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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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tur seine Aufmerksamkeit richtete, ist dadurch ein so vollständiges Bild des Lebens
möglich geworden, daß es nicht leicht übertroffen werden kann. Die Cultur-
zustände des südlichen Nußland, die uns so unendlich sern liegen, werden poli¬
tisch und historisch beleuchtet, überall aber überwiegt die Anschauung. Einen be¬
sonderen Reiz erhält das Buch durch die zahlreichen Illustrationen, die nach den
Handzeichnungen des sehr bedeutenden Malers Raffel gemacht sind, und die unserer
Phantasie, die Thätigkeit erleichtern. Wir glauben, daß im gegenwärtigen Augen¬
blicke, wo die Culturbewegung, wenn anch in der dämonischen Gestalt des Krie¬
ges, jene Gegenden ergreift, wo es vorauszusehen ist, daß sie für die allgemeine
Entwickelung Europas eine große Bedeutung erlangen und gewissermaßen die alt-
römischen Erinnerungen wiederauffrischen werden, dieses wichtige Werk auch für
Deutschland ein allgemeines und tiefgehendes Interesse erregen wird. --


Souvenirs <Is vorige" ol, et'ättiitos, par Le.-Asie LÜrsruin. 3. Band, (vruxel-
les, Xiessling etc Loup.)

Der gegenwärtige Band verläßt ganz die Form der Neiseliteratur. Es find
zerstreute Aufsätze über' verschiedene literarische Gegenstände, zum Theil recht in-
teressant, namentlich das Referat über altfranzösische Rittergedichte, sowie die Schil¬
derung vom Zusammenleben des Verfassers mit Eduard Gaus, dem französischesten
unter allen deutscheu Schriftstellern, und die Recension über unsern Hoffmann,
auf den Girardin die Franzosen aufmerksam machte, noch ehe die Uebersetzung
von Lope - Weimars erschienen war. Auch in den übrigen Aufsätzen findet sich
hin und wieder ein artiger Einfall, im ganzen aber müssen wir jedoch gestehen,
daß diese nachlässige Manier uns zuletzt ermüdet hat, und daß wir sehr damit
zufrieden sind, daß das Werk sein Ende gefunden hat. Die politischen und re¬
ligiösen Ideen, die darin überall zerstreut sind, sind auch ziemlich oberflächlich und
mehr auf den Effect als auf die Einsicht in die Sachen berechnet. Das geht
zuweilen soweit, daß der Verfasser in ein liebenswürdiges Geplauder ohne alle"
Inhalt verfällt.




Pariser Brief"

Die orientalische Frage hat ihr ursprüngliches Talent, Confusion in die Köpfe
zu bringen, selbst jetzt nach dem Ausbruche deö Krieges nicht verlernt. Seit der
Telegraph sich seinerseits drein gemengt, können wir mit Zuversicht darauf rech¬
nen, daß ein Tag vernichtet, was der andere gebracht. Gestern haben die Russen
eine Niederlage erlitten, sie sind gezwungen, sich ans Kronstäbe zurückzuziehen und
heute sollen wieder die Türken so aufs Haupt geschlagen worden sein, daß sie
genöthigt worden, wieder über die Donau zu passiren. Und als ob alles radical


tur seine Aufmerksamkeit richtete, ist dadurch ein so vollständiges Bild des Lebens
möglich geworden, daß es nicht leicht übertroffen werden kann. Die Cultur-
zustände des südlichen Nußland, die uns so unendlich sern liegen, werden poli¬
tisch und historisch beleuchtet, überall aber überwiegt die Anschauung. Einen be¬
sonderen Reiz erhält das Buch durch die zahlreichen Illustrationen, die nach den
Handzeichnungen des sehr bedeutenden Malers Raffel gemacht sind, und die unserer
Phantasie, die Thätigkeit erleichtern. Wir glauben, daß im gegenwärtigen Augen¬
blicke, wo die Culturbewegung, wenn anch in der dämonischen Gestalt des Krie¬
ges, jene Gegenden ergreift, wo es vorauszusehen ist, daß sie für die allgemeine
Entwickelung Europas eine große Bedeutung erlangen und gewissermaßen die alt-
römischen Erinnerungen wiederauffrischen werden, dieses wichtige Werk auch für
Deutschland ein allgemeines und tiefgehendes Interesse erregen wird. —


Souvenirs <Is vorige» ol, et'ättiitos, par Le.-Asie LÜrsruin. 3. Band, (vruxel-
les, Xiessling etc Loup.)

Der gegenwärtige Band verläßt ganz die Form der Neiseliteratur. Es find
zerstreute Aufsätze über' verschiedene literarische Gegenstände, zum Theil recht in-
teressant, namentlich das Referat über altfranzösische Rittergedichte, sowie die Schil¬
derung vom Zusammenleben des Verfassers mit Eduard Gaus, dem französischesten
unter allen deutscheu Schriftstellern, und die Recension über unsern Hoffmann,
auf den Girardin die Franzosen aufmerksam machte, noch ehe die Uebersetzung
von Lope - Weimars erschienen war. Auch in den übrigen Aufsätzen findet sich
hin und wieder ein artiger Einfall, im ganzen aber müssen wir jedoch gestehen,
daß diese nachlässige Manier uns zuletzt ermüdet hat, und daß wir sehr damit
zufrieden sind, daß das Werk sein Ende gefunden hat. Die politischen und re¬
ligiösen Ideen, die darin überall zerstreut sind, sind auch ziemlich oberflächlich und
mehr auf den Effect als auf die Einsicht in die Sachen berechnet. Das geht
zuweilen soweit, daß der Verfasser in ein liebenswürdiges Geplauder ohne alle»
Inhalt verfällt.




Pariser Brief«

Die orientalische Frage hat ihr ursprüngliches Talent, Confusion in die Köpfe
zu bringen, selbst jetzt nach dem Ausbruche deö Krieges nicht verlernt. Seit der
Telegraph sich seinerseits drein gemengt, können wir mit Zuversicht darauf rech¬
nen, daß ein Tag vernichtet, was der andere gebracht. Gestern haben die Russen
eine Niederlage erlitten, sie sind gezwungen, sich ans Kronstäbe zurückzuziehen und
heute sollen wieder die Türken so aufs Haupt geschlagen worden sein, daß sie
genöthigt worden, wieder über die Donau zu passiren. Und als ob alles radical


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/392>, abgerufen am 29.05.2024.