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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Jede Nuance wird mit Feinheit hervorgehoben und dort, wo sich der Dichter
eine Blöße gegeben, deckt der Schauspieler mit Schonung zu. So zum Beispiel
als Diane dem Herzoge den Brief für Marceline übergibt und ihm erlaubt, wie¬
der zu kommen, geschieht dies mit einer Koketterie und einer Herausforderung,
die sonst gar nicht.im Charakter der Gräfin liegt. Rosa Cheri hatte offenbar gefühlt,
daß sie nur so das Unwahrscheinliche der späteren Situation retten könne und
solcher Züge könnte ich viele aufzählen. Dupuis als Max Terror, Lafontaine
als Comte de Lys, Lesueur als Taupin und Bressaut der Maler leisten jeder
das Vollkommenste in seiner Art. Nächstens wollen'wir Manprat unsern Besuch
abstatten, wir hoffen, bis orientalische Frage wird uns Muße genug lassen.




Wer etwa in den Gast- und Kaffeehausgesprächen bei uns absonderlich viel
vom Kirchenconflicte zu hören erwartet, der wird sich arg getäuscht sehen. Die
Badenser haben vom langen Belagerungszustände Hören und Schweigen gelernt,
und am meiste" hat dazu in manchen Gegenden noch die damalige Denuuciationssncht
beigetragen, das jämmerlichste Symptom politischer Sittenverderbniß. Im gegen¬
wärtigen Conflicte gehen überdies die Landcszeitnngen den schweigenden mit
gutem Beispiele vo'ran. Gesetzlich kann ihnen freilich die Besprechung der Lan-
desangelegenheiten nicht untersagt werde", allein der ihre" Redactionen von der
Verwaltungsbehörde gewordene Nath, sich jeder Erwähnung der Vorgänge im
ksrchlich'staatliche" Kampfe so lang z" enthalte", bis die Karlsruher Zeitung ihr
Schweigen breche, wird aufs strengste befolgt. Selbst Thatsächliches erfahre"
wir, außer den bekannte" Regiermigserlassen, ausschließlich durch uichtbadische
Blätter, unter denen man der Allgemeinen und Frankfurter Postzeitung nicht ge¬
ringe Geltung in sehr bestimmten höhern Regionen zuschreibt, während Fraiikfurter
Journal, Schwäbische Merkur und Kölnische Zeitung im größer" Publikum am -
meisten verbreitet sind. Die Augsburger Allgemeine und Frankfurter Postzeitung,
welche mau hier für zuverlässige östreichische Pulsfühler im "Auslande" hält, haben
sich der erzbischöfliche" Sache einschiebe" und mit einer Überschreitung des pu¬
blizistische" Schicklichkeitsmaßes augenommen, daß auch von ihnen einzelne Num¬
mern der Confiscation anheimfielen. Unsers Erachtens hätte man sie passiren
lassen können, der moralische Credit der verfochtenen Sachen wäre dadurch gewiß
nicht erhöht worden. Dagegen hätte das Publicum erkannt, wie diese Blätter
sprechen, wenn ihre Opposition keiner Großmacht gilt und der Billigung ihrer


Jede Nuance wird mit Feinheit hervorgehoben und dort, wo sich der Dichter
eine Blöße gegeben, deckt der Schauspieler mit Schonung zu. So zum Beispiel
als Diane dem Herzoge den Brief für Marceline übergibt und ihm erlaubt, wie¬
der zu kommen, geschieht dies mit einer Koketterie und einer Herausforderung,
die sonst gar nicht.im Charakter der Gräfin liegt. Rosa Cheri hatte offenbar gefühlt,
daß sie nur so das Unwahrscheinliche der späteren Situation retten könne und
solcher Züge könnte ich viele aufzählen. Dupuis als Max Terror, Lafontaine
als Comte de Lys, Lesueur als Taupin und Bressaut der Maler leisten jeder
das Vollkommenste in seiner Art. Nächstens wollen'wir Manprat unsern Besuch
abstatten, wir hoffen, bis orientalische Frage wird uns Muße genug lassen.




