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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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grenzt, zudem das gesammte Publicum verpflichtet ist, eine Stunde vor Anfang
des Concerts Sitzung zu halten. Diesem Uebelstande kann nur durch eine
Radicalcur abgeholfen werden, durch eine starke Erhöhung des Preises und durch
eine Nnmerirnng sämmtlicher Plätze. Wenn jedes Concertbillet, einerlei, ob es
ein persönliches oder unpersönliches, ein Familien- oder Hagestolzenbillet ist,
zwölf Thaler kostet, so wird der Zudrang sich in den ersten Jahren ohne den
geringsten Schaden für die Kasse ein wenig vermindern, in den nächsten drei
Jahren wird er eben so groß sein; man kann dann zu einer neuen Erhöhung
schreiten und den Ueberschuß dazu benutzen, nicht etwa neue Virtuosen herbeizu¬
ziehen, sondern die Mitglieder des Orchesters besser zu besolde". Zu dieser
Preiserhöhung ist aber die Concertdirectiou vollkommen berechtigt, weil dem
weniger bemittelten Publicum andere Concerte offen stehen, welche im Wesent¬
lichen dieselbe Tendenz verfolgen "ut unter denen sich seit den letzten Jahren
die Euterpe durch eine feste consequente Leitung, und, wenn man die Schwäche
der Geldmittel in Anschlag bringt, dnrch ganz vorzügliche Leistungen hervor¬
gethan hat. Und hier steht die Sache nicht etwa so, daß das eine Institut dem
andern Concurrenz macht, im Gegentheil dient jedes derselben, sobald es nur von
einem ernsten, strengen und redlichen Streben geleitet wird, dazu, den Geschmack
an guter Musik im Publicum zu verbreiten, und eben dadurch das Interesse für
den Ort, wo es dieselbe in der höchsten Vollendung antrifft, zu erhöhen.




Ganz damit beschäftigt, Sie möglichst genau über die hiesige" politischen
Vorgänge, die gegenwärtig den Brennpunkt des europäischen Interesses ausma¬
che", zu unterrichten, habe ich versäumt, eines damit i" keiner Verbindung stehen¬
den Ereignisses zu gedenken, das aber nichtsdestoweniger ans diese Capitale und
die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihr einen tiefgreifenden Einfluß ausübt: ich
meine die plötzliche Ankunft des Herbstes, mit seinen Stürmen aus Nord, Ost
und Süd, mit deu abwechselnd kalten und warmen Regenschauer" und dem düstern
Wolkeuheere, das heute zumal, bis auf wenige blaue Stellen, die uoch frei geblie¬
ben sind, den sonst so hell strahlenden Himmel besetzt hält. Der Horizont zieht
sich enger um die sonst so weil schauenden AuSsichtSpuukte her, kaum die
Prinzeninseln, geschweige denn der bilhynische Olymp mit der weitgestreckten Kette
des Keschisch-Dagh, deren höchster Gipfel er ist, erblickt man über die "uumehr
gran gewordene und von Nebelschichten überzogene Flut der Propoutis hinweg.
An solchen Tagen treten alle Mängel Konstantinopels doppelt grell hervor, weil


grenzt, zudem das gesammte Publicum verpflichtet ist, eine Stunde vor Anfang
des Concerts Sitzung zu halten. Diesem Uebelstande kann nur durch eine
Radicalcur abgeholfen werden, durch eine starke Erhöhung des Preises und durch
eine Nnmerirnng sämmtlicher Plätze. Wenn jedes Concertbillet, einerlei, ob es
ein persönliches oder unpersönliches, ein Familien- oder Hagestolzenbillet ist,
zwölf Thaler kostet, so wird der Zudrang sich in den ersten Jahren ohne den
geringsten Schaden für die Kasse ein wenig vermindern, in den nächsten drei
Jahren wird er eben so groß sein; man kann dann zu einer neuen Erhöhung
schreiten und den Ueberschuß dazu benutzen, nicht etwa neue Virtuosen herbeizu¬
ziehen, sondern die Mitglieder des Orchesters besser zu besolde». Zu dieser
Preiserhöhung ist aber die Concertdirectiou vollkommen berechtigt, weil dem
weniger bemittelten Publicum andere Concerte offen stehen, welche im Wesent¬
lichen dieselbe Tendenz verfolgen »ut unter denen sich seit den letzten Jahren
die Euterpe durch eine feste consequente Leitung, und, wenn man die Schwäche
der Geldmittel in Anschlag bringt, dnrch ganz vorzügliche Leistungen hervor¬
gethan hat. Und hier steht die Sache nicht etwa so, daß das eine Institut dem
andern Concurrenz macht, im Gegentheil dient jedes derselben, sobald es nur von
einem ernsten, strengen und redlichen Streben geleitet wird, dazu, den Geschmack
an guter Musik im Publicum zu verbreiten, und eben dadurch das Interesse für
den Ort, wo es dieselbe in der höchsten Vollendung antrifft, zu erhöhen.




