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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Neue historische Schriften.
Geschichte der preußische" Historiographie von P. von DuSburg bis auf K. Schütz.
Oder Nachweisung und Kritik der gedruckten und ungedruckten Chroniken zur
Geschichte Preußens unter der Herrschaft des deutschen Ordens, von Max
Topper. ' (Berlin, W. Hertz.) --

Eine nach allen Seite" hin sorgfältig ausgearbeitete Geschichte der Provinz
Preuße" würde ein höchst reiches und interessantes Cnlturmoment des deutschen
Lebens darstellen; den" nirgend waren die Verhältnisse so complicirt und doch,
trotz aller Widersprüche, die sie enthielten, ja, um uns so auszudrücken, trotz
ihrer innern Unmöglichkeit von eine", so eigenthümlichen politischen Verstände
durchdrungen, daß sie wenigstens für einen Zeitraum deö Mittelalters als Muster
dastehen. Ein solches Werk ist bis jetzt nicht vorhanden. Denn so unendlich
große Verdienste sich Voigt um die Geschichte Preußens erworben hat, so hatte
er doch mit zu großen Schwierigkeiten zu kämpfe", als daß ihm el" abgerundetes
Bild gelingen konnte. Seine Darstellung der größeren Verhältnisse des Ordens
ist vortrefflich, wen" auch zu breit und weitläufig angelegt und in manchen Punkten
dnrch neuere Forschungen berichtigt. Von dem eigentlichen Cnltnrleben des
Landes dagegen, von der Kolonisation desselben durch deutsche Einwanderer erhalten
wir eigentlich nnr zerstreute Notizen. Man hat sich jetzt allgemein davon über¬
zeugt, daß für die wirkliche Durchführung eines solchen Geschichtlverkeö zunächst
ein solider Unterban nöthig ist und man beschäftigt sich vorzugsweise mit der
Aufsuchung, Herausgabe und Kritik der Quellen.

Für diese Kritik ist das vorliegende Buch el" höchst bedeutender Beitrag.
Der Verfasser hat zunächst die vorhandene" Ordenschrvnikeu, die Landeschrvnikcn
und die Anfänge gelehrter Geschichtschreibung bis auf Kaspar Schütz bearbeitet.
Als Muster dieser Kritik hat ihm die Nankesche Methode gedient, welche dieser
zuerst aus eine so glänzende Weise in dem Anhange zu seiner Geschichte der
romanisch-germanischen Völker angewendet hat. Sogar bis in die Aeußerlich-
keiten der Form findet man Spuren von diesem Vorbild. ES ist dagegen um-
soweniger einzuwenden, da die Methode in der That die absolut richtige ist.
Ganz abgesehen von dem Gewinn in der Entdeckung und Feststellung neuer
Thatsache" und in der Wegräumung von Vorurtheilen macht es eine unmittelbare
Freude, zu sehen, wie eine gründliche und überlegene Bildung alte uns g""z
fernliegende Verhältnisse überwältigt. Jene alten Zeiten treten uns viel näher,
als früheren Geschichtschreibern möglich war, denen zwar manche Quelle zur Hand
war, manche Tradition, die für u"S verloren ist, denen aber der sichere Maßstab
der Kritik fehlte. Wir sind überzeugt, daß auch derjenige Theil deö Publicums,
für den die alte Ordeusgeschichte nicht das geringste Interesse hat, diese feine


Neue historische Schriften.
Geschichte der preußische» Historiographie von P. von DuSburg bis auf K. Schütz.
Oder Nachweisung und Kritik der gedruckten und ungedruckten Chroniken zur
Geschichte Preußens unter der Herrschaft des deutschen Ordens, von Max
Topper. ' (Berlin, W. Hertz.) —

Eine nach allen Seite» hin sorgfältig ausgearbeitete Geschichte der Provinz
Preuße» würde ein höchst reiches und interessantes Cnlturmoment des deutschen
Lebens darstellen; den» nirgend waren die Verhältnisse so complicirt und doch,
trotz aller Widersprüche, die sie enthielten, ja, um uns so auszudrücken, trotz
ihrer innern Unmöglichkeit von eine», so eigenthümlichen politischen Verstände
durchdrungen, daß sie wenigstens für einen Zeitraum deö Mittelalters als Muster
dastehen. Ein solches Werk ist bis jetzt nicht vorhanden. Denn so unendlich
große Verdienste sich Voigt um die Geschichte Preußens erworben hat, so hatte
er doch mit zu großen Schwierigkeiten zu kämpfe», als daß ihm el» abgerundetes
Bild gelingen konnte. Seine Darstellung der größeren Verhältnisse des Ordens
ist vortrefflich, wen» auch zu breit und weitläufig angelegt und in manchen Punkten
dnrch neuere Forschungen berichtigt. Von dem eigentlichen Cnltnrleben des
Landes dagegen, von der Kolonisation desselben durch deutsche Einwanderer erhalten
wir eigentlich nnr zerstreute Notizen. Man hat sich jetzt allgemein davon über¬
zeugt, daß für die wirkliche Durchführung eines solchen Geschichtlverkeö zunächst
ein solider Unterban nöthig ist und man beschäftigt sich vorzugsweise mit der
Aufsuchung, Herausgabe und Kritik der Quellen.

