Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Tagesliteratur in Oestreich.

Die östreichische Journalistik steht auf einer ziemlich niedrigen Stufe und ist
theils aus diesem Grnnde, theils wegen ihrer localen Färbung, außerhalb der
östreichischen Grenzen so gut wie unbekannt. Fragt mau nach den Ursachen, so
wird diese Frage in Deutschland, -- den" in Oestreich selbst wird sie kaum'auf¬
geworfen werden, -- in der Regel damit beantwortet, daß die Presse sich in
Oestreich nicht frei genug bewegen dürfe, um einen Aufschwung nehme" zu könne",
daß sie sich i" amer gedrückten Lage befinde, von oben herab auf alle mögliche
Weise überwacht, beschränkt und in ihrer freien Entwickelung gehemmt werde.
Das ist nicht unbedingt wahr. Der Grund liegt einmal darin, daß das östrei¬
chische Publicmu, als Konsument der Zeitungen, seinem bei weitem größten Theile
nach ein leicht zu befriedigendes ist, anderntheils in dem Maugel an glänzenden
pnblicistischeu Talenten. Die wenigen, die man dahin rechnen könnte, sind poli¬
tisch compromittirt, außer Landes, oder schweigen theils nothgedrungen, theils
aus Abneigung.

Einen großen Theil der östreichischen politischen Tagespresse bilden die Ne-
gieruugsorgaue, deren jedes Krvnland eins besitzt. Sie werden zum Theil von
Beamten redigirt, beschäftigen sich in ihrem politischen Theile vorzugsweise mit
dem "Inlande" und erhalten von den betreffenden Stellen amtliche und halb¬
amtliche Mittheilungen über alle zur Veröffentlichung geeigneten Ereignisse im
Bereiche der Verwaltung, der Gesetzgebung ze. Außerdem bringen sie in ihren
Amtsblättern alle Regieruugsannoncen, officielle Knndmachnngen, Edicte, La¬
dungen :c. und finden also auch größtentheils in den Kreisen der Beamten,
Militärs, Geistliche" ihre Leser, während die große Masse der bürgerlichen Be¬
völkerung zu andern Blättern greift, die aus jenen Ncgiernngsorganen nur das
Wesentlichste in verkürzter Form reproduciren und ihren sonstigen Inhalt mehr
dem Geschmack ihres Publicums zu accommodiren wissen.

Wien hat außer dem Negieruugsorgaue, der "Oestreichisch Kaiserlichen
Wiener Zeitung" mit ihren verschiedenen Beiblättern, drei große politische
Zeitungen, die "Ostdeutsche Post", den "Wiener Lloud" und den "Wanderer".
-- Die Ostdeutsche Post, im Geroidschen Verlage und im Mitbesitz ihres
früheren Redacteurs, Ignaz Kurauda, hat deu unleugbaren Vorzug, mehr als die
andern beiden, eine Zeitung nach "deutschem" Begriffe sein zu wollen, sie bringt
mitunter lesbare Leitartikel, oftmals gute Korrespondenzen, auch ans nicht östrei¬
chischen Hauptstädten, und liefert in ihrem Feuilleton zuweilen gediegene Be¬
sprechungen literarischer Erscheinungen und dramatischer und musikalischer Novi¬
täten; ihren Beurtheilungen der Oper ist entschieden der Vorzug zu geben vor
denen des Dramas. In diesem Augenblicke bringt das Feuilleton, als dessen


Grenzboten. IV. 18ö3. 27
Die Tagesliteratur in Oestreich.

Die östreichische Journalistik steht auf einer ziemlich niedrigen Stufe und ist
theils aus diesem Grnnde, theils wegen ihrer localen Färbung, außerhalb der
östreichischen Grenzen so gut wie unbekannt. Fragt mau nach den Ursachen, so
wird diese Frage in Deutschland, — den» in Oestreich selbst wird sie kaum'auf¬
geworfen werden, — in der Regel damit beantwortet, daß die Presse sich in
Oestreich nicht frei genug bewegen dürfe, um einen Aufschwung nehme» zu könne»,
daß sie sich i» amer gedrückten Lage befinde, von oben herab auf alle mögliche
Weise überwacht, beschränkt und in ihrer freien Entwickelung gehemmt werde.
Das ist nicht unbedingt wahr. Der Grund liegt einmal darin, daß das östrei¬
chische Publicmu, als Konsument der Zeitungen, seinem bei weitem größten Theile
nach ein leicht zu befriedigendes ist, anderntheils in dem Maugel an glänzenden
pnblicistischeu Talenten. Die wenigen, die man dahin rechnen könnte, sind poli¬
tisch compromittirt, außer Landes, oder schweigen theils nothgedrungen, theils
aus Abneigung.

