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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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die Schlacht von La Före Champenoise, die Bemerkungen Napoleons zu Lord
Bathursts Rede, O'Mearas Vertheidigungsschrift, mit den Bemerkungen des Statt¬
halters, von besonderem Interesse. Wir wünschen dem Buche eine weite Ver¬
breitung: es wird manche Illusion zerstören, und ist ein wichtiger Beitrag zur
Charakterisirung Napoleons und ein leider nur zu später Act der Gerechtigkeit
gegen einen lange verkannten und verleumdeten Ehrenmann.




Auch in unserer freien Reichsstadt verdrängen natürlich die orientalischen
Angelegenheiten die nächstgelegenen deutschen Interessen. Indessen ist man dieser
nationalen Untugend, über dem Auswärtigen die Heimat zu vergessen, allerwärts
so gewohnt, daß man es einer Handels- und Geldstadt gar nicht als specielle
Vernachlässigung nachreden kann. Unter solchen Verhältnissen ging die Eröffnung
der BundestagssHuug nach den Ferien ebenfalls ziemlich unbemerkt vorüber;
besonders da man es ans der Zeitnngspolemik bereits mit ziemlicher Sicherheit
erkannt hatte, wie fruchtlos die Bemühungen ausgefallen waren, welche Preußens
Mitantrag auf einen Anschluß des deutschen Bundes an Oestreichs Neutralitäts¬
erklärung und dadurch die Beengung der freien Stellung Preußens in dieser
Frage zu erringen gesucht hatten. Herr v. Prokesch war unterdessen ans Berlin
hier angelangt und der Tag vor der ersten Bnndestagssitzung ward durch jenen/
von der gesammten unabhängigen Presse Deutschlands nach Verdienst gewürdigten
Artikel der Frankfurter Postzeitung -- des officiösen Bundesorganes -- gefeiert,
welcher in gehässigster Weise einen Ausdruck aus nicht veröffentlichten diplomati¬
schen Documenten ("Preußen und seine Verbündeten") zusammenhanglos hervor¬
hob, um daran eine Diatribe gegen angebliche preußische Sondcrbüudlereieu zu
knüpfen. Der Artikel schien manchen Leuten eine Quittung für den richtig em¬
pfangenen Abweis diplomatischer Wünsche; andern Leuten ti.e ofstciöse. Ankündi¬
gung der Nesurrection gelockerter Koalitionen. Die erste BuudestagsfitMng war rein
formeller Natur. Um so überraschender kam in der zweiten die östreichische "Eröff¬
nung" über die orientalischen Angelegenheiten, von welcher jedermann große Aufklä-
rungen erwartete, bis das Document nicht etwa in der Frankfurter Postzeitung,
wie man hätte erwarten dürfen, sondern in der Darmstädter Zeitung erschien,
welche doch selbst von der großherzoglichen Regierung weit seltener als das zelo¬
tisch-ultramontane Mainzer Journal für ofstciöse Darstellungen benutzt wird.
Man hatte also im Puhu.cum äußerst hoffnungsvoll auf diese Eröffnung geblickt.
Nur schade, daß sie da grade abbrach, wo sie anfangen sollte. Denn der Ver-


die Schlacht von La Före Champenoise, die Bemerkungen Napoleons zu Lord
Bathursts Rede, O'Mearas Vertheidigungsschrift, mit den Bemerkungen des Statt¬
halters, von besonderem Interesse. Wir wünschen dem Buche eine weite Ver¬
breitung: es wird manche Illusion zerstören, und ist ein wichtiger Beitrag zur
Charakterisirung Napoleons und ein leider nur zu später Act der Gerechtigkeit
gegen einen lange verkannten und verleumdeten Ehrenmann.




