Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lischen Revolution (zuerst erschienen -I8i3) und die dritte Auflage der Geschichte
der französischen Revolution (zuerst erschienen 18is). Die zunächst vorher¬
gehende Auflage fiel in die Zeit unserer eigenen Bewegung und gewann da¬
durch ein charakteristisches Interesse, aber wir finden auel/ für die neue Ausgabe
den Zeitpunkt sehr günstig, denn es sind durch die demokratischen Schriftsteller
einerseits, durch die reaktionären Schriftsteller andrerseits so verkehrte Begriffe
über das Wesen der Revolution im Volke verbreitet worden, daß eine Berich¬
tigung derselben durch einen hochgebildeten und ehrenfester Mann sehr am Orte
sein dürfte. Wir gehen auf den Inhalt dieser beiden Bände diesmal nicht ein,
weil wir eine Charakteristik Dahlmanns in der Reihe unserer deutschen Geschicht¬
schreiber in der kürzesten Zeit beabsichtigen, wir bemerken hier nur soviel, um
manche verkehrte Ansichten, die über diese Schriften verbreitet sind, zurückzuwei¬
sen. Die Aufgabe des Geschichtschreibers geht nach zwei verschiedenen Seiten
hin: einmal die Eroberung eines neuen Gebietes für die Wissenschaft und wo¬
möglich zugleich auch die künstlerische Abrundung desselben; sodann aber die Auf¬
nahme eines bereits bekannten Gebiets in den sittlichen ideellen Kreis des Volks¬
bewußtseins. Es versteht sich von selbst, daß die beiden Schriften Dahlmanns
der letzteren Bestimmung angehören. Sie würde zwar ganz unmöglich zu erreichen
sein, wenn nicht ebenso umfangreiche und tiefe Vorstudien, wie sie für die erste
Gattung nöthig sind, vorausgegangen wären, aber sie erfüllen zugleich einen
höheren Zweck. Dahlmanns beide Schriften sind zu Volksbüchern im edleren
Sinn bestimmt und sie sind es anch geworden, trotz aller Anfechtung von Seiten
der Extreme; sie sind in aller Händen, und grade der bessere Theil des deutschen
Volks, der nicht an dem lauten Gewühl des Marktes theilzunehmen pflegt, hat
sie mit dem Verstand und mit dem Herzen aufgenommen. Daß noch immer
Männer von dein Tiefsinn und der umfassenden Gelehrsamkeit, wie Dahlmann,
im Stande sind, solche Werke zu schreiben, die sich des Gemüths bemächtigen,
und daß das Volk im Staude ist, sie richtig aufzufassen, das scheint uns immer
ein günstiges Zeichen für die Bildungsfähigkeit Deutschlands zu sein, welches wir
um so lieber constatiren, da wir nicht allzuhäufig zu solchen Wahrnehmungen
Veranlassung haben. --


Ilisroiro <Je I" revolution ir"my"isv. 1789. -t.es LonsrituaiUs, psr ^. et"z I^mar-
tine. 1. Bd. LruxsIIes. Kießling u. Comp. --

Während wir bei Dahlmann die ernste und tiefsinnige Auffassung eines
deutschen Gelehrten antreffen, mußten wir hier jene lebhafte und springende
Phantasie des Dichters erwarten, die sich in der Geschichte der Girondisten und
der Restauration auf eine so glänzende Weise, freilich nicht zur wissenschaftlichen
Befriedigung, bewährt hat. Wir müssen offen gestehen, daß. wir gleich von vorn¬
herein mit der Voraussetzung an das Buch gingen, dieses schöne Talent würde


