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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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bekannt würde. Wenn es wahr ist, daß sie in richtiger Beurtheilung der Ver¬
hältnisse eine solche Vereinigung nicht wünschenswerth erachtet, so würde dies
standhafte Zurückhalten zwar in der Gegenwart durchaus keine Alteration der
öffentlichen Meinung hervorbringen, aber es konnte wol der Tag kommen, wo die
Franzosen sich daran erinnern, daß der Enkel Louis Philipps einem Princip keine
Concessionen gemacht hat, welches, wie man auch sonst darüber urtheilen möge,
jedenfalls nicht mehr französisch ist. In diesem Falle würde die größte Folge der
Fusion die sein, daß sie die europäische Pnblicistik mit einem Wort von sehr
zweifelhaftem Werthe bereichert hat. --




W vnsen bericht.
Bildende Kunst.

-- Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei
und Malerei, von Einführung des Christenthums bis auf die neueste Zeit, heraus¬
gegeben von Ernst Förster, Leipzig, T. O. Weigel. -- Man hat in unserer
neuesten Literatur sehr häufig teil Gesichtspunkt des Patriotismus aufgestellt und sich
daran gewöhnt, die Bedeutung eines jeden Kunst- und Litcraturwerks darnach abzu¬
messen, ob es das Nationalgefühl fördert oder nicht. Dieser Gesichtspunkt ist an sich
vollkommen richtig, den" die Förderung des Nationalgefühls hat einen höheren und
bleibenderen Werth, als vorübergehende ästhetische Genüsse, nur hat mau häufig davon
eine falsche Anwendung gemacht, indem man das Interesse der deutschen Schriftsteller
mit dem Interesse des deutschen Volks verwechselte. So hat man es der Kritik häufig
vorgeworfen > daß sie, anstatt die heimischen Producenten zu fördern, die Concurrenz des
Auslandes begünstige und dadurch dem Vaterlande Schaden thue, ganz ähnlich wie die
Schutzzöllner, die fest davon überzeugt sind, die Nation stehe sich gut, wenn der Beutel
der Fabrikanten voll ist. Uns scheint vielmehr, daß bei der Beurtheilung eines jeden
Kunstwerks nicht der Umstand maßgebend sein kann, ob der'Verfasser von Geburt
ein Deutscher iU, sondern ob das Kunstwerk selbst im deutschen Sinn ausgeführt ist.
So wird z. B. niemand darüber zweifelhaft sein, daß die Einführung Shakespeares
in Deutschland das deutsche Nationalgefühl sehr bedeutend gefördert hat, obgleich dieser
Mann ein Britte war, und daß Werner, Müllner. Houwald, um von Clauren und
Kotzebue gar nicht zu reden, dem deutscheu Nationalgefühl sehr geschadet haben, obgleich
sie sammt und sonders Deutsche waren---Wir kennen keine zweckmäßigere und
würdigere Art und Weise, das Nationalgefühl überall rege zu machen, als die sinnliche
Vergegenwärtigung unserer großen Vorzeit, die sich nach keiner Richtung hin so bedeu¬
tend und energisch entfaltet hat, als in der bildenden Kunst. Diese Zeugen unserer
Geschichte siud zwar noch vorhanden, und obgleich sie stumm sind, reden sie für jedes


Andenken ihres Gemahls und des verstorbenen Königs der Franzosen compromittirt und mit
den Ueberzeugungen derselben von der Stellung und dem Beruf eines Königs von Frankreich
unvereinbar ist. Von den übrigen Mitgliedern der Familie Orleans haben alle, mit Aus¬
nahme des Prinzen Joinville der Fusion beigestimmt.

bekannt würde. Wenn es wahr ist, daß sie in richtiger Beurtheilung der Ver¬
hältnisse eine solche Vereinigung nicht wünschenswerth erachtet, so würde dies
standhafte Zurückhalten zwar in der Gegenwart durchaus keine Alteration der
öffentlichen Meinung hervorbringen, aber es konnte wol der Tag kommen, wo die
Franzosen sich daran erinnern, daß der Enkel Louis Philipps einem Princip keine
Concessionen gemacht hat, welches, wie man auch sonst darüber urtheilen möge,
jedenfalls nicht mehr französisch ist. In diesem Falle würde die größte Folge der
Fusion die sein, daß sie die europäische Pnblicistik mit einem Wort von sehr
zweifelhaftem Werthe bereichert hat. —




W vnsen bericht.
Bildende Kunst.

— Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei
und Malerei, von Einführung des Christenthums bis auf die neueste Zeit, heraus¬
gegeben von Ernst Förster, Leipzig, T. O. Weigel. — Man hat in unserer
neuesten Literatur sehr häufig teil Gesichtspunkt des Patriotismus aufgestellt und sich
daran gewöhnt, die Bedeutung eines jeden Kunst- und Litcraturwerks darnach abzu¬
messen, ob es das Nationalgefühl fördert oder nicht. Dieser Gesichtspunkt ist an sich
vollkommen richtig, den» die Förderung des Nationalgefühls hat einen höheren und
bleibenderen Werth, als vorübergehende ästhetische Genüsse, nur hat mau häufig davon
eine falsche Anwendung gemacht, indem man das Interesse der deutschen Schriftsteller
mit dem Interesse des deutschen Volks verwechselte. So hat man es der Kritik häufig
vorgeworfen > daß sie, anstatt die heimischen Producenten zu fördern, die Concurrenz des
Auslandes begünstige und dadurch dem Vaterlande Schaden thue, ganz ähnlich wie die
Schutzzöllner, die fest davon überzeugt sind, die Nation stehe sich gut, wenn der Beutel
der Fabrikanten voll ist. Uns scheint vielmehr, daß bei der Beurtheilung eines jeden
Kunstwerks nicht der Umstand maßgebend sein kann, ob der'Verfasser von Geburt
ein Deutscher iU, sondern ob das Kunstwerk selbst im deutschen Sinn ausgeführt ist.
So wird z. B. niemand darüber zweifelhaft sein, daß die Einführung Shakespeares
in Deutschland das deutsche Nationalgefühl sehr bedeutend gefördert hat, obgleich dieser
Mann ein Britte war, und daß Werner, Müllner. Houwald, um von Clauren und
Kotzebue gar nicht zu reden, dem deutscheu Nationalgefühl sehr geschadet haben, obgleich
sie sammt und sonders Deutsche waren---Wir kennen keine zweckmäßigere und
würdigere Art und Weise, das Nationalgefühl überall rege zu machen, als die sinnliche
Vergegenwärtigung unserer großen Vorzeit, die sich nach keiner Richtung hin so bedeu¬
tend und energisch entfaltet hat, als in der bildenden Kunst. Diese Zeugen unserer
Geschichte siud zwar noch vorhanden, und obgleich sie stumm sind, reden sie für jedes


Andenken ihres Gemahls und des verstorbenen Königs der Franzosen compromittirt und mit
den Ueberzeugungen derselben von der Stellung und dem Beruf eines Königs von Frankreich
unvereinbar ist. Von den übrigen Mitgliedern der Familie Orleans haben alle, mit Aus¬
nahme des Prinzen Joinville der Fusion beigestimmt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/476>, abgerufen am 28.05.2024.