Auch in unserer freien Reichsstadt verdrängen natürlich die orientalischen
Angelegenheiten die nächstgelegenen deutschen Interessen. Indessen ist man dieser
nationalen Untugend, über dem Auswärtigen die Heimat zu vergessen, allerwärts
so gewohnt, daß man es einer Handels- und Geldstadt gar nicht als specielle
Vernachlässigung nachreden kann. Unter solchen Verhältnissen ging die Eröffnung
der BundestagssHuug nach den Ferien ebenfalls ziemlich unbemerkt vorüber;
besonders da man es ans der Zeitnngspolemik bereits mit ziemlicher Sicherheit
erkannt hatte, wie fruchtlos die Bemühungen ausgefallen waren, welche Preußens
Mitantrag auf einen Anschluß des deutschen Bundes an Oestreichs Neutralitäts¬
erklärung und dadurch die Beengung der freien Stellung Preußens in dieser
Frage zu erringen gesucht hatten. Herr v. Prokesch war unterdessen ans Berlin
hier angelangt und der Tag vor der ersten Bnndestagssitzung ward durch jenen/
von der gesammten unabhängigen Presse Deutschlands nach Verdienst gewürdigten
Artikel der Frankfurter Postzeitung — des officiösen Bundesorganes — gefeiert,
welcher in gehässigster Weise einen Ausdruck aus nicht veröffentlichten diplomati¬
schen Documenten („Preußen und seine Verbündeten") zusammenhanglos hervor¬
hob, um daran eine Diatribe gegen angebliche preußische Sondcrbüudlereieu zu
knüpfen. Der Artikel schien manchen Leuten eine Quittung für den richtig em¬
pfangenen Abweis diplomatischer Wünsche; andern Leuten ti.e ofstciöse. Ankündi¬
gung der Nesurrection gelockerter Koalitionen. Die erste BuudestagsfitMng war rein
formeller Natur. Um so überraschender kam in der zweiten die östreichische „Eröff¬
nung" über die orientalischen Angelegenheiten, von welcher jedermann große Aufklä-
rungen erwartete, bis das Document nicht etwa in der Frankfurter Postzeitung,
wie man hätte erwarten dürfen, sondern in der Darmstädter Zeitung erschien,
welche doch selbst von der großherzoglichen Regierung weit seltener als das zelo¬
tisch-ultramontane Mainzer Journal für ofstciöse Darstellungen benutzt wird.
Man hatte also im Puhu.cum äußerst hoffnungsvoll auf diese Eröffnung geblickt.
Nur schade, daß sie da grade abbrach, wo sie anfangen sollte. Denn der Ver-


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[0439] die Schlacht von La Före Champenoise, die Bemerkungen Napoleons zu Lord Bathursts Rede, O'Mearas Vertheidigungsschrift, mit den Bemerkungen des Statt¬ halters, von besonderem Interesse. Wir wünschen dem Buche eine weite Ver¬ breitung: es wird manche Illusion zerstören, und ist ein wichtiger Beitrag zur Charakterisirung Napoleons und ein leider nur zu später Act der Gerechtigkeit gegen einen lange verkannten und verleumdeten Ehrenmann. Auch in unserer freien Reichsstadt verdrängen natürlich die orientalischen Angelegenheiten die nächstgelegenen deutschen Interessen. Indessen ist man dieser nationalen Untugend, über dem Auswärtigen die Heimat zu vergessen, allerwärts so gewohnt, daß man es einer Handels- und Geldstadt gar nicht als specielle Vernachlässigung nachreden kann. Unter solchen Verhältnissen ging die Eröffnung der BundestagssHuug nach den Ferien ebenfalls ziemlich unbemerkt vorüber; besonders da man es ans der Zeitnngspolemik bereits mit ziemlicher Sicherheit erkannt hatte, wie fruchtlos die Bemühungen ausgefallen waren, welche Preußens Mitantrag auf einen Anschluß des deutschen Bundes an Oestreichs Neutralitäts¬ erklärung und dadurch die Beengung der freien Stellung Preußens in dieser Frage zu erringen gesucht hatten. Herr v. Prokesch war unterdessen ans Berlin hier angelangt und der Tag vor der ersten Bnndestagssitzung ward durch jenen/ von der gesammten unabhängigen Presse Deutschlands nach Verdienst gewürdigten Artikel der Frankfurter Postzeitung — des officiösen Bundesorganes — gefeiert, welcher in gehässigster Weise einen Ausdruck aus nicht veröffentlichten diplomati¬ schen Documenten („Preußen und seine Verbündeten") zusammenhanglos hervor¬ hob, um daran eine Diatribe gegen angebliche preußische Sondcrbüudlereieu zu knüpfen. Der Artikel schien manchen Leuten eine Quittung für den richtig em¬ pfangenen Abweis diplomatischer Wünsche; andern Leuten ti.e ofstciöse. Ankündi¬ gung der Nesurrection gelockerter Koalitionen. Die erste BuudestagsfitMng war rein formeller Natur. Um so überraschender kam in der zweiten die östreichische „Eröff¬ nung" über die orientalischen Angelegenheiten, von welcher jedermann große Aufklä- rungen erwartete, bis das Document nicht etwa in der Frankfurter Postzeitung, wie man hätte erwarten dürfen, sondern in der Darmstädter Zeitung erschien, welche doch selbst von der großherzoglichen Regierung weit seltener als das zelo¬ tisch-ultramontane Mainzer Journal für ofstciöse Darstellungen benutzt wird. Man hatte also im Puhu.cum äußerst hoffnungsvoll auf diese Eröffnung geblickt. Nur schade, daß sie da grade abbrach, wo sie anfangen sollte. Denn der Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/439>, abgerufen am 19.05.2024.