Einen großen Theil der östreichischen politischen Tagespresse bilden die Ne-
gieruugsorgaue, deren jedes Krvnland eins besitzt. Sie werden zum Theil von
Beamten redigirt, beschäftigen sich in ihrem politischen Theile vorzugsweise mit
dem „Inlande" und erhalten von den betreffenden Stellen amtliche und halb¬
amtliche Mittheilungen über alle zur Veröffentlichung geeigneten Ereignisse im
Bereiche der Verwaltung, der Gesetzgebung ze. Außerdem bringen sie in ihren
Amtsblättern alle Regieruugsannoncen, officielle Knndmachnngen, Edicte, La¬
dungen :c. und finden also auch größtentheils in den Kreisen der Beamten,
Militärs, Geistliche» ihre Leser, während die große Masse der bürgerlichen Be¬
völkerung zu andern Blättern greift, die aus jenen Ncgiernngsorganen nur das
Wesentlichste in verkürzter Form reproduciren und ihren sonstigen Inhalt mehr
dem Geschmack ihres Publicums zu accommodiren wissen.

Wien hat außer dem Negieruugsorgaue, der „Oestreichisch Kaiserlichen
Wiener Zeitung" mit ihren verschiedenen Beiblättern, drei große politische
Zeitungen, die „Ostdeutsche Post", den „Wiener Lloud" und den „Wanderer".
— Die Ostdeutsche Post, im Geroidschen Verlage und im Mitbesitz ihres
früheren Redacteurs, Ignaz Kurauda, hat deu unleugbaren Vorzug, mehr als die
andern beiden, eine Zeitung nach „deutschem" Begriffe sein zu wollen, sie bringt
mitunter lesbare Leitartikel, oftmals gute Korrespondenzen, auch ans nicht östrei¬
chischen Hauptstädten, und liefert in ihrem Feuilleton zuweilen gediegene Be¬
sprechungen literarischer Erscheinungen und dramatischer und musikalischer Novi¬
täten; ihren Beurtheilungen der Oper ist entschieden der Vorzug zu geben vor
denen des Dramas. In diesem Augenblicke bringt das Feuilleton, als dessen


