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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Afrika gleichfalls ein Monument zu besitzen und brachten daher eine Summe von
80 Pfd. zusammen, für welche sie von John Bell eine schöne Büste anfertigen
ließen, die in der Kirche zu Sierra Leone aufgestellt worden ist.




Neue historische Schriften.
Ueber die geschichtliche Entstehung des Rechts. Eine Kritik der historischen Schule von
Gustav Lenz. Greifswald u. Leipzig, Koch. --

Auf den ersten Anblick macht dieses Werk einen ganz sonderbaren Eindruck.
Bereits in der Vorrede, wo der Verfasser") die Befürchtung ausspricht, seine
Schrift könne eine Revolution auf dem Gebiet des Privatrechts herbeiführen, wo
er das Urtheil der eigentliche" Juristen perhorrescirt, und der "deutschen juristi¬
sche" Jugend", welcher die Schrift gewidmet ist, auch durch den eigenthümlich
colorirten Stil entgegenkommt, wird mau zu Zweifel" über die wissenschaftliche
Haltung veranlaßt; diese steigern sich noch, wenn man im weitern Verlauf auf
weitläufige geschichtsphilosophische Auseinandersetzungen über alle möglichen Gebiete
der Geschichte stoßt, deren Zusammenhang mit dem eigentliche" Gegenstand der
Untersuchung wenigstens nicht klar hervortritt. Aber bald wird man durch ein¬
zelne, neue und bedeutende Auffassungen überrascht; dann merkt man, daß das
springende und UnverlMnißmäßige lediglich in der Form liegt, und daß eigeUt-
lich ein sehr ernster und nach allen Seiten hin durchdachter Gedankengang den
Leittvn bildet, und je weiter man hineinliest, destomehr steigert sich das Interesse.
Ob der Verfasser mit seinem Grundgedanken recht hat, das wollen wir noch
dahingestellt sein lassen; uns kommt eS zunächst darauf an, die Leser aus das merk¬
würdige Buch aufmerksam zu machen, und ihnen mitzutheilen, was der Verfasser
eigentlich beabsichtigt.

Zunächst geht er darauf aus, zu zeige", was das leitende Princip und die
Berechtigung der historischen Schule war. Während das > achtzehnte Jahrhundert
darauf ausging, ein sogenanntes Naturrecht, d. h. ein absolutes, für alle Menschen
geltendes, an Ort und Zeit nicht gebundenes Recht zu finden; während dieses
Bestreben nicht blos bei deu Philosophen, sondern auch bei den Gesetzgebern
(z. B. bei den Verfasser" des preußischen Landrechts und des östreichischen
Gesetzbuchs) vorherrschend war, lehrte die historische Schule, das Recht sei "icht
ein Ergebniß der menschlichen Willkür, Ueberlegung und Weisheit, sondern es
habe in jedem gegebenen Zustand, als positives Recht, ein schon wirkliches Da-



*) Von dem früher erschienen sind: "Studien und Kritiken im Gebiete des preußischen,
römischen und deutschem Rechts. Beiträge zur Gcschreviswn."

Afrika gleichfalls ein Monument zu besitzen und brachten daher eine Summe von
80 Pfd. zusammen, für welche sie von John Bell eine schöne Büste anfertigen
ließen, die in der Kirche zu Sierra Leone aufgestellt worden ist.




Neue historische Schriften.
Ueber die geschichtliche Entstehung des Rechts. Eine Kritik der historischen Schule von
Gustav Lenz. Greifswald u. Leipzig, Koch. —

Auf den ersten Anblick macht dieses Werk einen ganz sonderbaren Eindruck.
Bereits in der Vorrede, wo der Verfasser") die Befürchtung ausspricht, seine
Schrift könne eine Revolution auf dem Gebiet des Privatrechts herbeiführen, wo
er das Urtheil der eigentliche» Juristen perhorrescirt, und der „deutschen juristi¬
sche» Jugend", welcher die Schrift gewidmet ist, auch durch den eigenthümlich
colorirten Stil entgegenkommt, wird mau zu Zweifel« über die wissenschaftliche
Haltung veranlaßt; diese steigern sich noch, wenn man im weitern Verlauf auf
weitläufige geschichtsphilosophische Auseinandersetzungen über alle möglichen Gebiete
der Geschichte stoßt, deren Zusammenhang mit dem eigentliche» Gegenstand der
Untersuchung wenigstens nicht klar hervortritt. Aber bald wird man durch ein¬
zelne, neue und bedeutende Auffassungen überrascht; dann merkt man, daß das
springende und UnverlMnißmäßige lediglich in der Form liegt, und daß eigeUt-
lich ein sehr ernster und nach allen Seiten hin durchdachter Gedankengang den
Leittvn bildet, und je weiter man hineinliest, destomehr steigert sich das Interesse.
Ob der Verfasser mit seinem Grundgedanken recht hat, das wollen wir noch
dahingestellt sein lassen; uns kommt eS zunächst darauf an, die Leser aus das merk¬
würdige Buch aufmerksam zu machen, und ihnen mitzutheilen, was der Verfasser
eigentlich beabsichtigt.

Zunächst geht er darauf aus, zu zeige», was das leitende Princip und die
Berechtigung der historischen Schule war. Während das > achtzehnte Jahrhundert
darauf ausging, ein sogenanntes Naturrecht, d. h. ein absolutes, für alle Menschen
geltendes, an Ort und Zeit nicht gebundenes Recht zu finden; während dieses
Bestreben nicht blos bei deu Philosophen, sondern auch bei den Gesetzgebern
(z. B. bei den Verfasser» des preußischen Landrechts und des östreichischen
Gesetzbuchs) vorherrschend war, lehrte die historische Schule, das Recht sei «icht
ein Ergebniß der menschlichen Willkür, Ueberlegung und Weisheit, sondern es
habe in jedem gegebenen Zustand, als positives Recht, ein schon wirkliches Da-



*) Von dem früher erschienen sind: „Studien und Kritiken im Gebiete des preußischen,
römischen und deutschem Rechts. Beiträge zur Gcschreviswn."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/269>, abgerufen am 19.05.2024.