lischen Revolution (zuerst erschienen -I8i3) und die dritte Auflage der Geschichte
der französischen Revolution (zuerst erschienen 18is). Die zunächst vorher¬
gehende Auflage fiel in die Zeit unserer eigenen Bewegung und gewann da¬
durch ein charakteristisches Interesse, aber wir finden auel/ für die neue Ausgabe
den Zeitpunkt sehr günstig, denn es sind durch die demokratischen Schriftsteller
einerseits, durch die reaktionären Schriftsteller andrerseits so verkehrte Begriffe
über das Wesen der Revolution im Volke verbreitet worden, daß eine Berich¬
tigung derselben durch einen hochgebildeten und ehrenfester Mann sehr am Orte
sein dürfte. Wir gehen auf den Inhalt dieser beiden Bände diesmal nicht ein,
weil wir eine Charakteristik Dahlmanns in der Reihe unserer deutschen Geschicht¬
schreiber in der kürzesten Zeit beabsichtigen, wir bemerken hier nur soviel, um
manche verkehrte Ansichten, die über diese Schriften verbreitet sind, zurückzuwei¬
sen. Die Aufgabe des Geschichtschreibers geht nach zwei verschiedenen Seiten
hin: einmal die Eroberung eines neuen Gebietes für die Wissenschaft und wo¬
möglich zugleich auch die künstlerische Abrundung desselben; sodann aber die Auf¬
nahme eines bereits bekannten Gebiets in den sittlichen ideellen Kreis des Volks¬
bewußtseins. Es versteht sich von selbst, daß die beiden Schriften Dahlmanns
der letzteren Bestimmung angehören. Sie würde zwar ganz unmöglich zu erreichen
sein, wenn nicht ebenso umfangreiche und tiefe Vorstudien, wie sie für die erste
Gattung nöthig sind, vorausgegangen wären, aber sie erfüllen zugleich einen
höheren Zweck. Dahlmanns beide Schriften sind zu Volksbüchern im edleren
Sinn bestimmt und sie sind es anch geworden, trotz aller Anfechtung von Seiten
der Extreme; sie sind in aller Händen, und grade der bessere Theil des deutschen
Volks, der nicht an dem lauten Gewühl des Marktes theilzunehmen pflegt, hat
sie mit dem Verstand und mit dem Herzen aufgenommen. Daß noch immer
Männer von dein Tiefsinn und der umfassenden Gelehrsamkeit, wie Dahlmann,
im Stande sind, solche Werke zu schreiben, die sich des Gemüths bemächtigen,
und daß das Volk im Staude ist, sie richtig aufzufassen, das scheint uns immer
ein günstiges Zeichen für die Bildungsfähigkeit Deutschlands zu sein, welches wir
um so lieber constatiren, da wir nicht allzuhäufig zu solchen Wahrnehmungen
Veranlassung haben. —


Ilisroiro <Je I» revolution ir»my»isv. 1789. -t.es LonsrituaiUs, psr ^. et«z I^mar-
tine. 1. Bd. LruxsIIes. Kießling u. Comp. —

Während wir bei Dahlmann die ernste und tiefsinnige Auffassung eines
deutschen Gelehrten antreffen, mußten wir hier jene lebhafte und springende
Phantasie des Dichters erwarten, die sich in der Geschichte der Girondisten und
der Restauration auf eine so glänzende Weise, freilich nicht zur wissenschaftlichen
Befriedigung, bewährt hat. Wir müssen offen gestehen, daß. wir gleich von vorn¬
herein mit der Voraussetzung an das Buch gingen, dieses schöne Talent würde


