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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Die türkische Presse.

Die erste türkische Druckerei in Konstantinopel gründete Sultan Ahmed III.
am S. Juli 1727 uach langem Widerstreben der Ulemas. Vor dieser Zeit
bestanden in der Hauptstadt mehre hebräische, griechische und armenische Druckereien,
die bereits kurze Zeit nach der Erfindung der Buchdruckerkunst augelegt waren.
Die ersten Werke, welche aus der kaiserlichen Druckerei hervorgingen, gaben das
Bestreben der türkischen Regierung kund, durch historische Studien über die Be¬
ziehungen sich aufzuklären, in denen sie von ihrem Ursprung an mit den Mächten
des Occidents, insbesondere mit den Seemächten, gestanden. Es sind fast aus¬
schließlich historische oder geographische Werke, theils Übersetzungen, theils
Originale, die Geschichte der Seekriege des türkischen Reiches von Hadji-Khaifa,
die Geschichte von Westindien und von der Entdeckung Amerikas, die Geschichte von
Egypten, die der Afghanen, die von dem polnischen Jesuiten KrnsiuSki ursprüng¬
lich lateinisch abgefaßt war und von ihm selbst ins Türkische übersetzt wurde,
endlich das werthvolle Werk Hadji-Khalfas: Tawwimeth-Tekarikh oder Geschichts¬
tafeln, das erste und wol das einzige universal-chronologische Buch, das die
Osmanen besitzen.

Jedoch war die Zahl dieser Druckwerke nicht eben groß: 1736 hatten die
kaiserlichen Pressen erst 18 Werke oder 2SB aude gedruckt, im ganzen 16,600 Exemplare,
deren von der Regierung festgesetzter Preis 10 bis 30 Piaster (30--90 Francs.)
betrug.

Die Kriege und auswärtigen Verwickelungen unter den Sultanen Mustapha til.
und Abdul-Hamid waren Ursache, daß vou 1736 bis 1783 ein Stillstand in der
kaiserlichen Druckerei eintrat. Durch Abdul-Hamid wiederhergestellt, veröffent¬
lichte sie von 1783 bis 1828 80 neue Werke in 91 Bänden. Diese Werke sind
ausschließlich wissenschaftlichen, historischen und geographischen Inhalts; Divanis
oder Sammlungen von Poesien, an denen die türkische Bibliographie so reich ist,
fehlen gänzlich; sie haben nur eine untergeordnete Bedeutung für das Werk
der Reform, an welchem die Regierung in neuerer Zeit arbeitet.

Vou 1830 bis Ende 1842 wurden 108 Werke ebenfalls wissenschaftlichen
Inhalts gedruckt. Erwähnenswerth ist unter denselben ein Abriß der Reichsannalen
von Said-Efendi (1837) und die türkische Uebersetzung eines Drama: Belisar,
von einem unbekannten Versasser, welches 1842 in Pera aufgeführt wurde und
wahrscheinlich der erste dramatische Versuch bei deu Türken ist. Seitdem wurden
mehre Stücke von Moliöre, "uter andern der "voui'xöciig ssenMwmms" und
der "Nalaäiz uns^maire" auf besondern Befehl des Sultans übersetzt und vor
demselben im Palast Tchvragau ausgeführt.

In der Friedenszeit, namentlich seit 184-3, stieg allmälig die Zahl der


Die türkische Presse.

Die erste türkische Druckerei in Konstantinopel gründete Sultan Ahmed III.
am S. Juli 1727 uach langem Widerstreben der Ulemas. Vor dieser Zeit
bestanden in der Hauptstadt mehre hebräische, griechische und armenische Druckereien,
die bereits kurze Zeit nach der Erfindung der Buchdruckerkunst augelegt waren.
Die ersten Werke, welche aus der kaiserlichen Druckerei hervorgingen, gaben das
Bestreben der türkischen Regierung kund, durch historische Studien über die Be¬
ziehungen sich aufzuklären, in denen sie von ihrem Ursprung an mit den Mächten
des Occidents, insbesondere mit den Seemächten, gestanden. Es sind fast aus¬
schließlich historische oder geographische Werke, theils Übersetzungen, theils
Originale, die Geschichte der Seekriege des türkischen Reiches von Hadji-Khaifa,
die Geschichte von Westindien und von der Entdeckung Amerikas, die Geschichte von
Egypten, die der Afghanen, die von dem polnischen Jesuiten KrnsiuSki ursprüng¬
lich lateinisch abgefaßt war und von ihm selbst ins Türkische übersetzt wurde,
endlich das werthvolle Werk Hadji-Khalfas: Tawwimeth-Tekarikh oder Geschichts¬
tafeln, das erste und wol das einzige universal-chronologische Buch, das die
Osmanen besitzen.

Jedoch war die Zahl dieser Druckwerke nicht eben groß: 1736 hatten die
kaiserlichen Pressen erst 18 Werke oder 2SB aude gedruckt, im ganzen 16,600 Exemplare,
deren von der Regierung festgesetzter Preis 10 bis 30 Piaster (30—90 Francs.)
betrug.

