Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

(doch wol mit Unrecht) dem bekannten Herrn H. v. Audlaw zu, weil ein Motto
aus dessen "Aufruhr und Umsturz in Baden" an der Spitze steht. Es lautet:
"Das Princip der Revolution erkennt in seinem letzten Grunde das fremde
Recht gar nicht an und stempelt das Unrecht, das sie ausübt, zu ihrem eignen
Recht."




Neue historische Schriften.
Leben des Oberpräsidenten Frh. von Vincke. Nach seinen Tagebüchern bearbeitet von
E. v. Bodelschwingh. Zum Besten der Vinckeschm Provinzial-Blinden-Anstalt
sür Westfalen. 1 Bd.: das bewegte Leben (-1774 bis 1816). Mit V.s
Vildniß und neun Nachahmungen von Handschriften. -- Berlin, G. Reimer. --

Es ist unter den Parteien, die sich ' auf dem Boden der constitutionellen
Entwickelung Preußens bewegen, eine aufgetreten, die man mit dem Namen der
altpreußischen zu bezeichnen pflegt: ein Name, dem wir vor vielen andern den
Vorzug geben, weil er nicht auf eine unbestimmte Zukunft hinweist, ^sondern
eine durchaus concrete Vorstellung ausdrückt. Das Preußen der Restaurationszeit
hat aber so viele mißliebige Erinnerungen hervorgerufen, daß es sehr zweckmäßig
ist, von Zeit zu Zeit in ausgeführten Bildern auf jenen Begriff des Altpreußischcn
zurückzuweisen. Die Preußen aus der Schule des alten Fritz und die Preußen,
welche zur Zeit der französischen Herrschaft die Wiedergeburt des Vaterlandes
herbeiführten, waren nicht feine, an elegante Formen gewöhnte Staatsmänner und
Diplomaten, wie man sie in andern Staaten von älterer Tradition häufig antrifft,
sie bemühten sich nicht, den Katholicismus und die Revolution vom höhern philo¬
sophischen Standpunkt aufzufassen, es gab darunter sogar einige, welche mir und
mich verwechselten und gegen die ganze höhere Literatur gleichgiltig waren; sie
waren auch im Umgang durchaus nicht fein und liebenswürdig, im Gegentheil
zum Theil sehr grobkörnige, kurzangebundene Männer, mit denen sich schwer ver¬
kehren ließ: dafür hatten sie aber, was unsern modernen Staatsmännern zum
großen Theil abgeht, eine feste eiserne Entschlossenheit, ein gewaltiges, uner¬
schütterliches, Gefühl der Ehre, eine unmittelbare, nicht bloß reflectirte Liebe zum
Vaterlande und eiuen sichern praktischen Blick, der sie überall auf das Wesentliche
führte. Das "Leben Steins" von Pertz und das "Leben Uorks" von Droysen
haben uns bereits erhebende Bilder von solchen Männern dargestellt; hoffentlich
wird noch eine ganze Reihe ähnlicher Schriften folgen.

Das vorliegende Werk schließt sich dieser Literatur aus eine würdige Weise
an. Der im I. -1844 verstorbene Oberpräsident Vincke gehörte zu den kräftigsten
Vertretern der Steinschen Periode. Herr v. Bodelschwingh, der ehemalige preuß.
Minister, stand ihm in Familien- und geschäftlichen Beziehungen nahe und er hat


Grenzboten. IV. >8öZ. '

(doch wol mit Unrecht) dem bekannten Herrn H. v. Audlaw zu, weil ein Motto
aus dessen „Aufruhr und Umsturz in Baden" an der Spitze steht. Es lautet:
„Das Princip der Revolution erkennt in seinem letzten Grunde das fremde
Recht gar nicht an und stempelt das Unrecht, das sie ausübt, zu ihrem eignen
Recht."




Neue historische Schriften.
Leben des Oberpräsidenten Frh. von Vincke. Nach seinen Tagebüchern bearbeitet von
E. v. Bodelschwingh. Zum Besten der Vinckeschm Provinzial-Blinden-Anstalt
sür Westfalen. 1 Bd.: das bewegte Leben (-1774 bis 1816). Mit V.s
Vildniß und neun Nachahmungen von Handschriften. — Berlin, G. Reimer. —

