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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Friedrich Bodenstedt.
Gedichte. 2te Auflage. Bremen, F. Schlodtmaim -I8S3. --
Ada, die Lesghierin. Gedicht. Berlin. Dcckersche G. O. H. 18ö3.

Seit dem Jahre 1848, in welchem Bodenstedt nach langer Abwesenheit in
seine deutsche Heimat zurückkehrte, haben ein anmuthiges Talent und eine liebens¬
würdige Persönlichkeit dem Verfasser der "Völker des Kaukasus" zahlreiche
Freunde erworben. Es war sein Schicksal gewesen, "ach vollendeten Universttäts-
stndien in Nußland unter interessanten Menschen und zum Theil in einer freien
Stellung vieles zu sehen und zu erfahren, was dem flüchtigen Reisenden un¬
zugänglich bleibt. Er lebte längere Zeit in Tiflis, machte dort ernsthafte
Studien in den orientalischen Sprachen, unternahm mehre Ausflüge auch in die
Länder der Tscherkessen und kehrte endlich über Konstantinopel und Italien nach
Deutschland zurück, nachdem er das Anerbieten, eine feste Stellung im russischen
Staatsdienst anzunehmen, zurückgewiesen hatte. Ueberall, wo er verweilte, unter
der russischen Aristokratie in der Nähe der Hauptstadt, bei den Kosacken der
Steppe, in der asiatischen Residenz des russischen Heerführers, unter Turkomanen,
Tscherkessen, Türken und Armeniern, machte ihm sein gutes Naturell leicht,
heimisch zu werden und sich Freunde zu gewinne". Es war ihm njcht nur gegeben,
sich schnell und lebhaft für das Neue zu interessiren und die Art und Form fremder
Menschen zu verstehen und ihr nachzugeben, sondern er hatte auch die schöne Eigen¬
schaft, die Menschen und ihr Leben überall von der idealen Seite aufzufassen,
das Gute und Edle, das in ihnen war, mit Freude und Zartheit zu genießen
und sich das Schlechte und Gemeine mit angeborenem Takt fernzuhalten. Zu
dieser Richtung einer edeln Natur kam ein ungewöhnliches Sprachtalent, welches
ihm außer den cultivirten Sprachen Europas und dem Russischen auch die Sprachen
des Orients und ihre Literatur schnell zugänglich machte. So wurde er nach
seiner Rückkehr schnell als ein feiner Uebcrscher fremder Poesien und als ein
Reisender bekannt, welcher mehr als gewöhnliche Kenntmsse vom Orient und den
südrussischen Provinzen besaß/


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Friedrich Bodenstedt.
Gedichte. 2te Auflage. Bremen, F. Schlodtmaim -I8S3. —
Ada, die Lesghierin. Gedicht. Berlin. Dcckersche G. O. H. 18ö3.

Seit dem Jahre 1848, in welchem Bodenstedt nach langer Abwesenheit in
seine deutsche Heimat zurückkehrte, haben ein anmuthiges Talent und eine liebens¬
würdige Persönlichkeit dem Verfasser der „Völker des Kaukasus" zahlreiche
Freunde erworben. Es war sein Schicksal gewesen, »ach vollendeten Universttäts-
stndien in Nußland unter interessanten Menschen und zum Theil in einer freien
Stellung vieles zu sehen und zu erfahren, was dem flüchtigen Reisenden un¬
zugänglich bleibt. Er lebte längere Zeit in Tiflis, machte dort ernsthafte
Studien in den orientalischen Sprachen, unternahm mehre Ausflüge auch in die
Länder der Tscherkessen und kehrte endlich über Konstantinopel und Italien nach
Deutschland zurück, nachdem er das Anerbieten, eine feste Stellung im russischen
Staatsdienst anzunehmen, zurückgewiesen hatte. Ueberall, wo er verweilte, unter
der russischen Aristokratie in der Nähe der Hauptstadt, bei den Kosacken der
Steppe, in der asiatischen Residenz des russischen Heerführers, unter Turkomanen,
Tscherkessen, Türken und Armeniern, machte ihm sein gutes Naturell leicht,
heimisch zu werden und sich Freunde zu gewinne». Es war ihm njcht nur gegeben,
sich schnell und lebhaft für das Neue zu interessiren und die Art und Form fremder
Menschen zu verstehen und ihr nachzugeben, sondern er hatte auch die schöne Eigen¬
schaft, die Menschen und ihr Leben überall von der idealen Seite aufzufassen,
das Gute und Edle, das in ihnen war, mit Freude und Zartheit zu genießen
und sich das Schlechte und Gemeine mit angeborenem Takt fernzuhalten. Zu
dieser Richtung einer edeln Natur kam ein ungewöhnliches Sprachtalent, welches
ihm außer den cultivirten Sprachen Europas und dem Russischen auch die Sprachen
des Orients und ihre Literatur schnell zugänglich machte. So wurde er nach
seiner Rückkehr schnell als ein feiner Uebcrscher fremder Poesien und als ein
Reisender bekannt, welcher mehr als gewöhnliche Kenntmsse vom Orient und den
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[0369] Friedrich Bodenstedt. Gedichte. 2te Auflage. Bremen, F. Schlodtmaim -I8S3. — Ada, die Lesghierin. Gedicht. Berlin. Dcckersche G. O. H. 18ö3. Seit dem Jahre 1848, in welchem Bodenstedt nach langer Abwesenheit in seine deutsche Heimat zurückkehrte, haben ein anmuthiges Talent und eine liebens¬ würdige Persönlichkeit dem Verfasser der „Völker des Kaukasus" zahlreiche Freunde erworben. Es war sein Schicksal gewesen, »ach vollendeten Universttäts- stndien in Nußland unter interessanten Menschen und zum Theil in einer freien Stellung vieles zu sehen und zu erfahren, was dem flüchtigen Reisenden un¬ zugänglich bleibt. Er lebte längere Zeit in Tiflis, machte dort ernsthafte Studien in den orientalischen Sprachen, unternahm mehre Ausflüge auch in die Länder der Tscherkessen und kehrte endlich über Konstantinopel und Italien nach Deutschland zurück, nachdem er das Anerbieten, eine feste Stellung im russischen Staatsdienst anzunehmen, zurückgewiesen hatte. Ueberall, wo er verweilte, unter der russischen Aristokratie in der Nähe der Hauptstadt, bei den Kosacken der Steppe, in der asiatischen Residenz des russischen Heerführers, unter Turkomanen, Tscherkessen, Türken und Armeniern, machte ihm sein gutes Naturell leicht, heimisch zu werden und sich Freunde zu gewinne». Es war ihm njcht nur gegeben, sich schnell und lebhaft für das Neue zu interessiren und die Art und Form fremder Menschen zu verstehen und ihr nachzugeben, sondern er hatte auch die schöne Eigen¬ schaft, die Menschen und ihr Leben überall von der idealen Seite aufzufassen, das Gute und Edle, das in ihnen war, mit Freude und Zartheit zu genießen und sich das Schlechte und Gemeine mit angeborenem Takt fernzuhalten. Zu dieser Richtung einer edeln Natur kam ein ungewöhnliches Sprachtalent, welches ihm außer den cultivirten Sprachen Europas und dem Russischen auch die Sprachen des Orients und ihre Literatur schnell zugänglich machte. So wurde er nach seiner Rückkehr schnell als ein feiner Uebcrscher fremder Poesien und als ein Reisender bekannt, welcher mehr als gewöhnliche Kenntmsse vom Orient und den südrussischen Provinzen besaß/ Grciizboten. IV. ->«!>», . i>6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/369>, abgerufen am 19.05.2024.