Wer etwa in den Gast- und Kaffeehausgesprächen bei uns absonderlich viel
vom Kirchenconflicte zu hören erwartet, der wird sich arg getäuscht sehen. Die
Badenser haben vom langen Belagerungszustände Hören und Schweigen gelernt,
und am meiste» hat dazu in manchen Gegenden noch die damalige Denuuciationssncht
beigetragen, das jämmerlichste Symptom politischer Sittenverderbniß. Im gegen¬
wärtigen Conflicte gehen überdies die Landcszeitnngen den schweigenden mit
gutem Beispiele vo'ran. Gesetzlich kann ihnen freilich die Besprechung der Lan-
desangelegenheiten nicht untersagt werde», allein der ihre» Redactionen von der
Verwaltungsbehörde gewordene Nath, sich jeder Erwähnung der Vorgänge im
ksrchlich'staatliche» Kampfe so lang z» enthalte», bis die Karlsruher Zeitung ihr
Schweigen breche, wird aufs strengste befolgt. Selbst Thatsächliches erfahre»
wir, außer den bekannte» Regiermigserlassen, ausschließlich durch uichtbadische
Blätter, unter denen man der Allgemeinen und Frankfurter Postzeitung nicht ge¬
ringe Geltung in sehr bestimmten höhern Regionen zuschreibt, während Fraiikfurter
Journal, Schwäbische Merkur und Kölnische Zeitung im größer» Publikum am -
meisten verbreitet sind. Die Augsburger Allgemeine und Frankfurter Postzeitung,
welche mau hier für zuverlässige östreichische Pulsfühler im „Auslande" hält, haben
sich der erzbischöfliche» Sache einschiebe» und mit einer Überschreitung des pu¬
blizistische» Schicklichkeitsmaßes augenommen, daß auch von ihnen einzelne Num¬
mern der Confiscation anheimfielen. Unsers Erachtens hätte man sie passiren
lassen können, der moralische Credit der verfochtenen Sachen wäre dadurch gewiß
nicht erhöht worden. Dagegen hätte das Publicum erkannt, wie diese Blätter
sprechen, wenn ihre Opposition keiner Großmacht gilt und der Billigung ihrer


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[0508] Jede Nuance wird mit Feinheit hervorgehoben und dort, wo sich der Dichter eine Blöße gegeben, deckt der Schauspieler mit Schonung zu. So zum Beispiel als Diane dem Herzoge den Brief für Marceline übergibt und ihm erlaubt, wie¬ der zu kommen, geschieht dies mit einer Koketterie und einer Herausforderung, die sonst gar nicht.im Charakter der Gräfin liegt. Rosa Cheri hatte offenbar gefühlt, daß sie nur so das Unwahrscheinliche der späteren Situation retten könne und solcher Züge könnte ich viele aufzählen. Dupuis als Max Terror, Lafontaine als Comte de Lys, Lesueur als Taupin und Bressaut der Maler leisten jeder das Vollkommenste in seiner Art. Nächstens wollen'wir Manprat unsern Besuch abstatten, wir hoffen, bis orientalische Frage wird uns Muße genug lassen. Wer etwa in den Gast- und Kaffeehausgesprächen bei uns absonderlich viel vom Kirchenconflicte zu hören erwartet, der wird sich arg getäuscht sehen. Die Badenser haben vom langen Belagerungszustände Hören und Schweigen gelernt, und am meiste» hat dazu in manchen Gegenden noch die damalige Denuuciationssncht beigetragen, das jämmerlichste Symptom politischer Sittenverderbniß. Im gegen¬ wärtigen Conflicte gehen überdies die Landcszeitnngen den schweigenden mit gutem Beispiele vo'ran. Gesetzlich kann ihnen freilich die Besprechung der Lan- desangelegenheiten nicht untersagt werde», allein der ihre» Redactionen von der Verwaltungsbehörde gewordene Nath, sich jeder Erwähnung der Vorgänge im ksrchlich'staatliche» Kampfe so lang z» enthalte», bis die Karlsruher Zeitung ihr Schweigen breche, wird aufs strengste befolgt. Selbst Thatsächliches erfahre» wir, außer den bekannte» Regiermigserlassen, ausschließlich durch uichtbadische Blätter, unter denen man der Allgemeinen und Frankfurter Postzeitung nicht ge¬ ringe Geltung in sehr bestimmten höhern Regionen zuschreibt, während Fraiikfurter Journal, Schwäbische Merkur und Kölnische Zeitung im größer» Publikum am - meisten verbreitet sind. Die Augsburger Allgemeine und Frankfurter Postzeitung, welche mau hier für zuverlässige östreichische Pulsfühler im „Auslande" hält, haben sich der erzbischöfliche» Sache einschiebe» und mit einer Überschreitung des pu¬ blizistische» Schicklichkeitsmaßes augenommen, daß auch von ihnen einzelne Num¬ mern der Confiscation anheimfielen. Unsers Erachtens hätte man sie passiren lassen können, der moralische Credit der verfochtenen Sachen wäre dadurch gewiß nicht erhöht worden. Dagegen hätte das Publicum erkannt, wie diese Blätter sprechen, wenn ihre Opposition keiner Großmacht gilt und der Billigung ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/508>, abgerufen am 29.05.2024.