Es ist unter den Parteien, die sich ' auf dem Boden der constitutionellen
Entwickelung Preußens bewegen, eine aufgetreten, die man mit dem Namen der
altpreußischen zu bezeichnen pflegt: ein Name, dem wir vor vielen andern den
Vorzug geben, weil er nicht auf eine unbestimmte Zukunft hinweist, ^sondern
eine durchaus concrete Vorstellung ausdrückt. Das Preußen der Restaurationszeit
hat aber so viele mißliebige Erinnerungen hervorgerufen, daß es sehr zweckmäßig
ist, von Zeit zu Zeit in ausgeführten Bildern auf jenen Begriff des Altpreußischcn
zurückzuweisen. Die Preußen aus der Schule des alten Fritz und die Preußen,
welche zur Zeit der französischen Herrschaft die Wiedergeburt des Vaterlandes
herbeiführten, waren nicht feine, an elegante Formen gewöhnte Staatsmänner und
Diplomaten, wie man sie in andern Staaten von älterer Tradition häufig antrifft,
sie bemühten sich nicht, den Katholicismus und die Revolution vom höhern philo¬
sophischen Standpunkt aufzufassen, es gab darunter sogar einige, welche mir und
mich verwechselten und gegen die ganze höhere Literatur gleichgiltig waren; sie
waren auch im Umgang durchaus nicht fein und liebenswürdig, im Gegentheil
zum Theil sehr grobkörnige, kurzangebundene Männer, mit denen sich schwer ver¬
kehren ließ: dafür hatten sie aber, was unsern modernen Staatsmännern zum
großen Theil abgeht, eine feste eiserne Entschlossenheit, ein gewaltiges, uner¬
schütterliches, Gefühl der Ehre, eine unmittelbare, nicht bloß reflectirte Liebe zum
Vaterlande und eiuen sichern praktischen Blick, der sie überall auf das Wesentliche
führte. Das „Leben Steins" von Pertz und das „Leben Uorks" von Droysen
haben uns bereits erhebende Bilder von solchen Männern dargestellt; hoffentlich
wird noch eine ganze Reihe ähnlicher Schriften folgen.

Das vorliegende Werk schließt sich dieser Literatur aus eine würdige Weise
an. Der im I. -1844 verstorbene Oberpräsident Vincke gehörte zu den kräftigsten
Vertretern der Steinschen Periode. Herr v. Bodelschwingh, der ehemalige preuß.
Minister, stand ihm in Familien- und geschäftlichen Beziehungen nahe und er hat


