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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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des Pontus Euxinus kaun fortan ein starkes Corps nach der asiatischen Seite
von Konstantinopel übersetzen und wenn die europäischen Seemächte nicht dazwi¬
schen treten, das Schicksal der Hauptstadt und des Reiches entscheiden.

Das sind die Wirkungen des Friedens von Adrianopel. Er ist weniger
durch die Erfolge der Russen, die im Felde Sieger, aber durch Krankheiten und
Pest Besiegte waren, als durch die innere Zwietracht im Reiche, die im entschei¬
denden Augenblick mit einem Aufstand in Konstantinopel drohte, errungen wor¬
den. Durch Eintracht werden kleine Staaten groß: durch Zwietracht gehen die
stärkste" zu Grunde, wieviel mehr erst die schwachen.




Sefeloge.

Sefeloge. Eine Wahnsüuisstudie vom Geh. Medicinalrath Damerow, Director
der ständische" Prvvmzialirrenanstalt bei Halle. -- (Halle, Pfeffer.)

Es ist jetzt ungefähr drei Jahre her, als das bekannte Mordattentat auf den
König von Preußen, wie es auch bei den Attentaten gegen Louis Philipp der
Fall gewesen, zu einer leidenschaftlichen Reaction der Gesetzgebung gegen die
Presse Aeranlassnug gab. Die servilen Blätter, an ihrer Spitze die Zeitung,
welche damals den ominösen Namen "deutsche Reform" führte und die seitdem
als preußische Adlerzeitnng wegen eines in der Geschichte Preußens unerhörten
Grundes, nämlich wegen eines Ueberflusses an Abonnenten (sie hatte deren nach
eigener Angabe 7000) zu Grunde gegangen ist, überbot sich damals in boshaften
Anklagen gegen den Liberalismus; sie machte in erster Linie die ganze liberale
Partei, in zweiter das gesammte deutsche Volk für jenes Verbrechen verantwort¬
lich. Als sich kurze Zeit darauf das Gerücht verbreitete, jeuer Mörder sei ein
Wahnsinniger, der bereits im Irrenhause gesessen, war die nämliche Presse nicht
abgeneigt, die Anstifter und Verbreiter dieses Gerüchtes als Hochverräter und
Anstifter des Königsmordeö zu denunciren. Die Maßregeln in der Presse erfolg¬
ten anch in der That, allein bereits am i. December 18ö0 wurde Sefeloge nach
dem übereinstimmenden Gutachten verschiedener medicinischer Autoritäten sür gei¬
steskrank und unzurechnungsfähig erklärt und aus Grund dieses Ausspruchs durch
das Kamiuergericht von aller Strafe völlig freigesprochen. Um ihn für die Zu¬
kunft unschädlich zu machen und seinen noch nicht völlig aufgeklärten Gemüthszu-
stand gründlicher zu beobachten, wurde er am Anfang des folgenden Jahres der
Hallescheu Irrenanstalt übergeben. Der Director dieser ausgezeichneten Anstalt,
Herr Damerow, theilt nun die Ergebnisse seiner Untersuchung, die auch auf das
Wesen des Wahnsinns im allgemeinen mauche interessante Streiflichter werfen, dem
Publicum mit. Die Verrücktheit des Sefeloge hat sich ganz unzweifelhaft her-


des Pontus Euxinus kaun fortan ein starkes Corps nach der asiatischen Seite
von Konstantinopel übersetzen und wenn die europäischen Seemächte nicht dazwi¬
schen treten, das Schicksal der Hauptstadt und des Reiches entscheiden.

Das sind die Wirkungen des Friedens von Adrianopel. Er ist weniger
durch die Erfolge der Russen, die im Felde Sieger, aber durch Krankheiten und
Pest Besiegte waren, als durch die innere Zwietracht im Reiche, die im entschei¬
denden Augenblick mit einem Aufstand in Konstantinopel drohte, errungen wor¬
den. Durch Eintracht werden kleine Staaten groß: durch Zwietracht gehen die
stärkste» zu Grunde, wieviel mehr erst die schwachen.




Sefeloge.

Sefeloge. Eine Wahnsüuisstudie vom Geh. Medicinalrath Damerow, Director
der ständische» Prvvmzialirrenanstalt bei Halle. — (Halle, Pfeffer.)

