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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Für den Kölner Dombau sind vom 1. Januar bis 31. August d. I. 28,000 Thlr.
eingegangen. --

Prof. Kiß in Berlin führt das Denkmal des verstorbenen Herzog Franz Ludwig
für Dessau aus. --

Das deutsche Kunstblatt enthält einen kurzen, aber interessanten Artikel über
das Verhältniß der Münchner zu den Düsseldorfern. "Sowenig die Natur am Nieder-
rhein bietet, so ist auf sie der Künstler doch fast ausschließlich angewiesen. Aber es
sind nicht Formen aus irgend einem Reich der Natur, die er studiren könnte; es ist
mehr der Himmel als die Erde, und das Wechselverhältniß zwischen beiden, woraus
er die Aufmerksamkeit zu richten hat. Die wenigen Gegenstände, die sich dort bieten,
werden nur interessant durch das Licht, in dem sie erscheinen. . . . Während auf
Bildern aus andern Schulen die Luft nicht selten ganz fehlt, findet man auf Gemälden
vom Niederrhein die geheimsten Bedingungen derselben gewürdigt und die feinsten Wir¬
kungen wiedergegeben .... Der baierische Künstler zieht in die Alpen oder nach Italien.
Da findet er mehr Veranlassung zu zeichnen als zu malen u. s. w." -- "Während
man in München einem Ideale nachstrebt.. das, wie es erhebt und fördert, doch auch
das Bewußtsein niederdrückt, schöpft man in Düsseldorf ausschließlich aus den Quellen
der Natur..die Düsseldorfer decken allen Schaden mit ihrer wunderbaren Farbentechnik
zu. Sie hüllen ihre Person in eine wahre Zauberet von Licht und Lust und Dust,
während die Münchner ihre Poesie allzu nackt darstellen." --


Ein Curiosum.

-- Wir haben zufällig ein altes Liederheft aus dem Jahre
18i2 ausfindig gemacht, welches unter dem Titel: Gedichte von I. Georg Karl Anton
Herr, Doctor der Philosophie und Pfarrer, eine poetische Beschreibung der Leipziger
Messe enthält. Wir haben in der ganzen Literatur "och nichts Aehnliches gesunden,
und es wäre eine unverzeihliche Sünde gegen den Gott der Heiterkeit, wenn wir unsern
Lesern nicht wenigstens einiges daraus mittheilen wollten, obgleich eS eigentlich verdiente,
vollständig der Unsterblichkeit aufbewahrt zu werden. Es besteht aus hundert QnatrainS.


3. Volk zwirbelt, wie Fluten an Gestad's Brandung,
Zur Tief sich wälzend im schlagenden Umschwung,
Ruhe und beschimpft's, grüßt und zankt's, herze und fluchet,
Schwarzlockig das Mädchen den Liebsten suchet.
4- Der Worm' Ton bomben Glocken von Domthürmen,
Der Kanon' Grüß haltend rolln, gleich Kriegsstürmen,
Donner durchsaust polternd süße Accorde,
Der Gesang' Jubel hebt zur Himmelspforte.
L. Des Bacchus Geschenk kommt auf hohem Wagen.
Wild Volksstürm' der Welt Trinkgefäß' beitragen,
Zerstoßen wogt's auf goldgeschmückte Haare,
Käufer fliehn schöner Jungfrau Seideuwaarc.
9. Neu' Geläut vermählt sich mit Donncrjubel,
Vor Freud' zwirbeln Leut', wie der Scylla Strudel,
Vor hohen Wagen muthig die Roß' wiehern,
Gezügclt wird ihr Stolz, wissen's, wen sie führen.
10. Masken elln, wie sturmgepeitschte Ameise",
Laufen geschreckt, wohin sie die Wind' weisen,
Ein Schneider wüthet: "Fluch der Flcischabgabe,"
Der Herr nickt, daß der Will' die Volksmeng' labe.

Für den Kölner Dombau sind vom 1. Januar bis 31. August d. I. 28,000 Thlr.
eingegangen. —

Prof. Kiß in Berlin führt das Denkmal des verstorbenen Herzog Franz Ludwig
für Dessau aus. —

Das deutsche Kunstblatt enthält einen kurzen, aber interessanten Artikel über
das Verhältniß der Münchner zu den Düsseldorfern. „Sowenig die Natur am Nieder-
rhein bietet, so ist auf sie der Künstler doch fast ausschließlich angewiesen. Aber es
sind nicht Formen aus irgend einem Reich der Natur, die er studiren könnte; es ist
mehr der Himmel als die Erde, und das Wechselverhältniß zwischen beiden, woraus
er die Aufmerksamkeit zu richten hat. Die wenigen Gegenstände, die sich dort bieten,
werden nur interessant durch das Licht, in dem sie erscheinen. . . . Während auf
Bildern aus andern Schulen die Luft nicht selten ganz fehlt, findet man auf Gemälden
vom Niederrhein die geheimsten Bedingungen derselben gewürdigt und die feinsten Wir¬
kungen wiedergegeben .... Der baierische Künstler zieht in die Alpen oder nach Italien.
Da findet er mehr Veranlassung zu zeichnen als zu malen u. s. w." — „Während
man in München einem Ideale nachstrebt.. das, wie es erhebt und fördert, doch auch
das Bewußtsein niederdrückt, schöpft man in Düsseldorf ausschließlich aus den Quellen
der Natur..die Düsseldorfer decken allen Schaden mit ihrer wunderbaren Farbentechnik
zu. Sie hüllen ihre Person in eine wahre Zauberet von Licht und Lust und Dust,
während die Münchner ihre Poesie allzu nackt darstellen." —


Ein Curiosum.

