehrte prüft erst ans das sorgfältigste das Material, ehe er sich zu einem
Urtheil hergibt; bei dem Franzosen dagegen ist die Phantasie unmittelbar thätig,
er macht sich augenblicklich ein lebhaftes und anschauliches Bild, und wenn das
auch der Gründlichkeit und Stichhaltigkeit seiner Forschungen manchen Abbruch
thut, so hat es doch den Gewinn, daß es sich dem Leser einprägt, ihn orientirt
und ihn zu weitern Untersuchungen auffordert. So ist z. B. eine sehr anregende
Abhandlung über die epische Poesie der Deutschen (geschrieben 1832). "Vor
13 Jahren, sagt er, gab es noch kein Lehrbuch der Dichtkunst, in der sich nicht
Regeln und Vorschriften für die epische Dichtung vorfanden. Man gab dem
jungen Dichter Anweisung, wie er ein episches Gedicht machen solle. Pater La-
bossn verlangt, daß der eigentliche Gegenstand des epischen Gedichts eine echte
Moral sei, unter dem Schleier einer Allegorie dargereicht, so daß man die Fabel
nach dem Bedürfniß der Moral, die Personen uach dem Bedürfniß der Fabel
einzurichten habe. Der Abbe Terrasson behauptet im Gegentheil, daß man ohne
Rücksicht auf die Moral zum Gegenstand der Epopöe die Ausführung eines gro¬
ßen Gemäldes zu wählen habe, und tadelt den Gegenstand der Ilias, den er
eine "irmetion" nennt. Die Komposition der Epopöe, sagt Marmontel, umfaßt


erfordert ein sorgfältiges Studium, wir hoben also hier nur eine vorläufige An¬
zeige geben wollen, um das größere Publicum darauf aufmerksam zu machen, und
behalten uns für spätere Zeit eine ausführlichere Besprechung vor; eine Be¬
sprechung, die wir noch einigen andern Schriften ähnlicher Tendenz schuldig
sind, z. B. der vortrefflichen Geschichte Schleswig-Holsteins von Waitz, die in
demselben Verlage erschienen ist. — Das Werk ist > auf drei Bände berechnet,
deren zweiter auch die Entwickelung des ständischen Lebens und der Gerichtsver¬
fassung enthalten soll.




Neue Reiseliteratur.
8o»vvui,'s ils voriges d'ni,näki8 p»? 8 t. Aare Kirai'et in, <Je I'zvailvmio s>»n-
<;uise. ljruxellLS. Iliossling. A. Bd.

Wir haben bereits den ersten Band dieser schön geschriebenen Sammlung
mit großem Interesse gelesen; der zweite Band ist nur geeignet, dieses Interesse
zu steigern. Zuerst haben wir eine Fortsetzung der Donaureisc, mit gelegentlichen
Bemerkungen über die Bedeutung des russischen Reichs für Europa, die zwar
vielen Widerspruch hervorrufen werden, die aber eine ernsthafte Kenntnißnahme
verdienen, weil sie nicht ans flüchtigen Einfällen, sondern aus ernstem Nachden¬
ken hervorgegangen sind. Weit interessanter für den deutschen Leser wird der
zweite Theil sein, der sich mit der Literatur beschäftigt. Freilich muß man sich
dabei immer daran erinnern, daß man es mit einem Franzosen zu thun hat. Der
deutsche Gelehrte prüft erst ans das sorgfältigste das Material, ehe er sich zu einem
Urtheil hergibt; bei dem Franzosen dagegen ist die Phantasie unmittelbar thätig,
er macht sich augenblicklich ein lebhaftes und anschauliches Bild, und wenn das
auch der Gründlichkeit und Stichhaltigkeit seiner Forschungen manchen Abbruch
thut, so hat es doch den Gewinn, daß es sich dem Leser einprägt, ihn orientirt
und ihn zu weitern Untersuchungen auffordert. So ist z. B. eine sehr anregende
Abhandlung über die epische Poesie der Deutschen (geschrieben 1832). „Vor
13 Jahren, sagt er, gab es noch kein Lehrbuch der Dichtkunst, in der sich nicht
Regeln und Vorschriften für die epische Dichtung vorfanden. Man gab dem
jungen Dichter Anweisung, wie er ein episches Gedicht machen solle. Pater La-
bossn verlangt, daß der eigentliche Gegenstand des epischen Gedichts eine echte
Moral sei, unter dem Schleier einer Allegorie dargereicht, so daß man die Fabel
nach dem Bedürfniß der Moral, die Personen uach dem Bedürfniß der Fabel
einzurichten habe. Der Abbe Terrasson behauptet im Gegentheil, daß man ohne
Rücksicht auf die Moral zum Gegenstand der Epopöe die Ausführung eines gro¬
ßen Gemäldes zu wählen habe, und tadelt den Gegenstand der Ilias, den er
eine „irmetion" nennt. Die Komposition der Epopöe, sagt Marmontel, umfaßt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/152>, abgerufen am 19.05.2024.