Grenzboten. IV. >8öZ. '
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0513" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97218"/>
          <p xml:id="ID_1494" prev="#ID_1493"> (doch wol mit Unrecht) dem bekannten Herrn H. v. Audlaw zu, weil ein Motto<lb/>
aus dessen &#x201E;Aufruhr und Umsturz in Baden" an der Spitze steht. Es lautet:<lb/>
&#x201E;Das Princip der Revolution erkennt in seinem letzten Grunde das fremde<lb/>
Recht gar nicht an und stempelt das Unrecht, das sie ausübt, zu ihrem eignen<lb/>
Recht."</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Neue historische Schriften.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Leben des Oberpräsidenten Frh. von Vincke. Nach seinen Tagebüchern bearbeitet von<lb/>
E. v. Bodelschwingh. Zum Besten der Vinckeschm Provinzial-Blinden-Anstalt<lb/>
sür Westfalen. 1 Bd.: das bewegte Leben (-1774 bis 1816). Mit V.s<lb/>
Vildniß und neun Nachahmungen von Handschriften. &#x2014; Berlin, G. Reimer. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1495"> Es ist unter den Parteien, die sich ' auf dem Boden der constitutionellen<lb/>
Entwickelung Preußens bewegen, eine aufgetreten, die man mit dem Namen der<lb/>
altpreußischen zu bezeichnen pflegt: ein Name, dem wir vor vielen andern den<lb/>
Vorzug geben, weil er nicht auf eine unbestimmte Zukunft hinweist, ^sondern<lb/>
eine durchaus concrete Vorstellung ausdrückt. Das Preußen der Restaurationszeit<lb/>
hat aber so viele mißliebige Erinnerungen hervorgerufen, daß es sehr zweckmäßig<lb/>
ist, von Zeit zu Zeit in ausgeführten Bildern auf jenen Begriff des Altpreußischcn<lb/>
zurückzuweisen. Die Preußen aus der Schule des alten Fritz und die Preußen,<lb/>
welche zur Zeit der französischen Herrschaft die Wiedergeburt des Vaterlandes<lb/>
herbeiführten, waren nicht feine, an elegante Formen gewöhnte Staatsmänner und<lb/>
Diplomaten, wie man sie in andern Staaten von älterer Tradition häufig antrifft,<lb/>
sie bemühten sich nicht, den Katholicismus und die Revolution vom höhern philo¬<lb/>
sophischen Standpunkt aufzufassen, es gab darunter sogar einige, welche mir und<lb/>
mich verwechselten und gegen die ganze höhere Literatur gleichgiltig waren; sie<lb/>
waren auch im Umgang durchaus nicht fein und liebenswürdig, im Gegentheil<lb/>
zum Theil sehr grobkörnige, kurzangebundene Männer, mit denen sich schwer ver¬<lb/>
kehren ließ: dafür hatten sie aber, was unsern modernen Staatsmännern zum<lb/>
großen Theil abgeht, eine feste eiserne Entschlossenheit, ein gewaltiges, uner¬<lb/>
schütterliches, Gefühl der Ehre, eine unmittelbare, nicht bloß reflectirte Liebe zum<lb/>
Vaterlande und eiuen sichern praktischen Blick, der sie überall auf das Wesentliche<lb/>
führte. Das &#x201E;Leben Steins" von Pertz und das &#x201E;Leben Uorks" von Droysen<lb/>
haben uns bereits erhebende Bilder von solchen Männern dargestellt; hoffentlich<lb/>
wird noch eine ganze Reihe ähnlicher Schriften folgen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1496" next="#ID_1497"> Das vorliegende Werk schließt sich dieser Literatur aus eine würdige Weise<lb/>
an. Der im I. -1844 verstorbene Oberpräsident Vincke gehörte zu den kräftigsten<lb/>
Vertretern der Steinschen Periode. Herr v. Bodelschwingh, der ehemalige preuß.<lb/>
Minister, stand ihm in Familien- und geschäftlichen Beziehungen nahe und er hat</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. &gt;8öZ. '</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0513] (doch wol mit Unrecht) dem bekannten Herrn H. v. Audlaw zu, weil ein Motto aus dessen „Aufruhr und Umsturz in Baden" an der Spitze steht. Es lautet: „Das Princip der Revolution erkennt in seinem letzten Grunde das fremde Recht gar nicht an und stempelt das Unrecht, das sie ausübt, zu ihrem eignen Recht." Neue historische Schriften. Leben des Oberpräsidenten Frh. von Vincke. Nach seinen Tagebüchern bearbeitet von E. v. Bodelschwingh. Zum Besten der Vinckeschm Provinzial-Blinden-Anstalt sür Westfalen. 1 Bd.: das bewegte Leben (-1774 bis 1816). Mit V.s Vildniß und neun Nachahmungen von Handschriften. — Berlin, G. Reimer. — Es ist unter den Parteien, die sich ' auf dem Boden der constitutionellen Entwickelung Preußens bewegen, eine aufgetreten, die man mit dem Namen der altpreußischen zu bezeichnen pflegt: ein Name, dem wir vor vielen andern den Vorzug geben, weil er nicht auf eine unbestimmte Zukunft hinweist, ^sondern eine durchaus concrete Vorstellung ausdrückt. Das Preußen der Restaurationszeit hat aber so viele mißliebige Erinnerungen hervorgerufen, daß es sehr zweckmäßig ist, von Zeit zu Zeit in ausgeführten Bildern auf jenen Begriff des Altpreußischcn zurückzuweisen. Die Preußen aus der Schule des alten Fritz und die Preußen, welche zur Zeit der französischen Herrschaft die Wiedergeburt des Vaterlandes herbeiführten, waren nicht feine, an elegante Formen gewöhnte Staatsmänner und Diplomaten, wie man sie in andern Staaten von älterer Tradition häufig antrifft, sie bemühten sich nicht, den Katholicismus und die Revolution vom höhern philo¬ sophischen Standpunkt aufzufassen, es gab darunter sogar einige, welche mir und mich verwechselten und gegen die ganze höhere Literatur gleichgiltig waren; sie waren auch im Umgang durchaus nicht fein und liebenswürdig, im Gegentheil zum Theil sehr grobkörnige, kurzangebundene Männer, mit denen sich schwer ver¬ kehren ließ: dafür hatten sie aber, was unsern modernen Staatsmännern zum großen Theil abgeht, eine feste eiserne Entschlossenheit, ein gewaltiges, uner¬ schütterliches, Gefühl der Ehre, eine unmittelbare, nicht bloß reflectirte Liebe zum Vaterlande und eiuen sichern praktischen Blick, der sie überall auf das Wesentliche führte. Das „Leben Steins" von Pertz und das „Leben Uorks" von Droysen haben uns bereits erhebende Bilder von solchen Männern dargestellt; hoffentlich wird noch eine ganze Reihe ähnlicher Schriften folgen. Das vorliegende Werk schließt sich dieser Literatur aus eine würdige Weise an. Der im I. -1844 verstorbene Oberpräsident Vincke gehörte zu den kräftigsten Vertretern der Steinschen Periode. Herr v. Bodelschwingh, der ehemalige preuß. Minister, stand ihm in Familien- und geschäftlichen Beziehungen nahe und er hat Grenzboten. IV. >8öZ. '

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/513
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/513>, abgerufen am 29.05.2024.