— Wir haben zufällig ein altes Liederheft aus dem Jahre
18i2 ausfindig gemacht, welches unter dem Titel: Gedichte von I. Georg Karl Anton
Herr, Doctor der Philosophie und Pfarrer, eine poetische Beschreibung der Leipziger
Messe enthält. Wir haben in der ganzen Literatur «och nichts Aehnliches gesunden,
und es wäre eine unverzeihliche Sünde gegen den Gott der Heiterkeit, wenn wir unsern
Lesern nicht wenigstens einiges daraus mittheilen wollten, obgleich eS eigentlich verdiente,
vollständig der Unsterblichkeit aufbewahrt zu werden. Es besteht aus hundert QnatrainS.


3. Volk zwirbelt, wie Fluten an Gestad's Brandung,
Zur Tief sich wälzend im schlagenden Umschwung,
Ruhe und beschimpft's, grüßt und zankt's, herze und fluchet,
Schwarzlockig das Mädchen den Liebsten suchet.
4- Der Worm' Ton bomben Glocken von Domthürmen,
Der Kanon' Grüß haltend rolln, gleich Kriegsstürmen,
Donner durchsaust polternd süße Accorde,
Der Gesang' Jubel hebt zur Himmelspforte.
L. Des Bacchus Geschenk kommt auf hohem Wagen.
Wild Volksstürm' der Welt Trinkgefäß' beitragen,
Zerstoßen wogt's auf goldgeschmückte Haare,
Käufer fliehn schöner Jungfrau Seideuwaarc.
9. Neu' Geläut vermählt sich mit Donncrjubel,
Vor Freud' zwirbeln Leut', wie der Scylla Strudel,
Vor hohen Wagen muthig die Roß' wiehern,
Gezügclt wird ihr Stolz, wissen's, wen sie führen.
10. Masken elln, wie sturmgepeitschte Ameise»,
Laufen geschreckt, wohin sie die Wind' weisen,
Ein Schneider wüthet: „Fluch der Flcischabgabe,"
Der Herr nickt, daß der Will' die Volksmeng' labe.

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[0046] Für den Kölner Dombau sind vom 1. Januar bis 31. August d. I. 28,000 Thlr. eingegangen. — Prof. Kiß in Berlin führt das Denkmal des verstorbenen Herzog Franz Ludwig für Dessau aus. — Das deutsche Kunstblatt enthält einen kurzen, aber interessanten Artikel über das Verhältniß der Münchner zu den Düsseldorfern. „Sowenig die Natur am Nieder- rhein bietet, so ist auf sie der Künstler doch fast ausschließlich angewiesen. Aber es sind nicht Formen aus irgend einem Reich der Natur, die er studiren könnte; es ist mehr der Himmel als die Erde, und das Wechselverhältniß zwischen beiden, woraus er die Aufmerksamkeit zu richten hat. Die wenigen Gegenstände, die sich dort bieten, werden nur interessant durch das Licht, in dem sie erscheinen. . . . Während auf Bildern aus andern Schulen die Luft nicht selten ganz fehlt, findet man auf Gemälden vom Niederrhein die geheimsten Bedingungen derselben gewürdigt und die feinsten Wir¬ kungen wiedergegeben .... Der baierische Künstler zieht in die Alpen oder nach Italien. Da findet er mehr Veranlassung zu zeichnen als zu malen u. s. w." — „Während man in München einem Ideale nachstrebt.. das, wie es erhebt und fördert, doch auch das Bewußtsein niederdrückt, schöpft man in Düsseldorf ausschließlich aus den Quellen der Natur..die Düsseldorfer decken allen Schaden mit ihrer wunderbaren Farbentechnik zu. Sie hüllen ihre Person in eine wahre Zauberet von Licht und Lust und Dust, während die Münchner ihre Poesie allzu nackt darstellen." — Ein Curiosum. — Wir haben zufällig ein altes Liederheft aus dem Jahre 18i2 ausfindig gemacht, welches unter dem Titel: Gedichte von I. Georg Karl Anton Herr, Doctor der Philosophie und Pfarrer, eine poetische Beschreibung der Leipziger Messe enthält. Wir haben in der ganzen Literatur «och nichts Aehnliches gesunden, und es wäre eine unverzeihliche Sünde gegen den Gott der Heiterkeit, wenn wir unsern Lesern nicht wenigstens einiges daraus mittheilen wollten, obgleich eS eigentlich verdiente, vollständig der Unsterblichkeit aufbewahrt zu werden. Es besteht aus hundert QnatrainS. 3. Volk zwirbelt, wie Fluten an Gestad's Brandung, Zur Tief sich wälzend im schlagenden Umschwung, Ruhe und beschimpft's, grüßt und zankt's, herze und fluchet, Schwarzlockig das Mädchen den Liebsten suchet. 4- Der Worm' Ton bomben Glocken von Domthürmen, Der Kanon' Grüß haltend rolln, gleich Kriegsstürmen, Donner durchsaust polternd süße Accorde, Der Gesang' Jubel hebt zur Himmelspforte. L. Des Bacchus Geschenk kommt auf hohem Wagen. Wild Volksstürm' der Welt Trinkgefäß' beitragen, Zerstoßen wogt's auf goldgeschmückte Haare, Käufer fliehn schöner Jungfrau Seideuwaarc. 9. Neu' Geläut vermählt sich mit Donncrjubel, Vor Freud' zwirbeln Leut', wie der Scylla Strudel, Vor hohen Wagen muthig die Roß' wiehern, Gezügclt wird ihr Stolz, wissen's, wen sie führen. 10. Masken elln, wie sturmgepeitschte Ameise», Laufen geschreckt, wohin sie die Wind' weisen, Ein Schneider wüthet: „Fluch der Flcischabgabe," Der Herr nickt, daß der Will' die Volksmeng' labe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/46>, abgerufen am 29.05.2024.