Grenzboten. IV. 18ö3. 27
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96922"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Tagesliteratur in Oestreich.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_588"> Die östreichische Journalistik steht auf einer ziemlich niedrigen Stufe und ist<lb/>
theils aus diesem Grnnde, theils wegen ihrer localen Färbung, außerhalb der<lb/>
östreichischen Grenzen so gut wie unbekannt. Fragt mau nach den Ursachen, so<lb/>
wird diese Frage in Deutschland, &#x2014; den» in Oestreich selbst wird sie kaum'auf¬<lb/>
geworfen werden, &#x2014; in der Regel damit beantwortet, daß die Presse sich in<lb/>
Oestreich nicht frei genug bewegen dürfe, um einen Aufschwung nehme» zu könne»,<lb/>
daß sie sich i» amer gedrückten Lage befinde, von oben herab auf alle mögliche<lb/>
Weise überwacht, beschränkt und in ihrer freien Entwickelung gehemmt werde.<lb/>
Das ist nicht unbedingt wahr. Der Grund liegt einmal darin, daß das östrei¬<lb/>
chische Publicmu, als Konsument der Zeitungen, seinem bei weitem größten Theile<lb/>
nach ein leicht zu befriedigendes ist, anderntheils in dem Maugel an glänzenden<lb/>
pnblicistischeu Talenten. Die wenigen, die man dahin rechnen könnte, sind poli¬<lb/>
tisch compromittirt, außer Landes, oder schweigen theils nothgedrungen, theils<lb/>
aus Abneigung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_589"> Einen großen Theil der östreichischen politischen Tagespresse bilden die Ne-<lb/>
gieruugsorgaue, deren jedes Krvnland eins besitzt. Sie werden zum Theil von<lb/>
Beamten redigirt, beschäftigen sich in ihrem politischen Theile vorzugsweise mit<lb/>
dem &#x201E;Inlande" und erhalten von den betreffenden Stellen amtliche und halb¬<lb/>
amtliche Mittheilungen über alle zur Veröffentlichung geeigneten Ereignisse im<lb/>
Bereiche der Verwaltung, der Gesetzgebung ze. Außerdem bringen sie in ihren<lb/>
Amtsblättern alle Regieruugsannoncen, officielle Knndmachnngen, Edicte, La¬<lb/>
dungen :c. und finden also auch größtentheils in den Kreisen der Beamten,<lb/>
Militärs, Geistliche» ihre Leser, während die große Masse der bürgerlichen Be¬<lb/>
völkerung zu andern Blättern greift, die aus jenen Ncgiernngsorganen nur das<lb/>
Wesentlichste in verkürzter Form reproduciren und ihren sonstigen Inhalt mehr<lb/>
dem Geschmack ihres Publicums zu accommodiren wissen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_590" next="#ID_591"> Wien hat außer dem Negieruugsorgaue, der &#x201E;Oestreichisch Kaiserlichen<lb/>
Wiener Zeitung" mit ihren verschiedenen Beiblättern, drei große politische<lb/>
Zeitungen, die &#x201E;Ostdeutsche Post", den &#x201E;Wiener Lloud" und den &#x201E;Wanderer".<lb/>
&#x2014; Die Ostdeutsche Post, im Geroidschen Verlage und im Mitbesitz ihres<lb/>
früheren Redacteurs, Ignaz Kurauda, hat deu unleugbaren Vorzug, mehr als die<lb/>
andern beiden, eine Zeitung nach &#x201E;deutschem" Begriffe sein zu wollen, sie bringt<lb/>
mitunter lesbare Leitartikel, oftmals gute Korrespondenzen, auch ans nicht östrei¬<lb/>
chischen Hauptstädten, und liefert in ihrem Feuilleton zuweilen gediegene Be¬<lb/>
sprechungen literarischer Erscheinungen und dramatischer und musikalischer Novi¬<lb/>
täten; ihren Beurtheilungen der Oper ist entschieden der Vorzug zu geben vor<lb/>
denen des Dramas. In diesem Augenblicke bringt das Feuilleton, als dessen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 18ö3. 27</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217] Die Tagesliteratur in Oestreich. Die östreichische Journalistik steht auf einer ziemlich niedrigen Stufe und ist theils aus diesem Grnnde, theils wegen ihrer localen Färbung, außerhalb der östreichischen Grenzen so gut wie unbekannt. Fragt mau nach den Ursachen, so wird diese Frage in Deutschland, — den» in Oestreich selbst wird sie kaum'auf¬ geworfen werden, — in der Regel damit beantwortet, daß die Presse sich in Oestreich nicht frei genug bewegen dürfe, um einen Aufschwung nehme» zu könne», daß sie sich i» amer gedrückten Lage befinde, von oben herab auf alle mögliche Weise überwacht, beschränkt und in ihrer freien Entwickelung gehemmt werde. Das ist nicht unbedingt wahr. Der Grund liegt einmal darin, daß das östrei¬ chische Publicmu, als Konsument der Zeitungen, seinem bei weitem größten Theile nach ein leicht zu befriedigendes ist, anderntheils in dem Maugel an glänzenden pnblicistischeu Talenten. Die wenigen, die man dahin rechnen könnte, sind poli¬ tisch compromittirt, außer Landes, oder schweigen theils nothgedrungen, theils aus Abneigung. Einen großen Theil der östreichischen politischen Tagespresse bilden die Ne- gieruugsorgaue, deren jedes Krvnland eins besitzt. Sie werden zum Theil von Beamten redigirt, beschäftigen sich in ihrem politischen Theile vorzugsweise mit dem „Inlande" und erhalten von den betreffenden Stellen amtliche und halb¬ amtliche Mittheilungen über alle zur Veröffentlichung geeigneten Ereignisse im Bereiche der Verwaltung, der Gesetzgebung ze. Außerdem bringen sie in ihren Amtsblättern alle Regieruugsannoncen, officielle Knndmachnngen, Edicte, La¬ dungen :c. und finden also auch größtentheils in den Kreisen der Beamten, Militärs, Geistliche» ihre Leser, während die große Masse der bürgerlichen Be¬ völkerung zu andern Blättern greift, die aus jenen Ncgiernngsorganen nur das Wesentlichste in verkürzter Form reproduciren und ihren sonstigen Inhalt mehr dem Geschmack ihres Publicums zu accommodiren wissen. Wien hat außer dem Negieruugsorgaue, der „Oestreichisch Kaiserlichen Wiener Zeitung" mit ihren verschiedenen Beiblättern, drei große politische Zeitungen, die „Ostdeutsche Post", den „Wiener Lloud" und den „Wanderer". — Die Ostdeutsche Post, im Geroidschen Verlage und im Mitbesitz ihres früheren Redacteurs, Ignaz Kurauda, hat deu unleugbaren Vorzug, mehr als die andern beiden, eine Zeitung nach „deutschem" Begriffe sein zu wollen, sie bringt mitunter lesbare Leitartikel, oftmals gute Korrespondenzen, auch ans nicht östrei¬ chischen Hauptstädten, und liefert in ihrem Feuilleton zuweilen gediegene Be¬ sprechungen literarischer Erscheinungen und dramatischer und musikalischer Novi¬ täten; ihren Beurtheilungen der Oper ist entschieden der Vorzug zu geben vor denen des Dramas. In diesem Augenblicke bringt das Feuilleton, als dessen Grenzboten. IV. 18ö3. 27

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/217
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/217>, abgerufen am 19.05.2024.