Für diese Kritik ist das vorliegende Buch el» höchst bedeutender Beitrag.
Der Verfasser hat zunächst die vorhandene» Ordenschrvnikeu, die Landeschrvnikcn
und die Anfänge gelehrter Geschichtschreibung bis auf Kaspar Schütz bearbeitet.
Als Muster dieser Kritik hat ihm die Nankesche Methode gedient, welche dieser
zuerst aus eine so glänzende Weise in dem Anhange zu seiner Geschichte der
romanisch-germanischen Völker angewendet hat. Sogar bis in die Aeußerlich-
keiten der Form findet man Spuren von diesem Vorbild. ES ist dagegen um-
soweniger einzuwenden, da die Methode in der That die absolut richtige ist.
Ganz abgesehen von dem Gewinn in der Entdeckung und Feststellung neuer
Thatsache» und in der Wegräumung von Vorurtheilen macht es eine unmittelbare
Freude, zu sehen, wie eine gründliche und überlegene Bildung alte uns g"»z
fernliegende Verhältnisse überwältigt. Jene alten Zeiten treten uns viel näher,
als früheren Geschichtschreibern möglich war, denen zwar manche Quelle zur Hand
war, manche Tradition, die für u»S verloren ist, denen aber der sichere Maßstab
der Kritik fehlte. Wir sind überzeugt, daß auch derjenige Theil deö Publicums,
für den die alte Ordeusgeschichte nicht das geringste Interesse hat, diese feine


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[0346] Neue historische Schriften. Geschichte der preußische» Historiographie von P. von DuSburg bis auf K. Schütz. Oder Nachweisung und Kritik der gedruckten und ungedruckten Chroniken zur Geschichte Preußens unter der Herrschaft des deutschen Ordens, von Max Topper. ' (Berlin, W. Hertz.) — Eine nach allen Seite» hin sorgfältig ausgearbeitete Geschichte der Provinz Preuße» würde ein höchst reiches und interessantes Cnlturmoment des deutschen Lebens darstellen; den» nirgend waren die Verhältnisse so complicirt und doch, trotz aller Widersprüche, die sie enthielten, ja, um uns so auszudrücken, trotz ihrer innern Unmöglichkeit von eine», so eigenthümlichen politischen Verstände durchdrungen, daß sie wenigstens für einen Zeitraum deö Mittelalters als Muster dastehen. Ein solches Werk ist bis jetzt nicht vorhanden. Denn so unendlich große Verdienste sich Voigt um die Geschichte Preußens erworben hat, so hatte er doch mit zu großen Schwierigkeiten zu kämpfe», als daß ihm el» abgerundetes Bild gelingen konnte. Seine Darstellung der größeren Verhältnisse des Ordens ist vortrefflich, wen» auch zu breit und weitläufig angelegt und in manchen Punkten dnrch neuere Forschungen berichtigt. Von dem eigentlichen Cnltnrleben des Landes dagegen, von der Kolonisation desselben durch deutsche Einwanderer erhalten wir eigentlich nnr zerstreute Notizen. Man hat sich jetzt allgemein davon über¬ zeugt, daß für die wirkliche Durchführung eines solchen Geschichtlverkeö zunächst ein solider Unterban nöthig ist und man beschäftigt sich vorzugsweise mit der Aufsuchung, Herausgabe und Kritik der Quellen. Für diese Kritik ist das vorliegende Buch el» höchst bedeutender Beitrag. Der Verfasser hat zunächst die vorhandene» Ordenschrvnikeu, die Landeschrvnikcn und die Anfänge gelehrter Geschichtschreibung bis auf Kaspar Schütz bearbeitet. Als Muster dieser Kritik hat ihm die Nankesche Methode gedient, welche dieser zuerst aus eine so glänzende Weise in dem Anhange zu seiner Geschichte der romanisch-germanischen Völker angewendet hat. Sogar bis in die Aeußerlich- keiten der Form findet man Spuren von diesem Vorbild. ES ist dagegen um- soweniger einzuwenden, da die Methode in der That die absolut richtige ist. Ganz abgesehen von dem Gewinn in der Entdeckung und Feststellung neuer Thatsache» und in der Wegräumung von Vorurtheilen macht es eine unmittelbare Freude, zu sehen, wie eine gründliche und überlegene Bildung alte uns g"»z fernliegende Verhältnisse überwältigt. Jene alten Zeiten treten uns viel näher, als früheren Geschichtschreibern möglich war, denen zwar manche Quelle zur Hand war, manche Tradition, die für u»S verloren ist, denen aber der sichere Maßstab der Kritik fehlte. Wir sind überzeugt, daß auch derjenige Theil deö Publicums, für den die alte Ordeusgeschichte nicht das geringste Interesse hat, diese feine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/346>, abgerufen am 19.05.2024.