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97222"/>
            <p xml:id="ID_1503" prev="#ID_1502"> lischen Revolution (zuerst erschienen -I8i3) und die dritte Auflage der Geschichte<lb/>
der französischen Revolution (zuerst erschienen 18is). Die zunächst vorher¬<lb/>
gehende Auflage fiel in die Zeit unserer eigenen Bewegung und gewann da¬<lb/>
durch ein charakteristisches Interesse, aber wir finden auel/ für die neue Ausgabe<lb/>
den Zeitpunkt sehr günstig, denn es sind durch die demokratischen Schriftsteller<lb/>
einerseits, durch die reaktionären Schriftsteller andrerseits so verkehrte Begriffe<lb/>
über das Wesen der Revolution im Volke verbreitet worden, daß eine Berich¬<lb/>
tigung derselben durch einen hochgebildeten und ehrenfester Mann sehr am Orte<lb/>
sein dürfte. Wir gehen auf den Inhalt dieser beiden Bände diesmal nicht ein,<lb/>
weil wir eine Charakteristik Dahlmanns in der Reihe unserer deutschen Geschicht¬<lb/>
schreiber in der kürzesten Zeit beabsichtigen, wir bemerken hier nur soviel, um<lb/>
manche verkehrte Ansichten, die über diese Schriften verbreitet sind, zurückzuwei¬<lb/>
sen. Die Aufgabe des Geschichtschreibers geht nach zwei verschiedenen Seiten<lb/>
hin: einmal die Eroberung eines neuen Gebietes für die Wissenschaft und wo¬<lb/>
möglich zugleich auch die künstlerische Abrundung desselben; sodann aber die Auf¬<lb/>
nahme eines bereits bekannten Gebiets in den sittlichen ideellen Kreis des Volks¬<lb/>
bewußtseins. Es versteht sich von selbst, daß die beiden Schriften Dahlmanns<lb/>
der letzteren Bestimmung angehören. Sie würde zwar ganz unmöglich zu erreichen<lb/>
sein, wenn nicht ebenso umfangreiche und tiefe Vorstudien, wie sie für die erste<lb/>
Gattung nöthig sind, vorausgegangen wären, aber sie erfüllen zugleich einen<lb/>
höheren Zweck. Dahlmanns beide Schriften sind zu Volksbüchern im edleren<lb/>
Sinn bestimmt und sie sind es anch geworden, trotz aller Anfechtung von Seiten<lb/>
der Extreme; sie sind in aller Händen, und grade der bessere Theil des deutschen<lb/>
Volks, der nicht an dem lauten Gewühl des Marktes theilzunehmen pflegt, hat<lb/>
sie mit dem Verstand und mit dem Herzen aufgenommen. Daß noch immer<lb/>
Männer von dein Tiefsinn und der umfassenden Gelehrsamkeit, wie Dahlmann,<lb/>
im Stande sind, solche Werke zu schreiben, die sich des Gemüths bemächtigen,<lb/>
und daß das Volk im Staude ist, sie richtig aufzufassen, das scheint uns immer<lb/>
ein günstiges Zeichen für die Bildungsfähigkeit Deutschlands zu sein, welches wir<lb/>
um so lieber constatiren, da wir nicht allzuhäufig zu solchen Wahrnehmungen<lb/>
Veranlassung haben. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Ilisroiro &lt;Je I» revolution ir»my»isv. 1789. -t.es LonsrituaiUs, psr ^. et«z I^mar-<lb/>
tine. 1. Bd. LruxsIIes. Kießling u. Comp. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1504" next="#ID_1505"> Während wir bei Dahlmann die ernste und tiefsinnige Auffassung eines<lb/>
deutschen Gelehrten antreffen, mußten wir hier jene lebhafte und springende<lb/>
Phantasie des Dichters erwarten, die sich in der Geschichte der Girondisten und<lb/>
der Restauration auf eine so glänzende Weise, freilich nicht zur wissenschaftlichen<lb/>
Befriedigung, bewährt hat. Wir müssen offen gestehen, daß. wir gleich von vorn¬<lb/>
herein mit der Voraussetzung an das Buch gingen, dieses schöne Talent würde</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0517] lischen Revolution (zuerst erschienen -I8i3) und die dritte Auflage der Geschichte der französischen Revolution (zuerst erschienen 18is). Die zunächst vorher¬ gehende Auflage fiel in die Zeit unserer eigenen Bewegung und gewann da¬ durch ein charakteristisches Interesse, aber wir finden auel/ für die neue Ausgabe den Zeitpunkt sehr günstig, denn es sind durch die demokratischen Schriftsteller einerseits, durch die reaktionären Schriftsteller andrerseits so verkehrte Begriffe über das Wesen der Revolution im Volke verbreitet worden, daß eine Berich¬ tigung derselben durch einen hochgebildeten und ehrenfester Mann sehr am Orte sein dürfte. Wir gehen auf den Inhalt dieser beiden Bände diesmal nicht ein, weil wir eine Charakteristik Dahlmanns in der Reihe unserer deutschen Geschicht¬ schreiber in der kürzesten Zeit beabsichtigen, wir bemerken hier nur soviel, um manche verkehrte Ansichten, die über diese Schriften verbreitet sind, zurückzuwei¬ sen. Die Aufgabe des Geschichtschreibers geht nach zwei verschiedenen Seiten hin: einmal die Eroberung eines neuen Gebietes für die Wissenschaft und wo¬ möglich zugleich auch die künstlerische Abrundung desselben; sodann aber die Auf¬ nahme eines bereits bekannten Gebiets in den sittlichen ideellen Kreis des Volks¬ bewußtseins. Es versteht sich von selbst, daß die beiden Schriften Dahlmanns der letzteren Bestimmung angehören. Sie würde zwar ganz unmöglich zu erreichen sein, wenn nicht ebenso umfangreiche und tiefe Vorstudien, wie sie für die erste Gattung nöthig sind, vorausgegangen wären, aber sie erfüllen zugleich einen höheren Zweck. Dahlmanns beide Schriften sind zu Volksbüchern im edleren Sinn bestimmt und sie sind es anch geworden, trotz aller Anfechtung von Seiten der Extreme; sie sind in aller Händen, und grade der bessere Theil des deutschen Volks, der nicht an dem lauten Gewühl des Marktes theilzunehmen pflegt, hat sie mit dem Verstand und mit dem Herzen aufgenommen. Daß noch immer Männer von dein Tiefsinn und der umfassenden Gelehrsamkeit, wie Dahlmann, im Stande sind, solche Werke zu schreiben, die sich des Gemüths bemächtigen, und daß das Volk im Staude ist, sie richtig aufzufassen, das scheint uns immer ein günstiges Zeichen für die Bildungsfähigkeit Deutschlands zu sein, welches wir um so lieber constatiren, da wir nicht allzuhäufig zu solchen Wahrnehmungen Veranlassung haben. — Ilisroiro <Je I» revolution ir»my»isv. 1789. -t.es LonsrituaiUs, psr ^. et«z I^mar- tine. 1. Bd. LruxsIIes. Kießling u. Comp. — Während wir bei Dahlmann die ernste und tiefsinnige Auffassung eines deutschen Gelehrten antreffen, mußten wir hier jene lebhafte und springende Phantasie des Dichters erwarten, die sich in der Geschichte der Girondisten und der Restauration auf eine so glänzende Weise, freilich nicht zur wissenschaftlichen Befriedigung, bewährt hat. Wir müssen offen gestehen, daß. wir gleich von vorn¬ herein mit der Voraussetzung an das Buch gingen, dieses schöne Talent würde

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/517
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/517>, abgerufen am 29.05.2024.