Es ist jetzt ungefähr drei Jahre her, als das bekannte Mordattentat auf den
König von Preußen, wie es auch bei den Attentaten gegen Louis Philipp der
Fall gewesen, zu einer leidenschaftlichen Reaction der Gesetzgebung gegen die
Presse Aeranlassnug gab. Die servilen Blätter, an ihrer Spitze die Zeitung,
welche damals den ominösen Namen „deutsche Reform" führte und die seitdem
als preußische Adlerzeitnng wegen eines in der Geschichte Preußens unerhörten
Grundes, nämlich wegen eines Ueberflusses an Abonnenten (sie hatte deren nach
eigener Angabe 7000) zu Grunde gegangen ist, überbot sich damals in boshaften
Anklagen gegen den Liberalismus; sie machte in erster Linie die ganze liberale
Partei, in zweiter das gesammte deutsche Volk für jenes Verbrechen verantwort¬
lich. Als sich kurze Zeit darauf das Gerücht verbreitete, jeuer Mörder sei ein
Wahnsinniger, der bereits im Irrenhause gesessen, war die nämliche Presse nicht
abgeneigt, die Anstifter und Verbreiter dieses Gerüchtes als Hochverräter und
Anstifter des Königsmordeö zu denunciren. Die Maßregeln in der Presse erfolg¬
ten anch in der That, allein bereits am i. December 18ö0 wurde Sefeloge nach
dem übereinstimmenden Gutachten verschiedener medicinischer Autoritäten sür gei¬
steskrank und unzurechnungsfähig erklärt und aus Grund dieses Ausspruchs durch
das Kamiuergericht von aller Strafe völlig freigesprochen. Um ihn für die Zu¬
kunft unschädlich zu machen und seinen noch nicht völlig aufgeklärten Gemüthszu-
stand gründlicher zu beobachten, wurde er am Anfang des folgenden Jahres der
Hallescheu Irrenanstalt übergeben. Der Director dieser ausgezeichneten Anstalt,
Herr Damerow, theilt nun die Ergebnisse seiner Untersuchung, die auch auf das
Wesen des Wahnsinns im allgemeinen mauche interessante Streiflichter werfen, dem
Publicum mit. Die Verrücktheit des Sefeloge hat sich ganz unzweifelhaft her-


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[0386] des Pontus Euxinus kaun fortan ein starkes Corps nach der asiatischen Seite von Konstantinopel übersetzen und wenn die europäischen Seemächte nicht dazwi¬ schen treten, das Schicksal der Hauptstadt und des Reiches entscheiden. Das sind die Wirkungen des Friedens von Adrianopel. Er ist weniger durch die Erfolge der Russen, die im Felde Sieger, aber durch Krankheiten und Pest Besiegte waren, als durch die innere Zwietracht im Reiche, die im entschei¬ denden Augenblick mit einem Aufstand in Konstantinopel drohte, errungen wor¬ den. Durch Eintracht werden kleine Staaten groß: durch Zwietracht gehen die stärkste» zu Grunde, wieviel mehr erst die schwachen. Sefeloge. Sefeloge. Eine Wahnsüuisstudie vom Geh. Medicinalrath Damerow, Director der ständische» Prvvmzialirrenanstalt bei Halle. — (Halle, Pfeffer.) Es ist jetzt ungefähr drei Jahre her, als das bekannte Mordattentat auf den König von Preußen, wie es auch bei den Attentaten gegen Louis Philipp der Fall gewesen, zu einer leidenschaftlichen Reaction der Gesetzgebung gegen die Presse Aeranlassnug gab. Die servilen Blätter, an ihrer Spitze die Zeitung, welche damals den ominösen Namen „deutsche Reform" führte und die seitdem als preußische Adlerzeitnng wegen eines in der Geschichte Preußens unerhörten Grundes, nämlich wegen eines Ueberflusses an Abonnenten (sie hatte deren nach eigener Angabe 7000) zu Grunde gegangen ist, überbot sich damals in boshaften Anklagen gegen den Liberalismus; sie machte in erster Linie die ganze liberale Partei, in zweiter das gesammte deutsche Volk für jenes Verbrechen verantwort¬ lich. Als sich kurze Zeit darauf das Gerücht verbreitete, jeuer Mörder sei ein Wahnsinniger, der bereits im Irrenhause gesessen, war die nämliche Presse nicht abgeneigt, die Anstifter und Verbreiter dieses Gerüchtes als Hochverräter und Anstifter des Königsmordeö zu denunciren. Die Maßregeln in der Presse erfolg¬ ten anch in der That, allein bereits am i. December 18ö0 wurde Sefeloge nach dem übereinstimmenden Gutachten verschiedener medicinischer Autoritäten sür gei¬ steskrank und unzurechnungsfähig erklärt und aus Grund dieses Ausspruchs durch das Kamiuergericht von aller Strafe völlig freigesprochen. Um ihn für die Zu¬ kunft unschädlich zu machen und seinen noch nicht völlig aufgeklärten Gemüthszu- stand gründlicher zu beobachten, wurde er am Anfang des folgenden Jahres der Hallescheu Irrenanstalt übergeben. Der Director dieser ausgezeichneten Anstalt, Herr Damerow, theilt nun die Ergebnisse seiner Untersuchung, die auch auf das Wesen des Wahnsinns im allgemeinen mauche interessante Streiflichter werfen, dem Publicum mit. Die Verrücktheit des Sefeloge hat sich ganz unzweifelhaft her-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/386>, abgerufen am 19.05.2024.