Ganz damit beschäftigt, Sie möglichst genau über die hiesige» politischen
Vorgänge, die gegenwärtig den Brennpunkt des europäischen Interesses ausma¬
che», zu unterrichten, habe ich versäumt, eines damit i» keiner Verbindung stehen¬
den Ereignisses zu gedenken, das aber nichtsdestoweniger ans diese Capitale und
die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihr einen tiefgreifenden Einfluß ausübt: ich
meine die plötzliche Ankunft des Herbstes, mit seinen Stürmen aus Nord, Ost
und Süd, mit deu abwechselnd kalten und warmen Regenschauer» und dem düstern
Wolkeuheere, das heute zumal, bis auf wenige blaue Stellen, die uoch frei geblie¬
ben sind, den sonst so hell strahlenden Himmel besetzt hält. Der Horizont zieht
sich enger um die sonst so weil schauenden AuSsichtSpuukte her, kaum die
Prinzeninseln, geschweige denn der bilhynische Olymp mit der weitgestreckten Kette
des Keschisch-Dagh, deren höchster Gipfel er ist, erblickt man über die »uumehr
gran gewordene und von Nebelschichten überzogene Flut der Propoutis hinweg.
An solchen Tagen treten alle Mängel Konstantinopels doppelt grell hervor, weil


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[0191] grenzt, zudem das gesammte Publicum verpflichtet ist, eine Stunde vor Anfang des Concerts Sitzung zu halten. Diesem Uebelstande kann nur durch eine Radicalcur abgeholfen werden, durch eine starke Erhöhung des Preises und durch eine Nnmerirnng sämmtlicher Plätze. Wenn jedes Concertbillet, einerlei, ob es ein persönliches oder unpersönliches, ein Familien- oder Hagestolzenbillet ist, zwölf Thaler kostet, so wird der Zudrang sich in den ersten Jahren ohne den geringsten Schaden für die Kasse ein wenig vermindern, in den nächsten drei Jahren wird er eben so groß sein; man kann dann zu einer neuen Erhöhung schreiten und den Ueberschuß dazu benutzen, nicht etwa neue Virtuosen herbeizu¬ ziehen, sondern die Mitglieder des Orchesters besser zu besolde». Zu dieser Preiserhöhung ist aber die Concertdirectiou vollkommen berechtigt, weil dem weniger bemittelten Publicum andere Concerte offen stehen, welche im Wesent¬ lichen dieselbe Tendenz verfolgen »ut unter denen sich seit den letzten Jahren die Euterpe durch eine feste consequente Leitung, und, wenn man die Schwäche der Geldmittel in Anschlag bringt, dnrch ganz vorzügliche Leistungen hervor¬ gethan hat. Und hier steht die Sache nicht etwa so, daß das eine Institut dem andern Concurrenz macht, im Gegentheil dient jedes derselben, sobald es nur von einem ernsten, strengen und redlichen Streben geleitet wird, dazu, den Geschmack an guter Musik im Publicum zu verbreiten, und eben dadurch das Interesse für den Ort, wo es dieselbe in der höchsten Vollendung antrifft, zu erhöhen. Ganz damit beschäftigt, Sie möglichst genau über die hiesige» politischen Vorgänge, die gegenwärtig den Brennpunkt des europäischen Interesses ausma¬ che», zu unterrichten, habe ich versäumt, eines damit i» keiner Verbindung stehen¬ den Ereignisses zu gedenken, das aber nichtsdestoweniger ans diese Capitale und die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihr einen tiefgreifenden Einfluß ausübt: ich meine die plötzliche Ankunft des Herbstes, mit seinen Stürmen aus Nord, Ost und Süd, mit deu abwechselnd kalten und warmen Regenschauer» und dem düstern Wolkeuheere, das heute zumal, bis auf wenige blaue Stellen, die uoch frei geblie¬ ben sind, den sonst so hell strahlenden Himmel besetzt hält. Der Horizont zieht sich enger um die sonst so weil schauenden AuSsichtSpuukte her, kaum die Prinzeninseln, geschweige denn der bilhynische Olymp mit der weitgestreckten Kette des Keschisch-Dagh, deren höchster Gipfel er ist, erblickt man über die »uumehr gran gewordene und von Nebelschichten überzogene Flut der Propoutis hinweg. An solchen Tagen treten alle Mängel Konstantinopels doppelt grell hervor, weil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/191>, abgerufen am 19.05.2024.