Die Kriege und auswärtigen Verwickelungen unter den Sultanen Mustapha til.
und Abdul-Hamid waren Ursache, daß vou 1736 bis 1783 ein Stillstand in der
kaiserlichen Druckerei eintrat. Durch Abdul-Hamid wiederhergestellt, veröffent¬
lichte sie von 1783 bis 1828 80 neue Werke in 91 Bänden. Diese Werke sind
ausschließlich wissenschaftlichen, historischen und geographischen Inhalts; Divanis
oder Sammlungen von Poesien, an denen die türkische Bibliographie so reich ist,
fehlen gänzlich; sie haben nur eine untergeordnete Bedeutung für das Werk
der Reform, an welchem die Regierung in neuerer Zeit arbeitet.

Vou 1830 bis Ende 1842 wurden 108 Werke ebenfalls wissenschaftlichen
Inhalts gedruckt. Erwähnenswerth ist unter denselben ein Abriß der Reichsannalen
von Said-Efendi (1837) und die türkische Uebersetzung eines Drama: Belisar,
von einem unbekannten Versasser, welches 1842 in Pera aufgeführt wurde und
wahrscheinlich der erste dramatische Versuch bei deu Türken ist. Seitdem wurden
mehre Stücke von Moliöre, »uter andern der „voui'xöciig ssenMwmms" und
der „Nalaäiz uns^maire" auf besondern Befehl des Sultans übersetzt und vor
demselben im Palast Tchvragau ausgeführt.

In der Friedenszeit, namentlich seit 184-3, stieg allmälig die Zahl der


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[0223] Die türkische Presse. Die erste türkische Druckerei in Konstantinopel gründete Sultan Ahmed III. am S. Juli 1727 uach langem Widerstreben der Ulemas. Vor dieser Zeit bestanden in der Hauptstadt mehre hebräische, griechische und armenische Druckereien, die bereits kurze Zeit nach der Erfindung der Buchdruckerkunst augelegt waren. Die ersten Werke, welche aus der kaiserlichen Druckerei hervorgingen, gaben das Bestreben der türkischen Regierung kund, durch historische Studien über die Be¬ ziehungen sich aufzuklären, in denen sie von ihrem Ursprung an mit den Mächten des Occidents, insbesondere mit den Seemächten, gestanden. Es sind fast aus¬ schließlich historische oder geographische Werke, theils Übersetzungen, theils Originale, die Geschichte der Seekriege des türkischen Reiches von Hadji-Khaifa, die Geschichte von Westindien und von der Entdeckung Amerikas, die Geschichte von Egypten, die der Afghanen, die von dem polnischen Jesuiten KrnsiuSki ursprüng¬ lich lateinisch abgefaßt war und von ihm selbst ins Türkische übersetzt wurde, endlich das werthvolle Werk Hadji-Khalfas: Tawwimeth-Tekarikh oder Geschichts¬ tafeln, das erste und wol das einzige universal-chronologische Buch, das die Osmanen besitzen. Jedoch war die Zahl dieser Druckwerke nicht eben groß: 1736 hatten die kaiserlichen Pressen erst 18 Werke oder 2SB aude gedruckt, im ganzen 16,600 Exemplare, deren von der Regierung festgesetzter Preis 10 bis 30 Piaster (30—90 Francs.) betrug. Die Kriege und auswärtigen Verwickelungen unter den Sultanen Mustapha til. und Abdul-Hamid waren Ursache, daß vou 1736 bis 1783 ein Stillstand in der kaiserlichen Druckerei eintrat. Durch Abdul-Hamid wiederhergestellt, veröffent¬ lichte sie von 1783 bis 1828 80 neue Werke in 91 Bänden. Diese Werke sind ausschließlich wissenschaftlichen, historischen und geographischen Inhalts; Divanis oder Sammlungen von Poesien, an denen die türkische Bibliographie so reich ist, fehlen gänzlich; sie haben nur eine untergeordnete Bedeutung für das Werk der Reform, an welchem die Regierung in neuerer Zeit arbeitet. Vou 1830 bis Ende 1842 wurden 108 Werke ebenfalls wissenschaftlichen Inhalts gedruckt. Erwähnenswerth ist unter denselben ein Abriß der Reichsannalen von Said-Efendi (1837) und die türkische Uebersetzung eines Drama: Belisar, von einem unbekannten Versasser, welches 1842 in Pera aufgeführt wurde und wahrscheinlich der erste dramatische Versuch bei deu Türken ist. Seitdem wurden mehre Stücke von Moliöre, »uter andern der „voui'xöciig ssenMwmms" und der „Nalaäiz uns^maire" auf besondern Befehl des Sultans übersetzt und vor demselben im Palast Tchvragau ausgeführt. In der Friedenszeit, namentlich seit 184-3, stieg allmälig die Zahl der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/223>, abgerufen am 19.05.2024.